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Skandal um Online-Bank Liberty Reserve: Geldwäschern drohen hohe Haftstrafen

Mit Hilfe der Online-Bank Liberty Reserve sollen Verbrecher weltweit Geld gewaschen haben. Drogendealer, Hacker, Kinderschänder. Welche Ausmaße hat der Fall?

Die amerikanische Justiz meldet einen Cyber-Coup: Nach monatelangen Ermittlungen wurde die digitale Notenbank Liberty Reserve dicht gemacht, deren digitale Währung offenbar bevorzugtes Zahlungsmittel für Kriminelle war. Drogendealer, Hacker, Kinderschänder – wer sein unlauteres Geld waschen wollte, war bei dem Unternehmen gut aufgehoben. Mindestens sechs Milliarden Dollar soll Liberty Reserve in den letzten Jahren über ein kompliziertes globales Netzwerk gewaschen haben, das man vom Firmensitz in Costa Rica betreute. „Die Geldwäsche ist im Internet-Zeitalter angekommen“, sagte der Chef der amerikanischen Steuerbehörde IRS bei einer Pressekonferenz am Dienstag. „Wenn Al Capone noch leben würde, dann würde er hier sein Geld verstecken.“

Wie hat das System funktioniert?

Sicher ist auch: Wenn Al Capone noch leben würde, dann würde ihm angesichts der Internetkonstruktion hinter Liberty Reserve wohl schwindlig werden. Während sich der legendäre Gangster-Boss in den Zwanzigerjahren noch ganz handfest um Whiskey, Waffen und Korruption kümmerte, geht es bei Liberty Reserve um Online-Werte und ein komplexes Netz in mindestens 17 Ländern, das innerhalb von sieben Jahren mehr als 55 Millionen Transaktionen abwickelte und Millionen von Kunden betreute. Etwa 200000 Kunden sollen aus den Vereinigten Staaten stammen. Wer bei Liberty Reserve mitmachen wollte, brauchte nicht viel. Eine Email-Adresse reichte aus, dazu ein meist erfundener Name. Eine Überprüfung der Kundendaten fand nie statt – dem Verbrechen waren Tür und Tor geöffnet.

Ein verdeckter Ermittler eröffnete bei Liberty Reserve ein Konto auf den Namen „Joe Unsinn“ und nannte als Verwendungszweck „für Kokain“. Auch auf offensichtlich kriminell lautende Namen wie „Russen-Hacker“ wurden Konten angemeldet. Einmal im Netz, konnten die Kunden von Liberty Reserve Geld austauschen - auch über Staatsgrenzen hinweg. Zwischengeschaltet wurde eine Phantasie-Währung, der „Liberty Reserve Dollar“.

Liberty Reserve selbst tätigte keine Ein- oder Auszahlungen, sondern überließ diesen Teil der Transaktion unabhängigen Organisationen – unter ihnen zahlreiche Banken aus Ländern mit traditionell schwachen Regulierungen: Russland, Malaysia, Nigeria und Vietnam. Die überwiesen wiederum von oder auf ein Konto der Cyber-Bank, von der sie so gut wie keine Transaktionsdetails kannten.

Wer steckt dahinter?

Der Kopf hinter Liberty Reserve ist Arthur Budovsky. Gegen den gebürtigen Ukrainer wurde 2006 schon einmal wegen illegaler Finanzgeschäfte im Internet ermittelt. Damals gelang ihm gemeinsam mit einem Komplizen die Flucht nach Costa Rica . Seit 2011 soll Budovsky auch dort versteckt gelebt haben, heißt es in den Unterlagen der amerikanischen Ermittler. Budovsky, der seine amerikanische Staatsbürgerschaft vor zwei Jahren abgab, wurde jetzt in Spanien gefasst. Die Internetseite von Liberty Reserve ist seit einigen Tagen bereits offline. Auch fünf seiner engsten Vertrauten sitzen in Untersuchungshaft - zwei weitere werden noch gesucht. Allen Angeklagten drohen lange Haftstrafen. Allein auf den Vorwurf der Geldwäsche stehen in den USA 20 Jahre Gefängnis, dazu kommen mögliche Haftstrafen für unlizenziertes Ausüben von Finanztransaktionen.

Liberty Reserve nutzte die laxen Regeln von Ländern wie Nigeria

Wie war so ein System möglich?

Liberty Reserve machte sich allem Anschein nach die laxen Regeln einiger Länder zunutze. Während es in den USA wegen einer strengen Registrierungs- und Nachweispflicht kaum möglich wäre, in völliger Anonymität Geldgeschäfte zu tätigen, ist das in vielen Ländern der dritten Welt anders. In Nigeria etwa sind die Sicherheitslücken im System bestens bekannt, seit der gefürchtete und nicht tot zu kriegende „Nigeria-Betrug“ per Email seine Opfer sucht. Denen wird in der Regel vorgegaukelt, dass sie gegen eine satte Provision helfen könnten, eine große Summe Geld aus dem Lande zu schaffen. Einmal geködert überweisen Opfer kleinere Summen auf Konten, deren Inhaber ebenso anonym sind wie jetzt die Hintermänner von Liberty Reserve.

Wer waren die Kunden von Liberty Reserve?

Grundsätzlich hatten alle möglichen Kriminelle ein Interesse an der Arbeit von Liberty Reserve. Für Betrüger ist ihr Geschäft nur interessant, wenn sie ihre Beute letztlich auch offen nutzen können, ein anonymer Finanzplatz ist daher wichtig. Ersten Erkenntnissen zufolge gehörten allerdings auch zahlreiche unbescholtene Bürger zu den Kunden von Liberty Reserve.

Diese könnten sich gerne an sein Büro wenden, um ihr Geld wieder zu bekommen, kündigte der leitende US-Staatsanwalt Preet Bharara am Dienstag an. Ohne eine gründliche Untersuchung wird aber wohl kein Kunde der Cyber-Bank davon kommen. Zu den unbescholtenen Kunden soll etwa der Kreditkartenanbieter Epay-Cards gehören, der wegen der Sperrung sämtlicher Konten von Liberty Reserve derzeit nicht an seine dort hinterlegten Gelder kommt.

Welche Konsequenzen werden gezogen?

Die amerikanischen Behörden kündigten bereits mehr internationale Zusammenarbeit an, die den Kampf gegen das Cyber-Verbrechen erleichtern soll. „Wir werden dem Wild-West-Gebahren im Internet ein Ende machen“, droht Bharara. Doch die Erfolgsaussichten sind gering. Sicherheitsexperten warnen, dass hunderte von Online-Bezahlsystemen im Internet florierten und es schwierig sein dürfte, die ehrlichen von den unehrlichen zu filtern. In Onlineforen tauschen sich unterdessen die Zyniker aus, die ihren Blick auf einen viel größeren Finanzmarkt gerichtet haben: die Wall Street mit den oft undurchsichtigen Machenschaften der internationalen Großbanken. HSBC musste sich erst im vergangenen Jahr gegen den Vorwurf der Geldwäsche verteidigen und zahlte eine Millionenstrafe.

Lars Halter

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