Welthandel - TTIP: Für ein Abkommen - zu unseren Bedingungen
Besser ein Welthandel mit als ohne Regeln - wenn diese Regeln deutschen Standards entsprechen, meint der stellvertretende SPD-Vorsitzende.
Ein Gespenst geht um in Europa und der Welt. Es heißt TTIP und bereitet vielen Menschen Sorge. Dieser Tage sammelt eine europäische Bürgerinitiative drei Millionen Unterschriften dagegen. Gegen ein Abkommen, das noch nicht einmal fertig ist. Dennoch warnen viele vor den Folgen oder lehnen es rundheraus ab. Doch warum? Was sind die Sorgen?
Dazu muss man zuerst einmal sagen, dass der Beginn der Verhandlungen zwischen der EU und den USA nicht gerade vertrauensbildend war. Mit Geheimverhandlungen und Dokumenten, die nicht einmal Parlamentsabgeordnete einsehen durften, haben die Verantwortlichen den Nährboden geschaffen, auf dem Misstrauen und wilde Verschwörungstheorien gedeihen konnten. Dagegen hilft nur größtmögliche Öffentlichkeit in diesen Verhandlungen. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat deshalb dafür gesorgt, dass wenigstens das Verhandlungsmandat der EU veröffentlicht wird. So lässt sich Einblick verschaffen, über was eigentlich verhandelt wird. In seinem Ministerium hat Gabriel ein Dialogforum unter anderem mit den TTIP-Kritikern veranstaltet. Richtig so! Dialog ist absolut notwendig, damit Argumente für und wider TTIP ausgetauscht werden können.
Freihandel ist richtig und gut, aber kein Wert an sich.
TTIP soll, so glauben die Gegner, dazu dienen, Demokratie und Rechtsstaat auszuhöhlen, indem demokratisch legitimierte Entscheidungen außer Kraft gesetzt werden können, sobald sie die Profite von Unternehmen schmälern. Wenn also ein Parlament entscheidet, die Steuern auf Benzin zu erhöhen, könnten Mineralölkonzerne klagen, wenn sie Gewinneinbußen erleiden. Welcher Demokrat der noch alle Sinne beieinander hat, kann solch eine Aushöhlung der Demokratie wollen?
Weiter wird die Sorge geschürt, dass durch ein solches Abkommen Dinge, die in einem Land erlaubt sind, automatisch auch im anderen Land – hier vielmehr in der EU – erlaubt sein würden. Die berüchtigten US-Chlorhühnchen, der Genmais, das Hormonfleisch, ein niedrigerer Arbeits- oder Umweltschutz. Wer kann das ernsthaft wollen?
Die SPD will das jedenfalls nicht! Und käme es so, würde die SPD nicht zustimmen. Wir haben klare Bedingungen formuliert gemeinsam mit dem Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Freihandel ist richtig und gut, aber kein Wert an sich. Er muss Vorteile für alle Seiten bringen. Kurz: TTIP muss den Menschen dienen. Dazu gehört, dass unsere Standards bei Arbeit, Sozialem, Kultur, Verbraucher- und Datenschutz, Ökologie und öffentlicher Daseinsvorsorge ohne Wenn und Aber erhalten bleiben! Ist diese Bedingung nicht erfüllt, ist eine Zustimmung für Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten nicht vertretbar. Auch Schiedsgerichte, die Konzerne gegen Parlamentsentscheidungen „schützen“ sollen und damit gewählte Vertretungen und ordentliche Gerichte umgehen, kommen für uns unter keinen Umständen in Betracht. Wir sind hier schließlich nicht in Nordkorea. Gut, dass die EU-Kommission mittlerweile den Vorschlag von SPD-Chef Sigmar Gabriel übernommen hat, eine internationale Gerichtsinstanz zu schaffen, besetzt mit ordentlichen Richtern. Das ist jetzt die Grundlage für Verhandlungen. Und was für TTIP gilt, sollte auch für CETA gelten.
