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EZB-Präsident Mario Draghi bei der Konferenz in Vilnius.
© REUTERS/Ints Kalnins

Draghi verweist auf Geopolitik und Protektionismus: EZB will Zinsen frühestens 2020 anheben

Die Zinsen bleiben noch länger im Keller. Sogar eine weitere Zinssenkung oder die Neuauflage der Anleihekäufe sieht EZB-Präsident Mario Draghi als Option.

Die Europäische Zentralbank (EZB) schiebt eine mögliche Zinsanhebung angesichts der steigenden geopolitischen Risiken und des zunehmenden Protektionismus noch weiter in die Zukunft als bisher angekündigt. „Der Leitzins bleibt bis mindestens zum Ende der ersten Jahreshälfte 2020 auf dem aktuellen Niveau“, sagte EZB-Präsident Mario Draghi nach der auswärtigen Sitzung des Rates am Donnerstag in der litauischen Hauptstadt Vilnius. Bisher hatte er von mindestens Ende 2019 gesprochen. Seit März 2016 liegen sie auf dem Rekordtief von null Prozent.

Sogar eine weitere Zinssenkung oder die Wiederaufnahme des Anleihekaufprogramms, das die EZB Ende 2018 eingestellt hatte, sind nach Angaben des Italieners mögliche Optionen. „Wir sind entschlossen mit all unseren Instrumenten einzugreifen, wenn es schlechter werden sollte“.

Fest steht bereits, dass sie EZB den Banken ab September neue langfristige, zinsgünstige Kredite, sogenannte TLTROs, anbieten wird. Mit alle diesen Maßnahmen steht fest, dass die Sparzinsen noch auf lange Zeit im Keller und nahezu bei Null verharren. Gleichzeitig bleiben Kredite und damit auch die Immobilienfinanzierung günstig. Der Einlagezins für Banken, die bei der EZB Geld parken, bleibt mit minus 0,4 Prozent negativ. Draghi sieht darin aber kein Hindernis für die Kreditvergabe. Die EZB halte die Finanzierungsbedingungen insgesamt weiter sehr großzügig.

Draghi verweist auf die Geopolitik

Der globale Gegenwind belaste weiter die Wirtschaftsentwicklung in Europa, sagt Draghi und verweist auf die Geopolitik, auf den zunehmenden Protektionismus, die Schwäche in einigen Schwellenländern und die immer noch ungelöste Frage des Brexit.

Folglich schraubt die EZB ihre Konjunkturerwartungen im Vergleich zu den Prognosen von März leicht zwischen 0,1 und 0,2 Punkten nach unten. Für 2019 erwartet sie jetzt in der Eurozone ein Wachstum von 1,2 Prozent, 2020 und 2021 soll es um jeweils 1,4 Prozent nach oben gehen. Gleichzeitig bleiben die Inflationsaussichten gedämpft. In diesem Jahr werde sie bei 1,3 Prozent liegen, 2020 auf 1,4 und 2021 auf 1,6 Prozent steigen. Die EZB strebt eine Inflationsrate von knapp zwei Prozent an. Bei diesem Niveau sieht sie Preisstabilität gewahrt und ein sichere Basis für gesundes nachhaltiges Wachstum.

Wie nah er an einer neuerlichen Ankündigung „Whatever it takes“ (was immer erforderlich ist) sei, wurde Draghi gefragt. Im Juli 2012 hatte er mit dieser Bemerkung auf die schwere Krise in der Eurozone reagiert und gesagt, die EZB werde alles zur Überwindung der Krise tun. „Die aktuellen Bedingungen lassen sich absolut nicht mit den Bedingungen vor sieben Jahren vergleichen“, wies der Italiener am Donnerstag entsprechende Überlegungen zurück. „Wir haben in der Eurozone die niedrigste Arbeitslosigkeit seit vielen Jahren, die Beschäftigung nimmt zu und die Löhne steigen.“ Die wirtschaftliche Situation sei damit eine ganz andere als damals.

Angesprochen auf die Lage in seinem Heimatland, die hohe Verschuldung und das von der EU-Kommission angedrohten Strafverfahren mahnte Draghi bei der Regierung in Rom einen glaubwürdigen Plan zum Schuldenabbau an. Die angekündigte Ausgabe neuer Anleihen durch die Regierung, sogenannte Mini-BOTs, verurteilte der EZB-Präsident. Die Papiere sind als eine Art staatlicher Gutscheine gedacht, die für Zahlungen genutzt werden können. Sie seien gleichbedeutend mit Geld und damit illegal, so Draghi. Experten sehen darin eine Art - verbotener - Parallel-Währung zum Euro. Außerdem wachse damit, sagt der EZB-Präsident, der Schuldenberg Italiens von derzeit 132 Prozent gemessen an der Wirtschaftsleistung weiter. Erlaubt sind in der Euro-Zone lediglich 60 Prozent.

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