Das neue EZB-Gebäude: Gute Aussicht für Mario Draghi
Die EZB zieht bald in ihr neues Gebäude im Osten Frankfurts. In der 41. Etage - in 160 Metern Höhe - wird der Rat auf hellbeigen Ledersesseln tagen. Der Ausblick ist einmalig. Unser Autor hat sich schon einmal umgeschaut.
Mario Draghi wird künftig vor allem die Tür im Blick haben. Dreht er seinen Kopf nach links, genießt er freilich einen einmaligen Blick von Osten auf die Frankfurter Bankentürme. Und dies aus rund 160 Metern Höhe im 41. Stock des neuen Gebäudes der Europäischen Zentralbank (EZB). „Draghi wird nicht den besten Ausblick haben, aber den besten Überblick“, sagt Thomas Rinderspacher, der Projektleiter des Neubaus. Möglicherweise sogar noch in diesem Jahr. Auch wenn noch Deckenteile herunterhängen, Kräne und Gerüste stehen und überall gehämmert, geschraubt und gebohrt wird: Anfang November ziehen die ersten EZB-Mitarbeiter vom Eurotower in die in sich verdrehten beiden Glastürme auf dem Gelände der ehemaligen Frankfurter Großmarkthalle. Der Denkmalschutz hat durchgesetzt, dass das Gebäude aus den 20iger Jahren des letzten Jahrhunderts erhalten wird. Der futuristische Eingangs- und Konferenzbereich durchzieht die alte Halle mit einem Querriegel verbindet sie mit den beiden neuen 185 Meter hohen Türmen.
Draghi und die Mitglieder des Rats tagen im 41. Stock künftig auf beigen Ledersesseln und sitzen an einem mit beigen Leder bezogenen runden Konferenztisch. Der Ausblick ist einmalig. „Aber die Notenbanker sind nicht hier um den Ausblick zu genießen, sondern hart zu arbeiten“ stellt Rinderspacher klar. Ihre Blicke werden aber fragend auch an die Decke schweifen. Die wabenförmigen dunkelgrauen gewellten Metallstreifen sollen Europa darstellen. „Das ist nicht einfach zu erkennen“, sagt Professor Frank Stepper vom Architekturbüro Coop Himmelb(l)au, die den Turm entworfen hat. „Aber das ist auch ein wenig gewollt“.
Erste Ratssitzung schon im Dezember möglich
Noch stehen Stühle und Konferenztische in Plastikfolien verpackt auf dem dunkelgrauen Teppichboden. 40 Banker können hier tagen. „Wir haben Platz für die sechs EZB-Direktoriumsmitglieder und Vertreter aller 28 EU-Staaten und noch mehr“, sagt Rinderspacher. Derzeit sitzen 24 Mitglieder im EZB-Rat, neben den Direktoren die Notenbankchefs der 18 Euro-Mitgliedsstaaten. Schon im Dezember könnte die erste Ratssitzung stattfinden, sagt er.
Ein Blick in die Räume ihrer Chefs gewährt die EZB wenige Tage vor dem Umzug nicht. Draghi wird sein Büro im 40. Stock beziehen, ebenso der Vize-Präsident. Die vier anderen Direktoren, darunter die Deutsche Sabine Lautenschläger sitzen in ihren Büros in Etage 39 und 38. Alle seien schon mehrfach hier gewesen, um sich ihre künftigen Arbeitsplätze anzuschauen, sagt Rinderspacher.
Er ist mit seinen Mitarbeitern bereits eingezogen, im 15. Stock. Helle Räume, die Fenster reichen bis zum Boden, auch zum Flur hin Glas. Praktische Tische und Stühle, grauer Fußboden, im Flur eine grellgrüne Küchenzeilen. So sieht es in allen Büros für die 2.900 Euro-Banker aus, die bis zum Jahresende die beiden neuen Türme beziehen sollen. Sie finden auf Plattformen, die Süd- und Nordturm auf der 15. und 27. Etagen verbinden, Gelegenheit zum Meinungsaustausch und zur Kaffeepause. Getagt wird im zweistöckigen Konferenzzentrum, das die Architekten von Coop Himmelb(l)au in der ehemaligen Großmarkthalle und dem futuristischen Querriegel unterbracht haben, der die Halle zerteilt.
1,3 Milliarden statt 850 Millionen Euro Kosten
Hier am nördlichen Ende des Querriegels im zweiten Stock wird Draghi künftig - möglicherweise sogar schon Anfang Dezember vor der offiziellen Einweihung der neuen Türme im nächsten Jahr - den Journalisten und damit der Öffentlichkeit in den Pressekonferenzen erklären, warum der Rat Zinsen erhöht oder gesenkt und welche Sonder-Maßnahmen sich die Notenbanker noch ausgedacht haben, um Krisen zu bekämpfen. „Hier wird Draghi die finanzpolitischen, also die geldpolitischen Entscheidungen verkünden und erläutern“, sagt Rinderspacher, der sehr wohl um die Macht von Draghi und Co weiß. Rinderspacher hat schon den Umbau des Eurotowers vor 20 Jahren geleitet und alle EZB-Präsidenten mit erlebt.
Hier im Konferenzsaal, der mit seiner großen Glasfassade ebenfalls den Blick auf die Bankentürme freigibt, wird Draghi wohl auch erläutern müssen, warum die beiden neuen Türme samt Grundstück und Baunebenaufwendungen am Ende 1,3 Milliarden und nicht nur, wie 2005 geplant, 850 Millionen Euro gekostet haben. Rinderspacher greift dem schon einmal vor: Die Preise seien gestiegen, Glas, Beton, Stahl und Energie seien teurer geworden, daneben war der Aufwand für die Sanierung der Großmarkthalle größer als erwartet. Und nicht zuletzt hat die EZB den Generalunternehmer gewechselt. Was gekostet und auch zu Verzögerungen geführt hat. Eigentlich wollte die EZB schon vor drei Jahren umziehen. Jetzt wird es höchste Zeit. Schließlich braucht die neue Europäische Bankenaufsicht, die am 4. November in Frankfurt ihre Arbeit aufnimmt und bald 1.000 Mitarbeiter haben wird auch Büros. Im Eurotower werden sie bis Ende des Jahres frei.
Rolf Obertreis