Gleichberechtigung: Europa will die Frauenquote
Europäische Großunternehmen werden bislang nahezu vollständig von Männerrunden kontrolliert. Bis zum Jahr 2020 sollen die Aufsichtsräte fast zur Hälfte weiblich sein.
Während sich in Deutschland Familienministerin Kristina Schröder und Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (beide CDU) hartnäckig über die Einführung einer Frauenquote streiten, wird in Brüssel gehandelt. Die lange angekündigte europaweite Einführung einer Frauenquote in Großunternehmen nimmt jetzt Gestalt an. Am Montag übersandte EU-Justizkommissarin Viviane Reding ihren Gesetzentwurf den anderen Ressorts der EU-Kommission zur Abstimmung. Mit großen Änderungen ist kaum zu rechnen, denn der Text fällt weniger radikal aus als erwartet. Mehrere weibliche Europaabgeordnete haben daher bereits angekündigt, in den anschließenden Verhandlungen eine Verschärfung erreichen zu wollen.
In ihrem Entwurf, der dem Tagesspiegel vorliegt, schlägt die Luxemburger Kommissarin für Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen einen verpflichtenden Frauenanteil in Höhe von 40 Prozent vor. Bisher liegt der Frauenanteil nach Kommissionsangaben bei lediglich 13,7 Prozent. Um diesen Wert entsprechend zu steigern, hätten Konzerne und Firmen, die mehr als 250 Mitarbeiter beschäftigen, aber weniger als 50 Millionen Euro im Jahr umsetzen, noch acht Jahre Zeit. Einzig staatliche oder halbstaatliche Konzerne würden wegen ihrer Vorbildfunktion verpflichtet, die 40-Prozent-Marke nicht erst 2020, sondern bereits 2018 zu erreichen.
Unternehmen, die dann die entsprechenden Vorgaben nicht erfüllen, würden bestraft. Die EU-Staaten könnten dabei jedoch aus einem Angebot von vier Sanktionen wählen, die in Redings Vorschlag aufgelistet sind: Das kann ein bei der Umsetzung der EU-Richtlinie in nationales Recht festzulegendes Bußgeld sein. Zweitens könnte das Unternehmen in Zukunft nicht mehr berechtigt sein, staatliche Beihilfen zu bekommen.
Video - Tagesspiegel-Umfrage zur Frauenquote
Drittens schlägt Redings Behörde einen Ausschluss von der öffentlichen Auftragsvergabe vor. Und viertens könnte die Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds für null und nichtig erklärt werden, damit die Quote wieder erreicht wird. Allerdings bekämen die Unternehmen über eine „Flexibilitäts-Klausel“ auch die Möglichkeit, in begründeten Fällen die verlangte Quote nicht zu erfüllen.
Dies kann laut Entwurf der Fall sein „in außergewöhnlichen Fällen, wenn eine ausreichende Zahl von gleichqualifizierten Kandidaten des unterrepräsentierten Geschlechts nicht gefunden werden konnte“. Ausnahmen sollen auch dann möglich sein, wenn Aufsichtsratsmitglieder vom Arbeitnehmerlager entsandt werden. Zudem wird den EU-Staaten die Möglichkeit eingeräumt, das Unterschreiten der Quote in solchen Betrieben für zulässig zu erklären, in denen „der Anteil des unterrepräsentierten Geschlechts besonders klein ist und unter 20 Prozent der Mitarbeiterzahl liegt“.
Trotz dieser flexiblen Elemente kritisierte Familienministerin Kristina Schröder den Brüsseler Gesetzentwurf: „Normal arbeitende Frauen brauchen flexiblere Arbeitszeiten statt starrer Aufsichtsratsquoten.“ Deutschland komme „auch ohne die Einmischung von Frau Reding gut voran“, betonte Schröder, „in den Dax-30-Aufsichtsräten sind allein in diesem Jahr 40 Prozent der freien Stellen mit Frauen nachbesetzt worden“. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen lobte dagegen Redings Entwurf.
Allerdings richtet sich dieser entgegen ersten Annahmen nur an die Aufsichtsräte und nicht an die Vorstände. Man habe „nicht zu stark ins operative Geschäft eingreifen wollen“, hieß es am Montag in Brüsseler EU-Kreisen. „Auch hier hätte ich mir mehr Mut gewünscht“, kritisierte die SPD-Europaabgeordnete Kerstin Westphal. In Deutschland seien nur drei Prozent aller Vorstandsposten mit Frauen besetzt. Zudem rügt die Sozialdemokratin die lange Übergangszeit zur Einführung der Quote bis 2020 und die Tatsache, dass die Auswahl der Sanktionen den Mitgliedsländern überlassen werden soll. Die Grünen-Fraktionschefin Rebecca Harms sprach im Tagesspiegel von einem „ersten Schritt“. Nun sei „das Europaparlament gefordert, mehr herauszuholen“.