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Am Standort in Berlin produziert Gillette vor allem die Produkte Venus, Mach3 und Fusion sowie künftig das Nachfolgeprodukt NextGen.
© imago/Mario Aurich

Werk in Marienfelde erhalten: Gillette bleibt in Berlin

Keine Verlagerung nach Polen: Gillette bleibt in Berlin. Möglich wurde das, weil die Belegschaft zum Verzicht bereit war.

Der Berliner Industrie bleibt ein Tiefschlag erspart. Der US-Konzern Procter & Gamble investiert in den kommenden Jahren in sein Gillette-Werk in Marienfelde und verlagert nicht einen Teil der Produktion nach Polen. Seit Herbst haben IG Metall und Betriebsrat um den Standort verhandelt, jetzt steht der Kompromiss: Die Beschäftigten verzichten auf rund vier Prozent ihres Einkommens, und der Konzern investiert im Gegenzug mindestens 80 Millionen Euro. „Am Standort sollen weiterhin die bisherigen Produktfamilien Venus, Mach3 und Fusion sowie künftig das Nachfolgeprodukt ’NextGen’ produziert werden“, heißt es in dem neuen Tarifvertrag „Zukunftssicherung“.

Danach müssen bis Juni 2017 in dem Werk mindestens 750 Mitarbeiter und bis März 2020 mindestens 670 Mitarbeiter beschäftigt werden. Betriebsbedingte Kündigungen sind in den kommenden fünf Jahren ausgeschlossen. Doch die Belegschaft schrumpft trotzdem weiter. Schon seit Monaten läuft ein Abfindungsprogramm mit dem die Zahl der Beschäftigten um 250 auf 750 reduziert wird. Das lässt sich der Konzern mit Hauptsitz in Boston einiges kosten: Für jedes Jahr Betriebszugehörigkeit gibt es bis zu 1,5 Monatsgehälter für den freiwilligen Ausstieg. Procter& Gamble, einer der größten Konsumgüterhersteller der Welt (Wella, Wick, Duracell oder Braun gehören unter anderem dazu), hatte vor zehn Jahren Gillette übernommen. In Europa ist Berlin das wichtigste Werk von Gillette, doch seit Jahren gibt es Verlagerungen nach Lodz.

Auch Personalabbau wäre teuer geworden

Für die kommende Produktgeneration hatten die Manager einen Kostenvorteil von Lodz gegenüber Berlin von 124 Millionen Euro über die „Projektlaufzeit von zwölf Jahren“ errechnet, und die Belegschaft beziehungsweise die IG Metall als Tarifpartei damit konfrontiert. Durch den Lohnverzicht kann die Lücke um die Hälfte, also 62 Millionen Euro, geschlossen werden. Das reicht dem Management, zumal ein weitergehender Personalabbau auch einen zweistelligen Millionenbetrag gekostet hätte.

Die Arbeitnehmerseite ließ sich aus drei Gründen auf den Kompromiss ein. Es gibt, insbesondere für ältere Beschäftigte, noch besondere Zulagen, die bisweilen in West-Berliner Zeiten zurückreichen. Zum Beispiel eine Frühschichtzulage oder einen Gehaltsaufschlag nach Betriebszugehörigkeit. Diese Sonderleistungen schrumpfen nun zusammen, bis die vier Prozent erreicht sind. Und wenn das nicht reicht, kommen Kürzungen beim Weihnachts- und Urlaubsgeld hinzu. Alles in allem sind die Einbußen von vier Prozent aufgrund des relativ hohen Einkommens also verkraftbar. Zum Zweiten sind die Jobs die nächsten Jahre sicher, und zum Dritten wurde ein Begehren des Arbeitgebers abgewehrt: Die Arbeitszeit wird nicht verlängert, es bleibt bei der 35-Stunden-Woche, die die IG Metall vor Jahrzehnten erstreikt hatte und von der sie nicht lassen will.

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