Von 1,25 auf 0,9 Prozent: Garantie-Verzinsung für neue Lebensversicherungen sinkt weiter
Seit Jahren gilt der Garantiezins als Verkaufsargument für eine Lebensversicherung. Doch schon lange sinkt für Neuverträge die Obergrenze für die Langfrist-Versprechen. Im nächsten Jahr soll die Rendite zusage unter einen Prozent liegen - zum Unmut der Branche.
Neukunden klassischer Lebensversicherungen müssen sich vom kommenden Jahr an auf einen weiteren Rückgang der garantierten Verzinsung einstellen. Der sogenannte Garantiezins soll zum 1. Januar 2017 auf 0,9 Prozent im Neugeschäft sinken - von aktuell 1,25 Prozent. Dies wolle das Bundesfinanzministerium per Verordnung festlegen, bestätigte ein Sprecherin am Montag Informationen der Deutschen Presse-Agentur. Versicherer kritisieren die Absenkung umgehend als zu stark und zu früh. Der Garantiezins bestimmt, welche Rendite Lebensversicherer ihren Kunden maximal versprechen dürfen. Da es wegen der anhaltenden Niedrigzinsen immer schwieriger wird, diese zu erwirtschaften, wurde der Garantiezins schon mehrfach gesenkt.
Der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft (GDV) kritisierte die Absenkung auf 0,9 als zu weitgehend. Im Branchenschnitt erzielten Lebensversicherer bei der Neuanlage 2015 eine deutlich über dem Höchstrechnungszins liegende Verzinsung von mehr als zwei Prozent. Zudem wäre eine Anpassung zum 1. Januar 2017 zu kurzfristig, da die Unternehmen ihre Produkte neu kalkulieren müssten. Mit der weiteren Anpassung der vorgegebenen Höchstgrenze für langfristige Zinsversprechen der Unternehmen werde auf die anhaltende Niedrigzinsphase reagiert, hieß es dagegen im Bundesfinanzministerium.
Sie spiegele auch die aktuellen Marktverhältnisse wider. Zugleich setze die Senkung unter 1 Prozent ein klares Signal, dass Lebensversicherer ihre Rückstellungen noch vorsichtiger kalkulieren müssten. Europas größter Versicherer Allianz erklärte, man biete die klassische Lebensversicherung mit Garantiezins zwar weiterhin an, könne sie aber „angesichts höherer Rendite-Chancen bei anderen Vorsorgekonzepten nicht empfehlen“. Neun von zehn Kunden favorisierten beim Abschluss neuer Verträge mittlerweile in der Altersvorsorge neue Produkte ohne Garantiezins, und nur noch zehn Prozent wählten eine klassische Lebensversicherung, erklärte ein Sprecher von Allianz Deutschland. Nach Einschätzung des Versicherers Generali hätte eine entsprechende Garantiezins-Absenkung kaum Auswirkungen auf das Unternehmen.
Konservativer als die Deutsche Aktuarvereinigung
In der privaten Altersvorsorge habe man sich von Garantieprodukten bereits verabschiedet und in der betrieblichen Altersvorsorge gebe es andere Hebel wie geringere Vertriebskosten. Der Garantiezins gilt seit Jahren als Verkaufsargument für den Altersvorsorge-Klassiker Lebensversicherung. Mit dem Garantiezins - auch Höchstrechnungszins genannt - können Kunden nach Abzug der Abschluss- und Verwaltungskosten sicher rechnen. Er sinkt, weil die Europäische Zentralbank (EZB) die Märkte mit Geld flutet und die Zinsen faktisch abgeschafft hat. Für Neuverträge liegt er seit 2015 bei 1,25 Prozent, davor betrug diese garantierte Rendite schon einmal 4 Prozent. Für Altverträge mit einer Rendite von bis zu 4 Prozent ändert sich nichts. Mit einer Absenkung auf 0,9 Prozent ist das Finanzministerium konservativer als die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV).
Diese hatte empfohlen, den Garantiezins für Neuverträge ab 2018 auf 1,0 Prozent zu senken und 2017 den Zins bei 1,25 Prozent zu belassen. Lebensversicherer müssen für die eingegangenen Verpflichtungen aus Versicherungsverträgen eine Deckungsrückstellung bilden. Der Satz, mit dem diese Rückstellung abgezinst werden darf, wird durch den Höchstrechnungszins begrenzt. Die Höhe des Garantiezinses legt das Finanzministerium per Verordnung fest auf Grundlage der Berechnungen der DAV-Mathematiker und der Empfehlungen der Finanzaufsicht Bafin.
Ursprünglich wollte die Bundesregierung den Garantiezins ganz abschaffen, nahm von den Plänen aber wieder Abstand. Sie hatte jedoch eine Überprüfung im Laufe dieses Jahres angekündigt, ob und inwieweit der Zinssatz an die „Marktgegebenheiten“ angepasst werden soll. Ob beziehungsweise in welcher Form ein „Höchstrechnungszins“ als Aufsichtsinstrument erforderlich sei, soll 2018 geprüft werden. Hintergrund sind auch die europaweit einheitlichen strengeren Eigenkapitalvorschriften („Solvency II“) für Versicherungen. Danach orientiert sich der Kapitalbedarf von Lebensversicherern stärker an dem Risiko, das sie mit Zusagen eingehen. Lebenslange Garantien müssen also stärker mit Eigenkapital hinterlegt werden. (dpa)
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