Konzern in der Krise: Frankreich wehrt sich gegen Alstom-Übernahme durch GE
Der TGV ist ein Vorzeigeprodukt der französischen Industrie. Paris will ihn deshalb ungern einem US-Konzern General Electric überlassen - hat aber noch keine Alternative.
Frankreich wehrt sich gegen eine Übernahme des Technologiekonzerns Alstom durch den US-Rivalen General Electric (GE). „Die Regierung bringt ihre patriotische Besorgnis und Wachsamkeit zum Ausdruck“, sagte Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg der Zeitung „Le Monde“ am Freitag. „Diese Besorgnis bezieht sich auf die ernsthafte Gefahr, ein großes Entscheidungszentrum zu verlieren.“ Montebourg sagte, er und Ministerpräsident Manuel Valls hätten bereits mit Alstom-Chef Patrick Kron darüber gesprochen und würden ihre Bedenken auch bei einem Treffen mit GE-Chef Jeff Immelt anmelden. „Die Regierung arbeitet an anderen Lösungen und Möglichkeiten“, sagte Montebourg.
Alstom ist extrem abhängig von staatlichen Aufträgen. Mit rund 18 000 Beschäftigten arbeiten rund 20 Prozent der gesamten Belegschaft in Frankreich. „Alstom ist ein Symbol unserer industriellen Stärke und der französischen Erfindungsgabe“, erklärte Minister Montebourg. Auch in Berlin ist das Unternehmen stark vertreten – hier arbeiten an verschiedenen Standorten rund 500 Beschäftigte, deutschlandweit sind es rund 8700.
Der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge will GE Alstom für mehr als 13 Milliarden Dollar (rund 9,5 Milliarden Euro) übernehmen. Sollten der angeschlagene Konzern und die finanzstarke GE-Gruppe zusammengehen, könnte ein noch mächtigerer Konkurrent für den deutschen Elektrokonzern Siemens entstehen. Alstom erklärte jedoch, man sei über eine mögliche Offerte derzeit nicht informiert. Ein GE-Sprecher lehnte eine Stellungnahme ab. Siemens wollte sich weder dazu noch zu Medienberichten äußern, wonach Siemens und Alstom über einen Tausch von Unternehmensteilen gesprochen haben sollen.
Alstom ist aktuell an der Börse mehr als zehn Milliarden Dollar wert
Wie Reuters aus mit der Sache vertrauten Kreisen erfuhr, wird die mögliche Übernahme auch innerhalb der Führung von Alstom besprochen. Die Aktien von Alstom waren am Freitag auf Anordnung der Börsenaufsicht vom Handel ausgesetzt worden. Die Maßnahme gelte so lange, bis der Konzern eine Mitteilung mache, sagte eine Sprecherin der Börsenaufsicht. Die Titel waren am Donnerstag im Zuge der Gerüchte um elf Prozent gestiegen. Alstom, Hersteller von Kraftwerksturbinen, Zugsignaltechnik und des französischen Hochgeschwindigkeitszugs TGV, ist aktuell an der Börse mehr als zehn Milliarden Dollar wert.
Die französische Tageszeitung „Le Figaro“ berichtete, GE sei nur an der Energiesparte von Alstom interessiert, die etwa 70 Prozent der Aktivitäten des französischen Konzerns ausmacht. Die Schienenverkehrssparte solle unabhängig bleiben. Für den Transportbereich sucht Alstom indes seit geraumer Zeit eine Lösung – man wollte bislang entweder bis zu 49 Prozent an einen Investor verkaufen oder aber die Sparte an die Börse bringen.
In Kreisen der deutschen Industrie hieß es am Freitag, die Transportsparte von Alstom würde GE gut ergänzen. Die Amerikaner könnten im Gegenzug die nötigen Investitionen in Forschung und Entwicklung stemmen. Zudem könnten sich das Lokomotivgeschäft von GE in den USA und Alstom in Europa ergänzen. Die Deutsche Bahn ist Kunde bei Alstom und Siemens und hat deshalb ein großes Interesse an einem starken Gegengewicht zu dem deutschen Anbieter.
Der Einstieg von GE bei Alstom wäre eine Attacke auf Siemens
Allerdings wäre ein Einstieg von GE bei Alstom eine Attacke auf Siemens angestammten Markt Europa. Und das, wo diese unter ihrem Chef Joe Kaeser ohnehin derzeit in einer schwierigen Phase stecken. Kaeser will das Unternehmen umbauen, um es schlagkräftiger und renditestärker zu machen. Siemens ist dabei allerdings auch in den USA unterwegs und sicherte sich jüngst einen lukrativen Windenergie-Auftrag.
Alstom wiederum hat Probleme, vor allem in der Kraftwerkssparte. Der Konzern hat Sparmaßnahmen angekündigt und will bis 2016 rund 1300 Stellen abbauen. Schon vor zehn Jahren stand Alstom vor der Pleite, damals hatte der Staat 31 Prozent des Unternehmens übernommen. Damals hatte Siemens Interesse an einem Einstieg, die Politik verhinderte dies aber. Als Retter sprang damals der Mischkonzern Bouygues ein. (mit rtr/AFP)