Fahrraddiebstahl: Geklaut auf Nimmerwiedersehen
In Berlin nehmen Fahrraddiebstähle rasant zu. Die Diebe werden immer dreister. Die meisten Fälle werden nie aufgeklärt, die Räder sind weg. Versicherungen können helfen – für wenig Geld.
Hans Richter glaubt sicher zu wissen, wer sein Fahrrad geklaut hat. „Das waren die aus dem Haus“, sagt er. Und weil er Angst davor hat, dass ihm die Fahrraddiebe auf die Pelle rücken und ihn zur Rede stellen könnten, möchte der Rentner seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen. Wohl aber seine Geschichte. Und die geht so: Ruhige Gegend in Pankow, dennoch zwei Einbrüche in seinen Keller. Zwei Mal wurden die Räder mitgenommen. Gefasst wurden die Diebe nie. „Die Polizei hat gar nicht ermittelt“, ärgert sich Richter. Aber wenigstens hat die Versicherung gezahlt.
Gut, dass er eine hatte. Eine Kollegin aus der Tagesspiegel-Redaktion hatte keine. Sie ist auf dem Schaden sitzen geblieben. Beim ersten Mal wurde das Rad nachts vor der Haustür gestohlen, beim zweiten Mal vor einem belebten Biosupermarkt am Senefelder Platz. Eine Versicherung hat sie immer noch nicht, dafür aber ein Bügelschloss. Seitdem ist Ruhe.
Zwei Geschichten von tausenden. Fast jeder Radfahrer in Berlin ist schon einmal bestohlen worden oder kennt zumindest Kollegen, Freunde oder Verwandte, denen das passiert ist. Zufall? Nein, sagt die Polizeiliche Kriminalstatistik. Im vergangenen Jahr hat die Zahl der Fahrraddiebstähle um 30 Prozent zugenommen. Die Polizei führt den rasanten Anstieg darauf zurück, dass sich immer mehr Leute aufs Rad setzen und dass die Fahrradsaison 2011 wegen des milden Herbstes besonders lang war. 26 000 Diebstähle wurden angezeigt. Die meisten Räder wurden nie mehr gefunden. Die Aufklärungsquote ist gering: Gerade einmal vier Prozent aller Fälle wurden im vergangenen Jahr gelöst.
Viele der geklauten Räder finden schnell einen neuen Besitzer: An- und Verkaufsläden, Flohmärkte und Internetplattformen sind beliebte Umschlagstationen für Diebesgut. Für die Käufer ist das riskant: „Wer ein gestohlenes Fahrrad kauft, macht sich der Hehlerei strafbar“, heißt es bei der Polizei, auch wenn man nicht gewusst habe, dass das Rad geklaut war. Die Polizei ermittele in jedem Fall – von Amts wegen. „Unwissenheit schützt vor Strafe nicht.“ Wer sichergehen will, sollte sich daher beim Kauf eines Gebrauchten immer den Kaufbeleg oder den Fahrradpass (siehe unten) zeigen lassen.
Bildergalerie: Fahrradschlösser ohne Räder in Berlin
Rad weg? Dann ist man froh, wenn man bei all dem Ärger nicht auch noch den Schaden tragen muss. Davor schützt eine Versicherung. Zur Wahl stehen zwei Varianten: eine spezielle Fahrradversicherung, die oft gleich von den Fahrradhändlern vermittelt wird, und die normale Hausratversicherung mit zusätzlichem Schutz gegen Fahrraddiebstahl. Für eine Spezialpolice entscheiden sich angesichts der hohen Kosten nur wenige Radbesitzer. Denn die Jahresbeiträge liegen zwischen 80 und 140 Euro pro 1000 Euro Versicherungssumme (Wert des Rades). Bei einer normalen Hausratversicherung kommt man deutlich billiger davon: „Bei 1000 Euro Versicherungssumme liegt der Aufpreis für den Fahrradschutz bei 20 bis 40 Euro im Jahr“, weiß Hajo Köster vom Bund der Versicherten. Dafür sind die Versicherungsbedingungen oft strenger als bei der reinen Fahrradversicherung. Und wer ein teures Rad hat, bleibt möglicherweise auf einem Teil seines Schadens sitzen. Denn: Bei der Hausratversicherung kann man sein Rad – je nach Versicherung – entweder mit ein, zwei oder fünf Prozent der Hausratversicherungssumme (Möbel, Bilder, Teppiche) absichern. Ist das Fahrrad weg, bekommt man dann diese Summe. Aber Vorsicht: Bei einer Familienversicherung gibt es das Geld nur einmal. Sollten alle Räder fort sein, reicht der Ersatz oft nicht, um den Schaden zu decken. Und auch die Inhaber – oder besser Ex-Inhaber – ganz teurer Räder bekommen zu wenig Geld von der Versicherung, um sich einen neuen Flitzer zu kaufen.
Dabei wäre genau das das Ziel der Versicherung. „Der Versicherer zahlt so viel, wie man ausgeben muss, um sich ein neues, gleichwertiges Rad anzuschaffen“, weiß Katrin Rüter vom Versicherungsverband GDV. Egal, wie alt die eigene Rübe war, für ein gestohlenes Siebengang-Rad bekommt man wieder ein Siebengang-Rad, nur in neu.
Den Kaufbeleg muss man nicht unbedingt vorlegen. Aber man muss darlegen können, dass man sein Rad vernünftig gesichert hat. Ein Rahmenschloss allein, wie Hollandräder es haben, reicht nicht. Man muss das Rad nämlich anschließen – an einem Fahrradständer, Baum oder wo auch immer. Wird das Rad aus der Wohnung oder dem Keller entwendet, müssen „Spuren der Gewalt“ zu sehen sein, berichtet Rüter. Und für alle Fälle gilt: Zeigen Sie den Diebstahl bei der Polizei an, sonst ersetzt die Versicherung gar nichts.
Aber selbst wer all diese Voraussetzungen brav erfüllt, geht leer aus, wenn der Diebstahl nachts passiert. Die meisten Versicherer arbeiten nämlich noch immer mit der sogenannten Nachtklausel: Zwischen 22 und sechs Uhr ist das Rad nur dann versichert, wenn es sicher in der Wohnung verstaut ist oder im Keller. Oder wenn Sie mit dem Rad unterwegs waren. Wer nachts ins Kino oder in die Kneipe fährt und sein ordnungsgemäß angeschlossenes Rad nach Ende der Vorstellung vergeblich sucht, kann sich an seine Versicherung wenden. Denn wenn das Rad nachts zur Zeit des Diebstahls „in Gebrauch war“, ist das ein Fall für die Versicherung. Anders, wenn das Fahrrad ordentlich angeschlossen im Hof gestanden hat. Das musste ein weiterer Tagesspiegel-Kollege erfahren. Die Versicherung zahlte nicht. Für Rüdiger Strichau von der Verbraucherzentrale Berlin keine Überraschung: „Das Fahrrad ist nachts im Fahrradkeller versichert, im Hof aber nicht“. Denn der Hof ist in der Regel leichter zugänglich als der Keller. Einfach irgendwo klingeln, irgendwer macht immer auf. Pech gehabt.
Noch mehr Pech hatte aber der junge Mann, der zur Polizei ging, um den Diebstahl seines Rads anzuzeigen. Dort stellte sich nämlich heraus, dass das von ihm gekaufte Rad vorher gestohlen worden war. Das Rad bekam der Mann nicht zurück, dafür eine Anzeige wegen Hehlerei.
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