Lebensmittel: EU will Betrügern das Handwerk legen
Pferdefleisch in der Lasagne, Billigolivenöl statt Bio: Mit einer neuen Verordnung will die EU-Kommission die Kontrollen intensivieren.
Deutschland im Februar 2013: Eine Nation ekelt sich vor Döner, Lasagne und Gulaschsuppe. Denn statt des versprochenen Rindfleischs steckt in vielen Fällen ein ganz anderer Vierbeiner in der Fertigkost – Pferd. Schritt für Schritt stoßen die Behörden auf immer neue Betrugsfälle. Ikea muss zeitweise seine Kötttbullar-Buletten, Aldi sein Dosengulasch aus den Regalen nehmen. Die Politik schaltet sich ein. Sie verspricht härtere Gesetze und bessere Kontrollen. Mehr als drei Jahre und einige Lebensmittelskandale später sollen die Kontrollen innerhalb der EU nun tatsächlich verbessert werden. Nach neunmonatigen Verhandlungen zwischen Kommission, Europaparlament und Mitgliedstaaten haben sich die Unterhändler jetzt auf eine neue Kontroll-Verordnung geeinigt. 140 Seiten dick soll sie den grenzüberschreitenden Datenaustausch zwischen den Behörden verbessern, Lebensmittelbetrügern schneller das Handwerk legen und die Ausbildung und damit die Qualität der Kontrolleure innerhalb der EU harmonisieren. Europaparlament und Agrarrat müssen noch zustimmen, aber großer Widerstand ist nicht zu erwarten.
Der deutsche Agrarminister ist zufrieden
„Mit der neuen Verordnung verbessern wir EU-weit die Lebensmittelsicherheit und rücken den Schutz vor Lebensmittelbetrug stärker in den Fokus“, sagte Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU) dem Tagesspiegel. Tatsächlich nimmt der Betrug mit Lebensmitteln zu. So stießen die Prüfer im vergangenen Jahr in Baden-Württemberg bei einer Analyse von 266 Olivenöl-Proben in 20 Prozent der Fälle auf erhebliche Qualitätsmängel oder gefälschte Ware. In Italien flogen 2013 Panscher auf, die Lampant-Öl zur Herstellung von Lacken unter das Olivenöl gemischt hatten. Calamari, die sich als in Scheiben geschnittene Enddärme von Schweine entpuppen, Bio-Eier, die tatsächlich von Käfighennen kommen – die Phantasie und Skrupellosigkeit der Betrüger ist groß. Bisher kommen die Fälscher oft ungeschoren davon, weil die Kontrollbehörden unterbesetzt und das Kontrollsystem veraltet ist. Die neue Verordnung soll das ändern. Sie führt eine risikoorientierte Kontrolle ein, wie man sie bereits aus der Lebensmittelsicherheit kennt. Eishersteller oder Krankenhausküchen werden – so lautet zumindest die Regel – einmal im Monat auf Hygienemängel untersucht, Kioske bekommen dagegen nur alle anderthalb Jahre Besuch vom Kontrolleur. Dieses Prinzip soll nun auf den Lebensmittelbetrug übertragen werden. Betriebe, bei denen die Betrugsgefahr als hoch eingeschätzt wird, sollen künftig häufiger kontrolliert werden als andere. Beispiel: Fällt die Olivenernte in einem Mitgliedstaat schlecht aus, steigt das Risiko, dass billige Pfanzenöle falsch etikettiert und teuer verkauft werden. Die Lebensmittelkontrolle nehmen sich dann bewusst hochwertige Olivenöle vor und prüfen, ob sie echt sind.
Es gibt zu wenig Kontrolleure
„Alle Mitgliedstaaten sind verpflichtet, eine funktionierende Lebensmittelüberwachung zu garantieren und die dafür erforderlichen Mittel sicherzustellen“, sagt Schmidt. Doch daran fehlt es auch in Deutschland. „Mit dem vorhandenen Personal können nur knapp 45 Prozent der registrierten Betriebe kontrolliert werden“, kritisiert Anja Tittes, Vorsitzende des Bundesverbands der Lebensmittelkontrolleure. Auch Martin Häusling sieht Deutschland nicht als Musterland. Die Lebensmittelkontrolle ist hierzulande Sache der Landratsämter und Kommunen. „Hier trifft der Bürgermeister auf global agierende Unternehmer“, ärgert sich der Grünen-Agrarpolitiker, der im Agrarausschuss des Europaparlaments sitzt. Statt wie heute kleinen Gewerbetreibenden das Leben schwer zu machen, sollten sich die Kontrolleure lieber auf die Großen konzentrieren, auf die Verteilzentren der Lebensmittelhändler oder die Schlachthöfe, meint er. Doch dort hat ein Veterinär gerade einmal 32 Sekunden Zeit für ein Schwein, sagt Häusling, „und dann darf er das Tier noch nicht einmal anfassen“. Die neue Verordnung findet der Grüne dennoch gut. „Die Kontrolle wird besser“, glaubt er.
Foodwatch vermisst den Pranger
Foodwatch hat daran Zweifel. Was die Verbraucherschützer ärgert, ist ein neuer Geheimhaltungsartikel. Der verpflichtet die Behörden, Geschäftsgeheimnisse der Unternehmen zu bewahren – es sei denn, es gibt ein überwältigendes öffentliches Interesse an den Entdeckungen. Das sieht die Verordnung in möglichen Risiken für Mensch, Tier, Pflanze oder auch die Umwelt. „Alle Abwägungsprozesse verhindern die Information der Öffentlichkeit“, sagte Vize-Geschäftsführer Matthias Wolfschmidt dem Tagesspiegel. „Ohne eine konsequente Politik, Behördenwissen zu veröffentlichen, läuft die Überwachung ins Leere“.
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