Apple: Glaubenskrieg um den iPhone-Konzern
Das US-Unternehmen steckt nach Meinung der Börse in einer Identitätskrise – obwohl es kerngesund ist.
Berlin - Apple hat nach einem beispiellosen Erfolgslauf den ersten Gewinnrückgang seit fast zehn Jahren verbucht. Der Konzern erzielte mit 9,5 Milliarden Dollar (7,3 Milliarden Euro) zwar immer noch den vierthöchsten Quartalsgewinn seiner Geschichte. Im Jahresvergleich bedeutete das jedoch ein Minus von gut 18 Prozent. Der Umsatz legte in dem Ende März abgeschlossenen zweiten Geschäftsquartal um 11,2 Prozent auf 43,6 Milliarden Dollar zu, wie das Unternehmen nach US-Börsenschluss am Dienstag mitteilte.
Immer, wenn Apple Geschäftszahlen vorlegt, beginnt ein Glaubenskrieg: Erfüllt das US-Unternehmen noch die Erwartungen an eine Marke, die von den Kunden wie ein Kult verehrt wird – oder ist Apple ein ganz gewöhnlicher Hersteller von Computern, Smartphones und Software geworden, mit den ganz gewöhnlichen Problemen dieser Branche?
Die Entwicklung der Aktie spricht für Letzteres. Seit dem Höchststand bei 700 Dollar im vergangenen September hat sich ihr Wert fast halbiert. Apples Marktkapitalisierung ist um fast 300 Milliarden Dollar geschrumpft. Am Dienstagabend notierte das Papier bei 406 Dollar.
Ohnehin stellt die kurzfristige Quartalsbetrachtung die Anleger nicht mehr zufrieden. Sie fragen sich vielmehr, wie nachhaltig das Geschäftsmodell des kalifornischen Technologiekonzerns ist. Von ihm wird erwartet, dass er bald die nächsten Generationen seines iPhones oder iPads auf den Markt bringt. Oder besser noch eine große Innovation, die – ähnlich wie bei Smartphones oder Tablet-PCs – einen ganzen Markt auf den Kopf stellt: eine Apple-Uhr, ein Fernseher, ein Auto.
Der Glaubenskrieg an der Börse hat die Nerven der Investoren in den vergangenen Monaten strapaziert. Auf Tage mit Kursgewinnen folgten stets Tage und Wochen mit Verlusten, weil derzeit niemand langfristig auf Apple setzen will.
Das „Wall Street Journal“ beschrieb am Dienstag „Apples große Identitätskrise“: Der Kapitalmarkt sehe in dem Unternehmen noch einen Hardware-Hersteller, der immer stärker den Produktzyklen und dem Innovationsdruck ausgesetzt sei, den Wettbewerber wie Samsung ausübten. Eigentlich sei Apple aber längst mehr – ein „Zwischending aus Software- und Hardwarekonzern“ –, der seine Einnahmen mit iTunes, App-Store und Betriebssystem jenseits des Geräteverkaufs ausweite.
Eine Krise sieht eigentlich anders aus. Die Bruttomarge ist gesunken, sie liegt aber immer noch bei üppigen 40 Prozent. Mehr als 80 Prozent der Kunden sagen, dass sie auch künftig Apple-Produkte kaufen wollen. Und selbst an der Börse sieht Apple vor dem Hintergrund seiner gesunden Struktur attraktiv aus. Der Konzern wird etwa mit dem Neunfachen des für die kommenden zwölf Monate erwarteten Gewinns bewertet.
Ob dies ein Kaufanreiz für Anleger wird, hängt von vielen Faktoren ab – nicht nur von neuen Geräten, wie dem nächsten iPhone, das angeblich im Sommer auf den Markt kommen soll. Oder einem günstigen Einstiegs-iPhone, über das schon so lange spekuliert wird.
Wie bei Konzernen aus anderen Branchen entscheidet sich auch bei Apple die Zukunft in China. Hier setzte der Konzern im ersten Quartal 7,3 Milliarden Dollar um – ein Plus von 60 Prozent. Vor allem bei der wachsenden Mittelschicht sind die Produkte aus Kalifornien (die überwiegend in China montiert werden) begehrt. Auch deshalb entschuldigte sich Apple-Chef Tim Cook unlängst im Reich der Mitte für unfaire Garantieleistungen. Das Beispiel zeigt: „The next big thing“ muss nicht unbedingt ein neues Apple-Produkt sein. Käme Apple in den schwierigen Verhandlungen mit China Mobile über eine Kooperation voran, wäre die Börse ebenfalls elektrisiert. Denn der größte Mobilfunkanbieter der Welt hat mehr als 700 Millionen Kunden.