Ohne Hopfen kein Bier: Geht wegen der Corona-Pandemie das Bier aus?
Im größten Hopfenanbaugebiet der Welt fehlen wegen geschlossener Grenzen die Arbeitskräfte. Der Ausfall der Saisonkräfte wird weitreichende Folgen haben.
Matthias Geltermeier, 25, braucht Hilfe. Denn der Hopfenbauer aus der Hallertau sorgt sich wegen der Corona-Pandemie um seine Ernte. Er leitet den Familienbetrieb im oberbayerischen Schweitenkirchen in neunter Generation und bewirtschaftet dort 30 Hektar: „Wir sind abhängig von den Saisonarbeitern, ohne die geht es nicht.“ Doch die kommen derzeit nicht. Laut Angaben des bayerischen Landwirtschaftsministeriums stammen die meisten Saisonkräfte im Hopfenanbau aus Polen und Rumänien. Für die ersten Frühjahrsarbeiten im Hopfengarten hätten voriges Wochenende sieben polnische Gastarbeiter anreisen sollen, doch die seien an der Grenze aus Angst vor dem Coronavirus wieder umgekehrt.
So wie Matthias Geltermeier geht es derzeit Hunderten Hopfenbauern in der Hallertau: Das Dreieck zwischen Ingolstadt, Freising und Kelheim ist mit 2400 Quadratkilometern das größte zusammenhängende Hopfenanbaugebiet der Welt – 2019 wurden dort 41484 Tonnen Hopfen geerntet. Das macht 86 Prozent der deutschen Hopfenernte aus. Doch ohne Saisonarbeiter können das die knapp 1000 Hopfenbauern aus der Region nicht stemmen.
Denn während die von der Politik beschlossenen Maßnahmen angesichts der Corona-Pandemie die Mobilität von Millionen Deutschen einschränken, bleiben die Saisonarbeitskräfte aus Osteuropa buchstäblich auf der Strecke. Zwar ließ bisher der Bundesgrenzschutz diejenigen mit einer Pendlerbescheinigung einreisen – doch Arbeitskräfte aus Rumänien schafften es erst gar nicht an die deutsche Grenze, da Anrainerstaaten wie Österreich und Ungarn ihre Grenzen geschlossen haben und auch eine Durchreise verbieten. Am Mittwoch teilte das Bundesinnenministerium dann mit: „Saisonarbeitskräften und Erntehelfern wird die Einreise nach Deutschland im Rahmen der bestehenden Grenzkontrollen ab heute, 25.03.2020, 17:00 Uhr, nicht mehr gestattet.“ Geht den Deutschen wegen der Corona-Pandemie das Bier aus?
Jetzt beginnt die entscheidende Zeit für die Hopfenbauer
„Schon die letzten Ernten waren klimabedingt nicht berauschend. Kommen wegen Corona noch mehr Unsicherheitsfaktoren hinzu, haben wir die Lage irgendwann nicht mehr im Griff“, warnt Otmar Weingarten. Der Geschäftsführer des Verbands Deutscher Hopfenpflanzer hält die nächsten Wochen für entscheidend: „Wenn wir die Frühjahrsarbeiten nicht schaffen, kann der Hopfen nicht angeleitet werden. Dann bleibt er am Boden, und wir müssen ihn vernichten. Pilzkrankheiten bedrohen sofort das ganze Anbaugebiet. Das ist ein Worst-Case-Szenario, aber so ist das pflanzenbaulich.“ Die meisten Arbeitskräfte brauche es nicht bei der Ernte im August und September, sondern bei den Frühjahrsarbeiten – die dieser Tage anstehen: Vor dem Austrieb des Hopfens muss jeder Hopfenstock geschnitten werden. Dann wird je Hopfenstock der Hopfendraht, eine Kletterhilfe für die Pflanze, an dem etwa acht Meter hohen Gerüst befestigt und in den Boden gesteckt – und zwar in Handarbeit.