Unsere Standards bei Arbeit, Sozialem, Kultur, Verbraucher- und Datenschutz, Ökologie und öffentlicher Daseinsvorsorge müssen ohne Wenn und Aber erhalten bleiben!
Trotzdem muss man mit den USA verhandeln. Wer sich Verhandlungen verweigern oder sie abbrechen will, entzieht sich demokratischer Verantwortung und vergibt die Chancen eines solchen Abkommens. Denn die gibt es! Der globalisierten Weltwirtschaft Spielregeln zu geben ist allemal besser als keine Regeln – das wissen wir nicht erst seit der Finanz- und Wirtschaftskrise. Ein solches Abkommen böte auch die Chance, auf die kaum gezügelten Finanzmärkte Einfluss zu nehmen. Diese Chance dürfen wir nicht verstreichen lassen.
Gelingt ein ordentliches Abkommen dann werden die größten demokratischen Wirtschaftsräume der Welt zu einer Handelspartnerschaft, die Druck ausüben kann, gegen Kinderarbeit, unmenschliche Ausbeutung und fehlenden Arbeitsschutz. Bei uns werden billigste T-Shirts verkauft aus Fabriken mit sklavenähnlichen Zuständen – das ist unwürdig! Eine Position, die sagt „Wir wollen für uns keine Verschlechterung und lehnen deshalb Verhandlungen ab, und was sonst auf der Welt passiert, ist uns egal“ ist kein Stück moralisch überlegen – im Gegenteil!
Wir müssen verhandeln, denn eine globalisierte Weltwirtschaft mit Regeln ist besser als eine ohne
Aber man wird ein Freihandelsabkommen mit den USA nur dann zum Erfolg führen können, wenn bei den Verhandlungen die Bedenken von Gewerkschaften, Verbraucherschützern und Zivilgesellschaft einbezogen werden. Dann aber gibt es die Chance auf wirtschaftliches Wachstum, weil Handelshemmnisse wegfallen. Kleine und mittlere Unternehmen aus Europa können Marktzugänge in den USA erhalten ohne Bürokratie und Einfuhrzölle. Das sichert Arbeitsplätze bei uns. Deshalb werbe ich für eine offene Haltung ohne Angst und ohne Desinformation. Ich werbe für eine soweit wie möglich transparente Verhandlungsführung, die Verschwörungstheorien von vornherein entkräftet. Und dann: Misstrauen Sie nicht der SPD. Setzen Sie auf uns. Helfen Sie uns, dass unsere glasklaren Bedingungen erreicht werden. Diskutieren Sie öffentlich mit und machen Sie Druck für ein Abkommen auf der Basis unserer guten Standards. Ich bin dankbar, dass viele Verbände und Organisationen den Druck auf die EU-Kommission aufrecht erhalten und für fairen und gerechten Welthandel demonstrieren. Aber ich bin nicht dafür, Verhandlungen abzubrechen, bevor man ein bewertbares Ergebnis hat. Verhandeln ist auch deshalb besser als Nicht-Verhandeln, weil amerikanische Gewerkschaften sich wünschen, unsere Arbeitsstandards zur gemeinsamen Grundlage zu machen.
Misstrauen Sie nicht der SPD. Setzen Sie auf uns. Helfen Sie uns, dass unsere glasklaren Bedingungen erreicht werden.
Dabei ist klar: Garantien für einen Verhandlungserfolg gibt es nicht. Die Amerikaner müssen wissen: Wer mit Europa frei handeln will, muss unsere Standards akzeptieren. Und geheim geht es auch nicht: Über den Vertrag muss im Deutschen Bundestag und im Europäischen Parlament abgestimmt werden. Am Ende muss ein Handelsabkommen stehen, das die Bedenken ausräumen kann und das den Menschen dient. Dann wird es auch nicht nur die Zustimmung der SPD finden, sondern auch die Akzeptanz der Bevölkerungen der EU und der USA.
Ralf Stegner zählt zum linken Parteiflügel der SPD. Er ist stellvertretender Vorsitzender der SPD und Landesvorsitzender der SPD in Schleswig-Holstein.
Ralf Stegner