Trotz "Mini-Inflation": EZB belässt Leitzins auf Rekord-Tiefstand
Europas Währungshüter legen erst einmal nicht nach - obwohl das viele billige Geld die Teuerung weiter nicht wie gewünscht anschiebt. Kritiker sehen die Notenbank ohnehin mit ihrem Latein am Ende.
Die Europäische Zentralbank (EZB) verschärft ihren Kurs trotz der anhaltenden Mini-Inflation vorerst nicht. Bei den Zinsen ließ der EZB-Rat bei seiner Sitzung am Donnerstag in Frankfurt alles beim Alten, und das gewaltige Anleihenkaufprogramm wird zunächst nicht verlängert. Die Notenbank bekräftigte, dass die Käufe bis mindestens zum März 2017 aufrechterhalten werden. Der Leitzins, zu dem sich Geschäftsbanken frisches Zentralbankgeld besorgen können, bleibt auf dem Rekordtief von null Prozent. Parken Banken überschüssiges Geld bei der EZB, müssen sie dafür weiterhin 0,4 Prozent Strafzinsen zahlen.
Bis März 2017 will die EZB unverändert Monat für Monat 80 Milliarden Euro in Staatsanleihen und andere Wertpapiere stecken, insgesamt 1,74 Billionen Euro. Gut eine Billion ist bereits investiert. Seit diesem Juni stehen auch Unternehmensanleihen auf dem Einkaufszettel. Das billige Geld soll die Konjunktur ankurbeln und die anhaltend niedrige Inflation wieder in Richtung der EZB-Zielmarke von knapp unter 2,0 Prozent befördern. Denn langfristig niedrige oder gar sinkende Preise gelten als Risiko für die Konjunktur: Unternehmen und Verbraucher könnten Investitionen aufschieben, weil sie erwarten, dass es noch billiger wird. Im August lag die jährliche Teuerungsrate im Euroraum gerade einmal bei 0,2 Prozent.
Die Wirtschaft verdaute den Brexit-Schock besser als erwartet
Daher hatten viele Volkswirte damit gerechnet, dass die Notenbank schon bei ihrer September-Sitzung nachlegen und das Anleihenkaufprogramm nochmals um ein halbes Jahr verlängern wird. Allerdings erklärt sich die Mini-Inflation zum Großteil mit dem niedrigen Ölpreis. Hinzu kommt: Die Wirtschaft verdaute den Brexit-Schock besser als erwartet. Am 23. Juni hatten sich die Briten mehrheitlich dafür ausgesprochen, dass ihr Land die Europäische Union verlässt. Der genaue Austrittsprozess ist noch offen. Das Nein der Briten zur EU sorge für konjunkturellen Gegenwind, hatte EZB-Präsident Mario Draghi bei der letzten EZB-Ratssitzung Ende Juli gesagt.
Es sei jedoch „zu früh, die mittelfristigen Auswirkungen des Brexit zu beurteilen“. Die EZB hat ihre Geldpolitik ohnehin schon extrem ausgeweitet. Kritiker bezweifeln, dass weitere Maßnahmen noch etwas nutzen würden. Die Staaten müssten endlich notwendige Reformen auf den Weg bringen. Vor allem aus Deutschland gab es zuletzt wieder viel Kritik am Kurs der Notenbank.
Ex-Bundesbank-Präsident Axel Weber urteilte, das viele billige Geld erreiche das angestrebte Ziel nicht. Der Präsident der Finanzaufsicht Bafin, Felix Hufeld, äußerte sich besorgt: „Für den Bankensektor wird die derzeitige Zinspause mehr und mehr zu einer bedrohlichen Durststrecke.“ Er warnte: „Das gefühlt ewige Zinstief lässt die Ertragsbasis der Institute langsam, aber sicher erodieren.“ Viele Sparer bekommen schon lange kaum noch Zinsen. (dpa)