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Geldwäsche hat in Deutschland schätzungsweise ein Volumen von rund 50 Milliarden Euro.
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Berlin möchte wieder mehr Kompetenz für Notar-Aufsicht: Geldwäsche-Gesetz ermöglicht Kriminellen leichtes Spiel

Eine Task Force des Landgerichts darf mögliche Geldwäsche-Fälle, die sie bei Notaren findet,nur noch melden, wenn sie absolut sicher ist. Berlins Justizsenator Behrendt will das ändern.

Susann Wettley, die Berliner Staatsanwältin, schildert einen realen Fall, um das Problem des aktuellen Geldwäsche-Gesetzes deutlich zu machen. Ein Mann plante die Kapitalerhöhung einer Gesellschaft von 300 Euro auf gleich eine Million Euro. Die Einzahlung des Stammkapitals sollte in bar erfolgen.

Nach Hinweisen zu etwaigen Problemen mit Banken bei einer Einzahlung in dieser Größenordnung beurkundete der Notar nur noch eine Kapitalerhöhung auf 150 000 Euro. Der alleinige Gesellschafter erklärte, das Geld komme aus seinen Mitteln. 149 700 Euro wurden in bar auf das Geschäftskonto bei der Wirecard Bank eingezahlt. Ein Fall, der Staatsanwältin Wettley in Alarmbereitschaft versetzt: Hinweis auf Geldwäsche.

Solche Hinweise sammelte die Task Force des Landgerichts Berlin, die sie dann an die Financial Intelligence Unit (FIU) weiterleitete. Die ist dem Bundesfinanzministerium unterstellt und entschied, ob die Staatsanwaltschaft eingeschaltet werden musste. Bis 31. Juli durfte die Task Force  solche Hinweise an die FIU weiterleiten.

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Seit 1. August ist das nicht mehr möglich. Ergebnis einer Gesetzesänderung. Jetzt muss die Task Force absolut sicher sein, dass im gesellschaftsrechtlichen Bereich – bei Gesellschaftsgründungen und -übertragungen zum Beispiel – Geldwäsche vorliegt, sonst gilt eine Schweigepflicht. Susann Wettley, in der Senatsverwaltung für Justiz in Berlin zuständig für die Aufsicht der Notarkammer, kommentiert die neue Lage drastisch: „Man hat die Aufsicht geköpft.“ Berlins Justizsenator Dirk Behrendt ist „wild entschlossen, das Gesetz rückgängig zu machen“.

Deshalb wird das Land Berlin eine Bundesrats-Initiative einbringen, mit dem Ziel, dass der neue Bundestag eine Rückkehr zur alten Gesetzeslage beschließt. Das erklärte er am Donnerstag bei einer Pressekonferenz, an der auch Wettley teilnahm. „Wir wollen nicht, dass Deutschland ein Paradies der Geldwäsche ist“, sagte Behrendt.

Ein bevorzugter Platz ist es schon. In Deutschland gibt es bei Barzahlungen keine Obergrenze, obwohl die EU-Kommission vor kurzem ein Limit von 10 000 Euro gefordert hatte. Damit soll verhindert werden, dass Geld aus illegalen Geschäften in den regulären Wirtschaftskreislauf eingespeist wird.

Geldwäsche hat in Deutschland ein Volumen von rund 50 Milliarden Euro

Das Waschen von Geld aus kriminellen Quellen hat in Deutschland Schätzungen zufolge ein Volumen von rund 50 Milliarden Euro. Allein in Berlin stieg der Betrag der vorläufig gesicherten Vermögenswerte von 12,4 Millionen Euro im Halbjahr 2020 auf 13,4 Millionen Euro sowie fast 2,3 Millionen Euro im ersten Halbjahr 2021.

Seit Oktober 2020 müssen Notare Hinweise auf Geldwäsche im Immobilienbereich weiterleiten, die FIU entscheidet letztlich darüber, ob eine Staatsanwaltschaft eingeschaltet wird. Auch Banken zum Beispiel müssen Verdachtsfälle melden. Von Oktober 2020 bis Ende Juli landeten bundesweit mehrere Tausend  Meldungen von Verdachtsfällen im Immobilienbereich  bei der FIU, alle weitergeleitet von Notaren.

