Internetkonzern expandiert: Google kauft Mobilfunksparte von Motorola
Google steigt ins Handygeschäft ein und kauft die Mobilfunksparte von Motorola. Damit kann der Konzern sein Android-Betriebssystem wohl bald in eigenen Smartphones einsetzen und Apple stärker unter Druck setzen.
Google startet einen direkten Angriff auf den Konkurrenten Apple. Für 12,5 Milliarden Dollar (8,8 Milliarden Euro) übernimmt der Suchmaschinenkonzern die Mobilfunksparte von Motorola. Damit erlangt Google ebenso wie Apple die vollständige Kontrolle über das Design von Software und Gerät und kann beides optimal aufeinander abstimmen. Android soll mit der Übernahme von Motorola „voll durchstarten“, sagte Google-Chef Larry Page.
Das Smartphone-Betriebssystem Android von Google ist derzeit das am schnellsten wachsende Betriebssystem. Inzwischen wurden weltweit mehr als 150 Millionen Android-Geräte aktiviert. Nach Angaben von Google kommen jeden Tag 550 000 Geräte neu hinzu. Nach Berechnungen der Marktforschungsfirma Gartner hatte Android Mitte des Jahres einen Marktanteil von 43 Prozent, die Betriebssysteme von Nokia (Symbian) beziehungeweise Apple (iOS) kommen auf 22 beziehungsweise 18 Prozent.
Doch der Erfolg des offenen Betriebssystms, das neben Motorola auch von Herstellern wie Samsung, HTC oder LG genutzt wurde, ist in Gefahr: Wettbewerber wie Apple und Microsoft verklagten Unternehmen, die das Google-System einsetzen, weil Android gegen ihre Patente verstoße. Außerdem muss sich Google mit der Klage des Software-Unternehmens Oracle auseinandersetzen, weil Android angeblich Patente um die Software- Umgebung Java verletzt.
Als Späteinsteiger in den Mobilfunkmarkt verfügt Google bislang nur über einige wenige einschlägige Patente. Daher sah sich Larry Page nun zu einem Befreiungsschlag gezwungen – zumal sein Unternehmen zuvor bei der Versteigerung der Patente des gescheiterten kanadischen Mobilfunkausrüsters Nortel nicht zum Zuge gekommen war und einem vonApple und Microsoft organisiertem Konsortium den Vorzug lassen musste.
Umgekehrt verfügt Motorola, eines der Pionierunternehmen der Mobilfunkbranche über eine große Zahl von Patenten. Daher erscheint Ralf Kaumanns, Geschäftsführer des Informationsdienstes StrategyFacts.com, der Preis von 12,5 Milliarden Dollar für die Mobilfunksparte von Motorola gerechtfertigt zu sein: „Man muss die Marke, die 17 000 Patente und die 4100 laufenden Patentanträge, die bestehenden Produkte, die Fähigkeiten im Netzumfeld und weitere Vermögenswerte in die Rechnung einbeziehen“, sagte er. Und man müsse den Preis im Verhältnis zu den rund 6000 Patenten aus der Nortel-Auktion sehen, für die 4,5 Milliarden Dollar gezahlt wurden.
„Betrachtet man allein das Geschäft von Motorola, wäre der Kaufpreis völlig überzogen“, sagte Analyst Markus Friebel von Independent Research. „Doch hierbei geht es hauptsächlich darum, dass Motorola über eines der stärksten Patentportfolios in der Branche verfügt.“
Die Börse überzeugte diese Argumentation offenbar nicht: Nach der Ankündigung der Übernahme verlor die Google-Aktie rund vier Prozent. Auch die Aktie des Konkurrenten Apple stürzte ab, erholte sich aber im Handelsverlauf wieder. Offenbar setzte sich am Ende die Überzeugung durch, dass Google doch einen hohen Preis zahlt und es noch nicht ausgemacht ist, dass Apple nun unter massiven Druck gerät.
Ob es für Google ein kluger Schritt ist, ins Hardware-Geschäft einzusteigen, könne man heute noch nicht abschließend beantworten, sagte Kaumanns. Noch ist offen, ob Google eigene Fabriken halten wird oder diese an einen Auftragsfertiger weiterverkauft und sich auf die Produktentwicklung, die Markenbildung und den Vertrieb konzentrieren wird – ähnlich wie Apple dies macht.
Google jedenfalls veröffentlichte am Montag Statements von den Partnern HTC, Sony-Ericsson und LG, die den Kauf einhellig begrüßten. „Wichtig sei, dass Android ein offenes System blebe, sagte Analyst Markus Friebel. Dann würden auch die anderen Hersteller davon profitieren, dass Google in Zukunft womöglich weniger Patentrechtsstreitigkeiten verliert. In diesen Fällen, würden nämlich auch die Hersteller in die Pflicht genommen. „Die sind jetzt auch auf der sicheren Seite“, sagte Friebel. (mit dpa)