Berliner Online-Portale: Ferienwohnungen für die ganze Welt
Sie sind der Schrecken der klassischen Hotellerie: Online-Portale jagen Herbergen Gäste ab, indem sie Städtereisenden unkompliziert eine Ferienwohnung in den Szene-Bezirken der Weltmetropolen vermitteln. Die wichtigsten Portale sitzen in Berlin, wo man über die Entwicklung zugleich froh wie erschrocken ist
„Wir mögen es unkompliziert“, sagt Michael Weh. Der Übersetzer und Lektor aus Hamburg versucht, wenigstens ein Mal im Jahr für ein paar Tage nach Berlin zu kommen. Reichstagskuppel oder Fernsehturm locken ihn und seine Ehefrau Lisa Jones, eine britische Philosophie-Dozentin, längst nicht mehr. Die Mitte-30-Jährigen wollen sich einfach ein paar Tage lang durch Deutschlands aufregendste Stadt treiben lassen und dabei so wohnen, wie Berliner eben wohnen: In einem Kiez – mit dem Laden, der Kneipe, dem Flohmarkt ums Eck.
So suchte und fand Weh mit wenigen Klicks beim Online-Portal Wimdu.de eine „geschmackvoll eingerichtete“ Ferienwohnung in Prenzlauer Berg für das vergangene Wochenende. Er zahlte vorab über den Dienst PayPal binnen Sekunden. „Die Wohnung ist deutlich günstiger als eine Pension, aber nicht weniger komfortabel“, sagt er. Das Paar legt keinen Wert auf einen Concierge, der nach dem Rechten fragt und Karten fürs Varieté besorgt. Und auf einen klopfenden Zimmerservice schon gar nicht. „Und als ich die Dame, die uns den Schlüssel gab, fragte, bis wann wir die Wohnung am Dienstag räumen müssen, sagte sie: ,Ach, egal!’ So hab ich’s gern.“
Berlins Standortpolitiker geraten hier in ein Dilemma: Portale wie Wimdu bringen Gäste in die Stadt. Zugleich protestieren manche Szenebezirke und der lokale Hotel- und Gaststättenverband, da der Ferienwohnungsmarkt gewerbsmäßig organisiert, aber kaum reguliert ist und so Hotels und Pensionen Gäste nimmt. Zugleich ist Berlin Ausgangspunkt dieses Phänomens, das eine Generation anspricht, die ihr Leben digital organisiert, für die Couch-Surfing aber zu studentisch ist. Die Wimdu GmbH aus Kreuzberg, über die Weh gebucht hat, beschäftigt mehr als 350 Mitarbeiter und vermittelt rund 50 000 Wohnungen in 100 Ländern. Ein ähnlich großes Portfolio hat nun auch der Wettbewerber 9Flats, der seine Zentrale am anderen Spreeufer in Friedrichshain hat. Das Unternehmen teilte am Montag mit, es habe die Plattform iStopOver übernommen, die vom kanadischen Toronto aus Vermieter und Reisende in Nordamerika, Südafrika und Australien zusammenbringt.
Über den Kaufpreis schweigen sich die Beteiligten aus. Die Summe dürfte einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag kaum übersteigen, was allerdings wenig über die Relevanz sagt. Denn was die Zahl der vermittelbaren Wohnungen angeht, kommen die Berliner Konkurrenten Wimdu und 9Flats gemeinsam immerhin an das 2008 in San Francisco gegründete Original Airbnb heran, das in fast jedem Land der Welt Wohnungen anbietet – und auch ein Büro in Berlin betreibt. Der Konsolidierungsprozess in dieser Nische zwischen IT- und Tourismusbranche wird also in Berlin entscheidend mitgestaltet. Hier entscheidet sich, ob das Geld, das Risikokapitalgeber investiert haben, irgendwann zurückkommt. 9Flats, mitfinanziert von der Telekom-Tochter T-Venture, lebt davon, dass Wohnungsvermieter 15 Prozent des Mietpreises abführen.
Man habe sich „zum Ziel gemacht, die Art und Weise des Reisens zu verändern“, visionierte 9Flats-Gründer Stephan Uhrenbacher am Montag. Um das zu erreichen, müssen die im digitalen Raum gegründet Firmen aber irgendwann auch zum Dienstleister werden. Denn selbst moderne Touristen wie Weh und Jones, die keine Rezeptionen brauchen, suchen einen Ansprechpartner, wenn die Dusche tropft. Auf dieses Bedürfnis reagiert 9Flats: Die Mitarbeiter der jetzt übernommenen Firma iStopOver dürfen an Bord bleiben – als Kundenbetreuer per E-Mail.