Notare sollen in bestimmten Fällen nicht mehr der Schweigepflicht unterliegen

Bei gesellschaftsrechtlichen Fällen dagegen, wie dem Fall, den Susanne Wettley geschildert hat, unterliegen Notare bis heute der Schweigepflicht. Dabei, sagt die Staatsanwältin, „ist auch dieser Bereich sehr anfällig für Geldwäsche“. Deshalb hat das Land Berlin das Ziel, dass für Notare auch in diesem Bereich keine Schweigepflicht mehr gilt.

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Vor Oktober 2020 waren von den bundesweit insgesamt 77 000 Meldungen über Verdachtsfälle gerade mal acht von Notaren weitergeleitet worden. Die meisten anderen kamen von Banken.

Genau um dieses Missverhältnis zumindest in Berlin abzuschwächen, wurde im April 2020 die Task Force mit fünf Mitgliedern eingerichtet. Sie kontrollierte Notare, und wenn sie dabei  im gesellschaftsrechtlichen Bereich auf Verdachtsfälle stieß,  leitete sie diese an die FIU weiter. Für die FIU ein enormer Vorteil. Sie erstickt in einer Flut von Hinweisen aus ganz Deutschland, die völlig unsortiert ohne Hinweis auf strafrechtliche Relevanz bei ihr einlaufen, vor allem von Bankinstituten. Zumindest bei den Hinweisen der Task Force wusste sie, dass Ermittlungen erfolgversprechend sein könnten.

Seit 1. August hat die Task Force eine wichtige Kompetenz verloren

Doch seit 1. August darf die Task Force nur noch Fälle im gesellschaftsrechtlichen Bereich weiterleiten, wenn sie ganz sicher ist, dass Geldwäsche stattfindet. Aber wie soll das in der Praxis funktionieren?  Jemand, der sein illegal erworbenes Geld über einen Notar in den regulären Wirtschaftskreislauf einspeisen möchte, sagt Susann Wettley, „geht doch nicht zum Notar und sagt: Ich will jetzt Geld waschen“. Es sei jetzt „quasi ausgeschlossen, dass Geldwäsche erkannt wird“.

Für die Staatsanwältin  fördert die aktuelles Gesetzeslage geradezu die Kriminalität. „Jeder, der jetzt Geldwäsche betreiben will, geht sorgenfrei zum Notar. Wenn ich nicht mehr befürchten muss, dass mein Fall untersucht wird, werde ich ja gar nicht mehr abgeschreckt.“ Man habe jetzt ein Umfeld, „in dem Kriminelle gut handeln können“.

Behrendt ist überrascht von der Gesetzesänderung

Für Behrendt kam die entscheidende Änderung im Gesetz auf „wundersame Weise zustande“. Sie sei quasi in ein Gesetz eingeschmuggelt worden, das mit Geldwäsche eigentlich gar nichts zu tun habe.  Behrendt kann es nicht beweisen, aber er vermutet doch stark, dass die Änderung auf Druck der Notare ins Gesetz gekommen ist. „Die alte Regelung hat den Notaren nicht geschmeckt.“

Tatsächlich betrachtet die Bundesnotarkammer eine Änderung des Gesetzes für überflüssig. Die Notare seien sich des Geldwäscheproblems bewusst. Zudem befürchten Notare, sie würden unter Generalverdacht gestellt. Man könnte ihnen Beihilfe zur Geldwäsche unterstellen.

Bundesnotarkammer widerspricht dem Justizsenator

Martin Thelen, der Pressesprecher der Bundesnotarkammer, widerspricht Behrendt energisch. Das betreffende Gesetz – das Transparenzregister- und Finanzinformationsgesetz – habe „sehr  wohl mit Geldwäsche zu tun, schließlich dreht sich das ganze Gesetz um das Geldwäschegesetz“. Und die Änderung sei auch nicht in das Gesetz „eingeschmuggelt“ worden,  sondern sei auf einen Änderungsantrag des Bundesrates zurück gegangen, der vom Finanzausschuss des Bundestages aufgegriffen worden sei.

Ob es sich im Fall des Mannes, der insgesamt 149 700 Euro bar einzahlen wollte, tatsächlich um Geldwäsche handelte, ob es Ermittlungen oder gar ein Verfahren gab, das konnte Staatsanwältin Wettley nicht sagen.

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