Absturz von Germanwings 4U9525: Hinterbliebene schreiben Wutbrief an die Lufthansa
Die Angehörigen der Opfer des Germanwings-Absturzes aus Haltern zeigen sich in einem Brief an die Lufthansa "zutiefst beleidigt" über die Höhe der angebotenen Entschädigung für den Tod ihrer Kinder. Doch auch die Lufthansa erhebt Vorwürfe.
Sie klingen enttäuscht und verbittert: Vier Monate nach dem Absturz der Germanwings-Maschine in Frankreich attackieren die Angehörigen der ums Leben gekommenen Schüler und Lehrer aus Haltern Lufthansa-Chef Carsten Spohr. „Herr Gauck, Frau Merkel und Frau Kraft haben mit uns gesprochen. Sie nicht“, heißt es in einem Brief an Spohr.
Unzufrieden sind die Angehörigen nicht nur mit dem Stil, sondern auch mit den Entschädigungen, die der Germanwings-Mutterkonzern angeboten hat. „Das Leben eines jeden unserer Kinder und unseren Schmerz mit 45.000 Euro zu bemessen, beleidigt uns und vor allem unsere Kinder zutiefst“, heißt es in dem Schreiben.
Mit dem Brief, der zunächst der „Bild“-Zeitung zugespielt worden war, erhöht Opferanwalt Elmar Giemulla den Druck auf die Lufthansa, höhere Entschädigungen zu zahlen. Der Berliner Anwalt fordert mindestens 100.000 Euro für jedes Opfer. Die Lufthansa hat den Erben der Toten ein Schmerzensgeld von 25.000 angeboten, jeder nächste Angehörige soll zudem 10.000 Euro erhalten. Zudem hat die Lufthansa bereits eine Soforthilfe von 50.000 Euro pro Opfer zur Verfügung gestellt.
Lufthansa bedauert Verschärfung des Tons
Die Lufthansa zeigte Verständnis für die Reaktion der Hinterbliebenen, bedauerte aber die „Verschärfung des Tons“. Man verstehe, dass die Angehörigen wütend sind, mit den angebotenen Summen gehe die Lufthansa aber deutlich über die gesetzlichen Vorgaben hinaus. Das sieht auch Ronald Schmid, Professor für Luftverkehrsrecht und Rechtsanwalt, so. „Das Angebot der Lufthansa ist fair“, sagte der Luftrechtsexperte dem Tagesspiegel, „die Lufthansa ist bereit mehr zu zahlen als sie müsste.“ Verglichen mit den USA sind die Schmerzensgeldsummen in Deutschland deutlich niedriger. „Schmerz kann man nicht bezahlen“, betont Schmid. Um das zu ändern, sei eine Gesetzesreform nötig.
Am Freitag wird es in der Nähe der Absturzstelle in den französischen Alpen eine Gedenkfeier für die 150 Menschen geben, die an Bord der Maschine waren. Nach bisherigem Ermittlungsstand hatte der damalige Ko-Pilot Andreas Lubitz beim Todesflug am 24. März den Flugkapitän aus dem Cockpit ausgesperrt und das Flugzeug absichtlich zum Absturz gebracht. Lubitz soll psychisch krank gewesen sein, die Krankheit aber vor seinem Arbeitgeber verheimlicht haben.
Die Anwälte legen keine Zahlen vor, sagt das Unternehmen
Die Lufthansa hatte bereits kurz nach der Katastrophe erklärt, die Hinterbliebenen entschädigen zu wollen. Seit Wochen verhandelt das Unternehmen mit Anwälten, die die Opfer vertreten. Aus Sicht des Unternehmens sind diese aber bislang wichtige Informationen schuldig geblieben. „Der materielle Schaden ist in den Verhandlungen bisher noch nicht beziffert worden“, sagte Lufthansa-Sprecher Andreas Bartels dem Tagesspiegel. „Das wäre vorrangig und im Interesse der Hinterbliebenen“.
Bartels verwies auf die Soforthilfe von 50.000 Euro, die die Lufthansa bereits geleistet habe, um materielle Schäden zu begleichen und den Angehörigen über die erste Zeit nach dem Unglück zu helfen. Aber auch darüber hinausgehende Forderungen könnten geltend gemacht werden, sagte er, etwa, wenn durch das Unglück Getötete als Versorger für ihre Familie ausfielen.
Das von der Lufthansa darüber hinaus angebotene Schmerzensgeld von 25.000 Euro für die Erben der Opfer soll den Schrecken über die Unglücksnachricht kompensieren, Eltern, Kinder oder Lebenspartnern sollen jeweils weitere 10.000 Euro als Ausgleich für ihr seelisches Leid erhalten sollen. Die Anwälte der Opfer fordern jedoch für beide Fälle Summen im unteren sechsstelligen Bereich. Ob das Lufthansa-Angebot das letzte Wort des Konzerns sei, wollte der Sprecher nicht sagen. Die Verhandlungen seien vertraulich.
Heike Jahberg, Jost Müller-Neuhof