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Aufschwung West. Seit Anfang 2013 gibt es das Luxushotel Waldorf Astoria neben dem Breitscheidplatz in Charlottenburg.
© dpa

Tourismus: Hotelbau-Boom in Berlin: Sterne für alle

Noch immer öffnet in Berlin Hotel um Hotel. Auch die Touristenzahlen steigen, aber der Preiskampf ist gnadenlos – Pensionen und der Mittelstand sind die Verlierer.

Rund 700 neue Hotelzimmer in einem 170-Meter-Turm, dem größten Hochhaus der Stadt – für die Berliner Hotelbranche sind die soeben bekannt gewordenen Erweiterungspläne des Hotels Estrel ein Paukenschlag. Das 1994 eröffnete Vier-Sterne-Haus in Neukölln ist mit 1125 Zimmern bereits das größte deutsche Hotel. Aber auch andernorts in Berlin geht der Bauboom weiter.

In diesem Jahr kamen bisher rund 2400 Zimmer hinzu, für die Zukunft sind 36 Projekte mit mehr als 8400 Zimmern bekannt. Aktuell gibt es 793 Hotels mit knapp 132000 Betten. Doch mehr denn je fragen sich Hoteliers, wie lange die steigenden Touristenzahlen die Betten ausreichend füllen. Verlierer gibt es schon: Pensionen oder mittelständische Häuser wie das alte Hotel Bogota, das Ende November wegen Mietschulden schließt, haben es gegen Budgetketten immer schwerer.

Hotelverein verliert jährlich 15 Pensionen als Mitglieder

„Die Pensionen haben wir großenteils verloren“, bedauert Hans Eilers. Der Direktor des Hotels Savoy leitet den Verein der Partnerhotels der Tourismusgesellschaft Visit Berlin. Jedes Jahr sinke die Zahl der Pensionen unter den Mitgliedern um rund 15, sagt Eilers.

Auch sein traditionsreiches Hotel in der Fasanenstraße spüre den Wettbewerb. Noch gelinge es dem 83 Jahre alten Savoy, das sich mit 125 Zimmern als „kleines Grandhotel“ versteht, sich hervorzuheben. Andererseits seien die Buchungen zurzeit „leicht rückläufig“ gegenüber dem Vorjahr.

Genügend Gäste gibt es – doch die Preise bleiben niedrig

Insgesamt wächst der Berlin-Tourismus weiter. Voraussichtlich steigt die Übernachtungszahl in diesem Jahr auf 26,5 Millionen – 1,6 Millionen mehr als im Rekordjahr 2012. Früher stöhnten viele Hoteliers über die niedrige Auslastung der Häuser. „Doch das ist lange vorbei“, sagt Eilers. Laut jüngsten Zahlen von Visit Berlin waren im August durchschnittlich 70 Prozent der Betten belegt; dies sei der höchste Wert seit 1992.

Betten statt Büros. Die spanische Hotelkette Riu baut das ehemalige Philips-Hochhaus in Schöneberg zum Vier-Sterne-Haus um.
Betten statt Büros. Die spanische Hotelkette Riu baut das ehemalige Philips-Hochhaus in Schöneberg zum Vier-Sterne-Haus um.
© Kai-Uwe Heinrich

„Das große Problem liegt woanders: Die Hotellerie ist nicht in der Lage, die Preise zu erhöhen“, sagt Thomas Lengfelder, Hauptgeschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) Berlin. Nach Angaben des Internetportals Hotel.com kostet ein Zimmer in Berlin im Durchschnitt 83 Euro, einen Euro mehr als 2012. Etwas höher, bei 88,20 Euro, sieht die „Fairmas Gesellschaft für Marktanalysen“ den Durchschnittspreis.

Wer Zimmer in Online-Buchungsportalen auch nur minimal teurer anbiete als Mitbewerber, sei so gut wie aus dem Rennen, sagt Lengfelder. „Treue Kunden gibt es kaum noch.“ Der Preiskampf werde befeuert von internationalen Ketten, die nach Berlin expandieren. Diesen gehe es gar nicht immer um schnellen wirtschaftlichen Erfolg. Manche nähmen sogar Verluste in Kauf, die durch Gewinne aus anderen Standorten „quersubventioniert“ würden. „Die Unternehmen wollen hier präsent sein.“

Der spanischen Riu-Gruppe etwa diene Berlin als Sprungbrett in den deutschen Markt. Riu baut im ehemaligen Philips-Hochhaus an der Schöneberger Urania ein Vier-Sterne-Hotel, es soll bald mit 357 Zimmern öffnen.

