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Arbeitsagentur spart Überschüsse für Krisen.
© dpa

Arbeitslosenversicherung: Genug Milliarden zurückgelegt

Die Arbeitslosenversicherung erzielt zweistellige Milliardenüberschüsse. Der Umfang der anstehenden Beitragssenkung ist umstritten.

Ende des Jahres wird die Arbeitslosenversicherung eine Rücklage von 24 Milliarden Euro gebildet haben. Zu dieser Prognose kommt zumindest der Konjunkturforscher Alfred Boss vom Institut für Weltwirtschaft Kiel (IfW). Er fordert deshalb, den Beitrag von derzeit drei auf 2,5 Prozent zu senken. Auch Politiker der Union, zuletzt der CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, sprechen sich für diese Senkung aus. Im Koalitionsvertrag vereinbart sind aber lediglich 2,7 Prozent – woran Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) auch festhält.

Bei einem Beitrag von 2,7 Prozent steigt die Rücklage der Arbeitslosenversicherung immerhin weiter. Bis Ende 2019 würde sie bei einer Absenkung zum 1. Januar 2019 die Höhe von 30 Milliarden Euro erreichen, rechnet Boss vor. In einem Abschwung seien aber nur 23 Milliarden Euro erforderlich. Bereits Ende dieses Jahres wird genug auf dem Konto der Bundesagentur für Arbeit (BA) liegen, um die Arbeitslosigkeit in einer durchschnittlichen Konjunkturkrise finanzieren zu können. Dies ergab eine Berechnung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), nachdem es die Rezessionen der vergangenen Jahrzehnte untersucht hatte. Erforderlich sind demnach 0,65 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), um die Ausgaben der BA in schweren Zeiten zu decken. Gemessen am aktuellen BIP entspricht das 23 Milliarden Euro. Eine Rücklage von 24 Milliarden Euro, wie Boss sie für Ende 2018 vorhersagt, würde also schon ausreichen.

DGB will Puffer für Weiterbildung

Die SPD und auch die Gewerkschaften wollen den Beitrag höchstens auf 2,7 Prozent verringern und mehr Geld für Weiterbildungen verwenden. Annelie Buntenbach, Vorstandsmitglied des DGB, verweist auf die sich ändernde Arbeitswelt. „Die Digitalisierung erfordert, dass die Menschen mehr Möglichkeiten und Unterstützung bekommen, sich weiterzubilden.“ Denn wenn Arbeitsplätze durch Computer ersetzt werden, etwa Kassierer durch Selbstbedienungskassen, müssten diese Menschen für andere Aufgaben umgeschult werden.

Eine Alternative: Der Bund, und nicht die Arbeitslosenversicherung, finanziert die Weiterbildung der Beschäftigten – beispielsweise in Form von Steuermitteln. Weil das derzeit aber nicht vorgesehen ist, sagt Buntenbach: „Eine Senkung des Arbeitslosenbeitrags um mehr als 0,3 Prozentpunkte ist nicht zu verantworten.“ Für eine moderate Senkung des Arbeitslosenbeitrags spricht sich auch der IAB-Forscher Enzo Weber aus. Eine Senkung auf 2,7 Prozent des Bruttoeinkommens nennt er „vernünftig“.

Arbeitsagentur muss Überschuss bilden

Was bedeutet ein geringerer Beitrag für Angestellte? Ein Arbeitnehmer mit einem Durchschnittseinkommen von 3770 Euro monatlich spart bei einem Beitrag von 2,7 Prozent im Vergleich zu heute pro Jahr 68 Euro. Wird der Beitrag auf 2,5 Prozent gesenkt, zahlt er 113 Euro weniger ein, hat also noch einmal 45 Euro mehr im Jahr für sich. Arbeitgeber sparen ebenso bei den Lohnkosten, denn sie übernehmen die Hälfte des Beitrags.

Aktuell verfügt die Bundesagentur über 20 Milliarden Euro Rücklagen. IAB-Forscher Weber rät davon ab, schon in diesem Jahr den Beitrag zu verringern. Anders sieht es der Konjunkturforscher Boss. Er hat berechnet, dass bei einer Senkung auf 2,5 Prozent – rückwirkend zum 1. Mai – die Bundesagentur bis Ende 2019 über eine Summe von 23,5 Milliarden verfügen wird. Boss ist auch aus einem anderen Grund für die stärkere Senkung. Seiner Berechnung nach würde bei dem Beitrag über alle Konjunkturzyklen hinweg kein Überschuss mehr gebildet werden. Einen geringen Überschuss muss die Arbeitsagentur aber fortwährend bilden. Mit einem Anstieg des BIP wird ein größerer Geldvorrat nötig. Denn je höher die Gehälter vor einer Rezession sind, desto mehr Rücklagen benötigt die Agentur, um Arbeitslosengeld zu zahlen. Außerdem muss die Bundesagentur den inflationsbedingten Verlust der Gelder ausgleichen. Das Problem: Die Reserven der Bundesagentur sind derzeit in Termingeldern zu Nullprozent angelegt. Wird davon die Inflationsrate abgezogen, nimmt der Wert der eingezahlten Beiträge ab.

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