Sind die Hopfentriebe bei entsprechender Witterung einmal ausgetrieben, werden davon etwa drei Triebe in Handarbeit an die Kletterhilfe angeleitet; der Rest wird weggeschnitten. Für diesen Arbeitsschritt haben die Landwirte laut Weingarten ein Zeitfenster von maximal ein bis zwei Wochen. Er sagt: „Die Biertrinker können sich darauf verlassen, dass die Versorgung passt. Solange wir die Lage jetzt in den Griff kriegen.“
In der Hallertau kommen keine Arbeiter mehr an
Der Verband Deutscher Hopfenpflanzer ist für viele Bauern aus der Hallertau die letzte Anlaufstelle, viele wissen nicht mehr weiter. Weingarten berichtet, wie manche Saisonarbeiter noch zwischen den Höfen gewechselt seien: „Da kann man nicht lange warten, bis irgendwelche Antragsverfahren vorbei sind. Das muss ganz pragmatisch erfolgen.“ Doch mittlerweile kommen in der Hallertau keine neuen Arbeiter mehr an. Zur Entscheidung des Bundesinnenministers Horst Seehofer vom Mittwoch sagt er: „Das ist für uns eine Katastrophe.“ Es fehle die Koordinierung auf EU-Ebene. In dieser Notlage könne nicht jeder Mitgliedstaat machen, was er will.
Das Landwirtschaftsministerium in München teilt mit: „Die Bestrebungen müssen daher verstärkt darauf konzentriert werden, einheimische Arbeitswillige als Saisonarbeitskräfte zu gewinnen.“ So werde derzeit auf allen Ebenen mit Hochdruck gearbeitet, um Erleichterungen zu schaffen, die den landwirtschaftlichen Betrieben in Bayern helfen, den Mangel an ausländischen Saisonarbeitskräften abzumildern. Zwar war die Einreise für polnische Saisonkräfte bis diesen Mittwoch möglich – allerdings reisten viele polnische Arbeiter nicht nach Deutschland ein, weil sie damit rechneten, dass sie bei der Rückreise in häusliche Quarantäne müssen.
Davon berichtet auch Hopfenbäuerin Irmgard Preitsameter aus dem oberbayerischen Rohrbach, die dort mit ihrer Familie 36 Hektar bewirtschaftet: „Unsere Polen kommen nicht. Die sind daheim alle Arbeitnehmer und müssten bei der Rückkehr erst einmal für 14 Tage in Quarantäne.“ Sie spricht von einer großen Herausforderung. Das Ausmaß der wirtschaftlichen Einbußen lässt sich laut dem Landwirtschaftsministerium momentan noch nicht abschätzen, jedoch heißt es: „Die Kosten für die Arbeitserledigung werden sicherlich steigen.“
Die Wunschliste an die Politik ist lang
In einem Schreiben an Bundesarbeitsminister Hubertus Heil fordern Vertreter von Interessensverbänden eine „Anpassung des Arbeitszeitgesetzes: Verlängerung der täglichen und wöchentlichen Höchstarbeitszeiten sowie Verkürzung der Ruhezeit“ und eine „Verbesserung der Hinzuverdienstmöglichkeiten beispielsweise für Arbeitslose, Asylbewerber, Bezieher von Kurzarbeitergeld oder einer vorzeitigen Altersrente“.
Doch eines macht den Hopfenbauern Hoffnung: Die Hilfsbereitschaft von Studierenden. Marcus Kawasch, Geschäftsführer des für den Landkreis Pfaffenhofen zuständigen Maschinenrings Ilmtal, hat allein in der vergangenen Woche mehr als 200 Rückmeldungen von Studierenden bekommen – und konnte so bereits rund 100 Betrieben helfen. Auf den Höfen bekommen die Studierenden freie Kost und Logis, für viele ist es eine Möglichkeit, den weggebrochenen Nebenjob zu ersetzen. Die behördlichen Regelungen bei der Arbeit in den Hopfengärten umzusetzen, ist laut Marcus Kawasch kein Problem: Die einzelnen Hopfenreihen haben einen Abstand von bis zu drei Metern, auch bei der Unterkunft vor Ort würde man auf Abstand achten. Die Maschinenringe aus der Hallertau hatten diverse Hilferufe in den sozialen Netzwerken gestartet sowie die Fachschaften der Hochschulen in München, Augsburg und Regensburg angeschrieben. Mittlerweile werden sie von Onlineportalen wie dem vom Bundesverband für Maschinenringe und dem vom Bundeslandwirtschaftsministerium kürzlich freigeschalteten Portal daslandhilft.de unterstützt.
Matthias Geltermeier aus Schweitenkirchen hat dank der Vermittlung durch den Maschinenring Ilmtal mittlerweile Unterstützung erhalten. Sieben junge Erwachsene, die sonst in der Berufsschule oder Universität säßen, helfen ihm nun: „Hätte ich diese Hilfe nicht bekommen, wäre die Ernte schon im März hin gewesen.“ Doch der Hopfenbauer gibt auch zu: „Wir wissen nicht, wie es in den nächsten Wochen und Monaten weitergeht. Aktuell haben wir Glück, dass uns die Leute trotz Corona noch helfen.“
Katharina Horban
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