Strengere Vorschriften, weniger Investitionen: Hendricks will nach VW-Skandal schärfere Abgasvorschriften
Der Abgasskandal bei Volkswagen könnte Folgen für die gesamte Branche haben: Umweltministerin Barbara Hendricks will strengere Umweltvorschriften und Kontrollen. VW investiert pro Jahr eine Milliarde Euro weniger.
Als Konsequenz aus der VW-Affäre will Umweltminister Barbara Hendricks (SPD) Abgasvorschriften und Kontrollen für alle Dieselfahrzeuge verschärfen. Emissionsgrenzwerte müssten künftig "so anspruchsvoll sein, dass der Diesel dadurch wirklich sauberer wird", zitiert die "Süddeutsche Zeitung" am Mittwoch aus einem Positionspapier der Ministerin. "Die Unternehmen müssen lernen: Auf Dauer kann man sich den Notwendigkeiten des Umweltschutzes nicht entziehen." Dieselmotoren stehen seit der Volkswagen-Affäre in der Kritik. Sie gelten zwar als vergleichsweise klimafreundlich, weil sie weniger Kohlendioxid ausstoßen als Benziner. Dafür sind ihre Stickoxid-Emissionen weit höher. VW hatte Millionen Motoren so manipuliert, dass nur in Tests besonders wenig Stickoxide aus dem Auspuff kommen.
Die Industrie muss beweisen, dass der Diesel sauber ist
"Der Dieselantrieb hat nur dann eine Zukunft, wenn die Industrie beweist, dass sie ihn wirklich sauber bekommt", schreibt Hendricks. Dazu brauche es europaweite Tests unter realen Bedingungen, deren Ergebnisse nach einem Vorschlag der EU-Kommission nur noch gering von den Grenzwerten abweichen dürfen. Brüssel hatte vorige Woche vorgeschlagen, dass die realen Emissionen ab 2017 nur noch um das 1,6-fache über den zulässigen Grenzwerten liegen dürfen, von 2019 an nur noch um das 1,2-fache. "Das wäre ein Riesenfortschritt, den wir dringend brauchen", schreibt Hendricks in ihrem Neun-Punkte-Papier. Behördliche Kontrollen müssten zudem sicherstellen, "dass die Fahrzeuge so gebaut werden, dass sie niedrige Emissionen auf der Straße einhalten". Die Kosten für das Kontrollsystem müssten die Hersteller tragen. Ähnliches hatte auch das Umweltbundesamt gefordert. Danach könnte etwa die Vergabe von Umweltplaketten davon abhängen, ob Autos die Abgaswerte wirklich einhalten.
VW will das Effizienzprogramm verschärfen
Die Marke VW zieht derweil Konsequenzen aus dem Diesel-Skandal und kürzt ihre Investitionen um eine Milliarde Euro pro Jahr. Der neue Markenvorstand Herbert Diess, der erst im Sommer von BMW gekommen war, hatte am Dienstag außerdem eine Verschärfung des Effizienzprogramms und eine Neuausrichtung der Produktpalette angekündigt. In Diesel-Fahrzeugen sollen künftig „nur noch die umwelttechnisch besten Abgassysteme“ zum Einsatz kommen. VW will sich zudem stärker bei der Elektromobilität engagieren. So soll das Oberklasse-Modell Phaeton in der nächsten Generation nur noch einen „vollelektrischen Antrieb mit Langstreckentauglichkeit“ haben. Zuvor war über das Aus für den Phaeton – ein Lieblingsprojekt von VW-Miteigentümer Ferdinand Piëch – spekuliert worden. Um Synergien im Zwölf-Marken-Konzern zu nutzen, wird die Marke VW einen „Elektrifizierungsbaukasten (MEB)“ konzipieren, aus dem sich auch andere Marken bedienen können. VW setzt bereits erfolgreich andere Baukästen ein. Seit 2012 den Modularen Querbaukasten (MQB) für zahlreiche Modelle von VW, Audi, Skoda und Seat. Diess versprach „besonders emotionale Fahrzeugkonzepte“ und E-Autos in Großserie, die rein elektrische Reichweiten von 250 bis 500 Kilometern bieten sollen.
Eigentlich wollte der Konzern bis 2018 rund 84 Milliarden Euro investieren
Diess, der sich als BMW-Vorstand den Ruf eines strengen Sanierers erwarb, hofft, mit den Maßnahmen zur Effizienzsteigerung den Spielraum für Zukunftstechnologien zu erweitern. Die Marke VW kam 2014 bei einem Umsatz von fast 100 Milliarden Euro nur auf eine operative Rendite von 2,5 Prozent. Der VW- Konzern insgesamt investierte 2014 mehr als 16 Milliarden Euro. Nach früheren Plänen wollte der Konzern bis 2018 84 Milliarden Euro in neue Autos, Standorte und Technologien stecken.
Wegen des Manipulationsskandals könnten auf den Autokonzern indes neben Straf- und Entschädigungszahlungen noch weitere Kosten zukommen. Wie das „Manager Magazin“ am Dienstag berichtete, prüft das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) derzeit eine Rückforderung der Abwrackprämien, die 2009 und 2010 Diesel-Fahrern gewährt wurden. Entscheiden will das Bafa demnach aber erst, wenn weitere Untersuchungsergebnisse in der VW-Affäre vorliegen. Das Bundesamt war für eine Nachfrage zunächst nicht zu erreichen.
Investoren wollen mehr Transparenz bei Lobbyarbeit
Große Investoren ziehen derweil in Zweifel, dass Autokonzerne wie VW beim Thema Klimaschutz mit offenen Karten spielen. In einem Brief an knapp ein Dutzend Hersteller – darunter Volkswagen, BMW und Daimler – forderten sie am Dienstag die Unternehmen auf, ihre Lobbyarbeit transparent zu erklären. Dies teilte der britische Anlegerschutzverband Share-Action mit.
Zu den Unterzeichnern gehören die Fondssparte der Versicherung Axa und der staatliche schwedische Pensionsfonds, die sich mit der britischen Klimaschutzlobby Influence-Map zusammentaten. Insgesamt legen die Investoren fast eine Billion Dollar an. Der Diesel-Skandal habe vor Augen geführt, dass die Öffentlichkeit mehr erfahren müsse über das politische Engagement, sagte Dylan Tanner, Direktor von Influence-Map.
Bei deutschen Investoren stieß der Vorstoß auf Skepsis: „Ein Brief ist momentan der falsche Weg“, sagte Ingo Speich, Fondsmanager bei Union Investment, der Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken, dem Tagesspiegel. „ Aus Aktionärssicht ist die Lobbyarbeit der Autoindustrie durchaus legitim. Lobbying ist Teil des politischen Prozesses.“ Als Investoren rede man am liebsten direkt mit dem Vorstand des Unternehmens. mit AFP