Billigflieger und günstige Zimmer haben Rekorde ermöglicht

Ein berühmter Name kehrt zurück. Im Dezember soll das Hotel am Steinplatz neu eröffnen. Das Original hatte prominente Stammgäste, stand später aber lange leer.
Ein berühmter Name kehrt zurück. Im Dezember soll das Hotel am Steinplatz neu eröffnen. Das Original hatte prominente Stammgäste, stand später aber lange leer.
© Kai-Uwe Heinrich

Visit-Berlin-Chef Burkhard Kieker versteht die Probleme von Hoteliers mit Niedrigpreisen, betont aber, der „Value for money“ sei auch ein Erfolgsfaktor des Berlin-Tourismus. Billigflüge und Hotelzimmer, die deutlich günstiger sind als in London oder Paris, hätten die Entwicklung erst richtig in Fahrt gebracht.

Die meisten Bauvorhaben gibt es in den Kategorien drei bis vier Sterne sowie bei Hostels für junge Leute und Rucksacktouristen. Die größte Eröffnung in diesem Jahr war das „Generator Berlin Mitte Hostel“ mit 600 Zimmern an der Oranienburger Straße. Für ein Zwei-Sterne-Hotel ähnlicher Größenordnung werden gerade am Charlottenburger Breitscheidplatz die Fundamente gelegt: 2016 will Motel One im künftigen 118-Meter-Hochhaus „Upper West“ 582 Zimmer ansiedeln. Die Budgetkette hat in Berlin bereits 2200 Zimmer in acht Hotels, baut auch am Leipziger Platz in Mitte – und doch ist für Geschäftsführer Dieter Müller der „Hunger nicht ganz gestillt“.

Auch ein Luxushotel ist noch in Planung

Dagegen sei „der Markt für Fünf-Sterne-Hotels gesättigt“, sagt Dehoga-Mann Lengfelder. Zuletzt hatte Hilton das Waldorf-Astoria mit 232 Zimmern im Zoofenster-Turm am Breitscheidplatz eröffnet – und so auch ein Zeichen für den Aufschwung der City West gesetzt. In Tiergarten kam das kleine, feine Hotel „Das Stue“ hinzu.

Das jüngste und vorerst letzte Fünf-Sterne-Projekt ist das einst berühmte „Hotel am Steinplatz“ in Charlottenburg. Ab Dezember will die Marriott-Marke „Autograph Collection“ mit 87 Zimmern an die Tradition des Hauses anknüpfen, das lange leer stand. Direktorin Iris Baugatz glaubt, mit der „100-jährigen Geschichte und denkmalgeschützten Jugendstilarchitektur“ besetze man „eine Nische“, es gehe um „Luxus im Kiez“.

Auch Top-Hotels bieten oft hohe Rabatte an. Aber manche, etwa das Hotel de Rome in Mitte, halten sich heraus. Die Betreibergruppe Rocco Forte „beteiligt sich an keinem Standort am Ratenverfall“, sagt Direktor Thies Sponholz. Angesichts der 70- bis 80-prozentigen Auslastung gebe es dafür keinen Grund. In das Hotel kämen vor allem Privatreisende, viele aus den USA und Südamerika. Geschäftsleute achteten mehr auf den Preis.

Wichtig sind mehr Kongress-Kapazitäten

Visit-Berlin-Chef Kieker sieht die vielen Neubauten „etwas skeptisch“, begrüßt aber die Estrel-Erweiterung als „Meilenstein im Kongressbereich“. Denn Estrel-Gründer Ekkehard Streletzki plant eine zweite Halle für Kongresse und Events. Bisher habe man Veranstaltungen manchmal wegen fehlender Kapazitäten absagen müssen, heißt es aus dem Hotel. Kieker betont, Messen und Kongresse brächten besonders hohe Zuwächse im Tourismus. Wegen der ungewissen Zukunft des Internationalen Congress Centrums (ICC) sei es wichtig, dass die Messe Berlin 2014 in ihrem „City Cube“ Ersatz schaffe und Streletzki seine Pläne realisiere.

Cay Dobberke

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