zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Haste Töne

Die frühere Klingeltonfirma Jamba will mit einer Videoplattform Apple und Amazon Konkurrenz machen

Berlin - Ein bisschen gespenstisch sieht es aus, wenn man an den vielen unbesetzten Schreibtischen vorbeigeht. Früher saßen hier Klingeltonkomponisten oder Handybildchengestalter. Weil im Dom Aquarée in Berlin-Mitte so viel Glas verbaut wurde, kann man auch in die leeren Besprechungszimmer sehen. Schnell stellt man fest, dass Jamba sich deutlich verkleinert hat. In der Boomphase beschäftigte die Firma mit der schrillen Klingeltonwerbung 800 Mitarbeiter, allein 650 davon in Berlin. Damals belegten sie zwei Etagen in dem Bürokomplex.

Den Klingeltonanbieter Jamba gibt es noch, inzwischen heißt die Firma aber Jesta Digital, hat in Berlin noch 350 Leute und will bald in kleinere Räume umziehen. Geschäftsführer Markus Peuler hat dennoch große Pläne: „Wir wollen die unabhängige Plattform für digitale Unterhaltung werden“, sagt er. „Wir glauben, dass wir als unabhängiger Anbieter neben Apple, Google und Amazon den Markt bereichern werden.“

Der Anfang ist gemacht: Im Mai startete das Unternehmen mit Bitbop in Deutschland. Das ist ein Abo-Service für zu Hause oder unterwegs, der TV-Sendungen werbefrei auf PCs, Tablets und Smartphones bringt. Bitbop kostet 9,99 Euro im Monat. Dafür kann man sich unbegrenzt seine Lieblings-TV-Serien ansehen. Im Gegensatz zu Youtube, wo Nutzer selbst gemachte Videos hochladen, will Bitbop „Premiuminhalte“ anbieten, wie Peuler sagt. Auf der Liste der Partner stehen Sony Pictures, HBO und Pro Sieben.

„Wir fassen die Angebote der Sender zusammen“, erklärt Peuler das Produkt. „Und wir bieten sie unabhängig davon an, welches Gerät der Kunde besitzt. Damit sind wir im Moment am Markt die Einzigen.“ Der Kunde müsse nicht mehr bei unterschiedlichen Anbietern verschiedene Apps herunterladen. Das mache Jesta Digital auch für die Sender interessant, weil sie so ein größeres Publikum erreichten, ohne sich Gedanken machen zu müssen, ob das Angebot mit allen Geräten kompatibel sei. „Wir haben uns schon in der Vergangenheit darauf spezialisiert, unsere Inhalte auf möglichst vielen Plattformen anzubieten“, sagt Peuler.

„Eine unabhängige Plattform könnte sich durchsetzen“, meint Mathias Birkel von der Strategieberatung Goldmedia. „Derzeit ist der Markt in Deutschland noch nicht verteilt.“ In den USA gebe es bereits Vorbilder wie etwa Hulu oder Netflix. Das Bundeskartellamt hatte im März eine gemeinsame Videoplattform von RTL und Pro Sieben Sat1 untersagt. Die Kartellwächter fürchteten, dass sich das marktbeherrschende Duopol der beiden Sendergruppen in der Fernsehwerbung weiter verstärken werde. Offen sei, ob sich in Deutschland ein Bezahlmodell durchsetzen werde, sagt Birkel. Bisher funktionierten werbefinanzierte Modelle am besten. Der Markt für mobile Unterhaltungsangebote entwickele sich gerade erst, denn jetzt seien sowohl die Netze leistungsfähig als auch das Angebot an verschiedenen Endgeräten groß genug, um für Kunden attraktiv zu sein.

Das Angebot von Jamba beschränkte sich auf alles rund ums Handy: Klingeltöne, Bilder, Spiele und so weiter. „Damit verdienen wir auch immer noch unser Geld“, sagt Peuler. Doch in Zukunft will Jesta Digital auch auf Tablets und PCs präsent sein. „Der Videodienst ist dabei nur der Anfang“, sagt Marketing-Chef Chris Hoerenz. Musik, Spiele, Hörbücher sollen folgen. Anfang des Jahres startete das Unternehmen für sein Flirtportal iLove eine mobile Webseite für Smartphones. Seit kurzem gibt es iLove auch als App in Apples iTunes-Store. Jamba soll die Marke fürs Handy bleiben. Für die neuen Dienste wählte Jesta Digital dagegen neue Namen. „Wir wollen unsere Produkthistorie nicht verleugnen“, erklärt Hoerenz. „Aber die Zielgruppe für die neuen Produkte ist älter. Mit der Gruppe der 35- bis 45-Jährigen fangen wir an.“

Auch dem historischen Standort Berlin will das Unternehmen treu bleiben. „Wir stellen hier inzwischen auch wieder Leute ein“, sagt Peuler. Etwa 30 Mitarbeiter sitzen außerdem in New York, 30 weitere in Los Angeles. Insgesamt seien im Unternehmen 30 verschiedene Nationalitäten vertreten. In Montreal soll ein weiteres Entwicklungszentrum entstehen. „Wir haben festgestellt, dass es dort ebenso wie in Berlin viele gut ausgebildete und kreative Leute gibt“, sagt Hoerenz. Er lebt in New York und pendelt ständig zwischen dort und Berlin hin und her. In ein paar Monaten wird er dann nicht mehr das Dom Aquareé ansteuern, sondern „Die Welle“. So heißt ein moderner Gebäudekomplex in der Nähe des Dom Aquarée, nur wenige Blocks die Karl-Liebknecht-Straße hinunter. „Wir ziehen aus der touristischen in die kreative Mitte Berlins“, sagt Geschäftsführer Peuler. Da passe Jesta Digital besser hin.

Corinna Visser

Zur Startseite