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Der Dorsch - laichreif heißt er auch Kabeljau.
© Getty Images/iStockphoto

Fischen in der Ostsee: EU senkt Fangquote für den Dorsch

Nach Verhandlungen bis in die Nacht hat die EU die Fangquoten für den Dorsch gesenkt - nicht so radikal wie von Fischern befürchtet. Der Kompromiss sieht auch eine Obergrenze für Sportangler vor.

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Dem Dorsch in der Ostsee geht es schlecht. Genauer gesagt: Es geht dem westlichen Dorsch schlecht, der in den Gewässern vor der deutschen Küste zu Hause ist, also vor Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Seine Bestände sind akut gefährdet, weil 2015 der Nachwuchs so gut wie ausgefallen ist. Warum, ist Wissenschaftlern ein Rätsel. Da die Bestände aber dünn sind, wurde nun die Fangquoten um 56 Prozent gekürzt. Eine noch radikalere Fangquotenkürzung um 88 Prozent hatten unabhängige Meeresforscher vom ICES in Kopenhagen im Mai in ihrer Empfehlung an die EU-Kommission gefordert. Am Montag kamen deshalb die zuständigen Minister der 28 Mitgliedsländer in Luxemburg zusammen, um die Fangquoten für Dorsch zu beschließen.

Vor allem deutsche Gewässer sind betroffen. 2017 soll vom westlichen Dorsch 56 Prozent weniger gefangen werden als noch in diesem Jahr, in dem Deutsche Fischer 2715 Tonnen Westdorsch aus der Ostsee zogen. Nun darf nach Angaben von Diplomaten nur noch ein Pensum 1194 Tonnen in der westlichen Ostsee und 2820 Tonnen im Osten von Deutschen Fischern gefangen werden.

Auch Freizeitfischer wurden reguliert

Die Kürzung der Fangquote hat existenzbedrohliche Folgen für die Berufsfischer. Bei der ursprünglich vorgesehenen Kürzung von 88 Prozent hatte das Rostocker Thünen-Institut für Ostseefischerei angegeben, dass jeder zweite Berufsfischer an der Ostsee seinen Beruf aufgeben müsste, wenn die Empfehlung genauso umgesetzt würde. Der westliche Dorsch ist der „Brotfisch“ der Fischer in Schleswig-Holstein. Während in Mecklenburg-Vorpommern auch noch Hering gefischt wird, sind die Fischer in Schleswig-Holstein auf den Dorsch angewiesen. 442 Fischerboote wurden dort Ende 2015 noch gezählt. Davon waren 173 Kutter und Boote im Vollerwerbseinsatz, 269 im Nebenerwerb.

Die Minister schreckten angesichts der Nöte der Ostseefischer zwar vor äußerst drastischen Kürzungen zurück. Sie einigten sich aber auf zusätzliche Auflagen. So gibt es auch für Freizeitfischer, die inzwischen ähnlich viel Dorsch aus der Ostsee holen wie gewerbliche Fischer, im kommenden Jahr Obergrenzen. In der Laichsaison im Februar und März dürfen sie höchstens drei Dorsche pro Tag angeln, im Rest des Jahres fünf. Kommerzielle Fischer dürfen im Februar und März in der westlichen Ostsee acht Wochen lang keinen Dorsch fangen - zwei Wochen mehr als bislang.

Existenzbedrohung für Berufsfischer

Tatsächlich hatten die Freizeitfischer schon vor der Entscheidung darüber nachgedacht, die Härte einer Kürzung von den Berufsfischern mit abzufangen: „Es gab Überlegungen, einen Teil der Fangmenge, die Anglern zugewiesen ist, an die Berufsfischer, die davon ja ihren Lebensunterhalt bestreiten, abzugeben“, sagte Robert Vollborn, Geschäftsführer des Landessportfischerverbandes Schleswig-Holstein. Man hätte sich also freiwillig verpflichtet, weniger Dorsch zu fangen.

Claus Ubl, Sprecher des Deutschen Fischerei-Verbands hingegen bezweifelt, dass Einschränkungen der Angelfischerei einen Effekt auf den Bestand haben werden. „Wir hätten eine Quotenkürzung von 20 Prozent für ausreichend gehalten. „Denn wir haben Anhaltspunkte dafür, zu glauben, dass der 2016er Jahrgang besser ausfallen wird als der 2015er“, sagte Ubl dem Tagesspiegel.

Bei den Berufsfischereiverbänden wurde das Thema schon lange mit großer Sorge betrachtet. Für Lorenz Marckwardt, Vorstandsvorsitzender des Landesfischereiverbandes Schleswig-Holstein, hätte die drastische Quotensenkung von fast 90 Prozent an ein Berufsverbot für seine Zunft gegrenzt. „Das wird eine Katastrophe für die deutsche Kutterflotte. Rund 90 Prozent weniger Einnahmen – das wäre der Tod der Fischereibetriebe“, sagte er vor der Entscheidung und forderte deshalb hohe Kompensationszahlungen, nicht nur ein „Handgeld“.

Früher konnte die EU die Wissenschaft ignorieren - heute nicht mehr

Es hatte in Luxemburg Montagnacht also viel auf dem Spiel gestanden. Während in früheren Jahren die Empfehlungen von Kommission und Wissenschaft ignoriert wurden, ist dies jetzt nicht mehr so leicht möglich. Seit Sommer gilt das sogenannte Ostseemanagement. Darauf haben sich die Mitgliedsstaaten, Europa-Parlament und die EU-Kommission in mühsamen Verhandlungen geeinigt. Die Minister der nationalen Staaten dürfen sich nun bei ihrer Entscheidung im Fischereirat nicht mehr über wissenschaftliche Vorgaben hinwegsetzen. Sollten sie es doch tun, wäre eine Klage des Parlamentes wahrscheinlich.

Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) war mit einer klaren Absage in die Verhandlungen gegangen: Er lehnte eine Reduzierung um 87,5 Prozent vehement ab, andernfalls drohe das „sozioökonomische Ende der Fischerei“ in Deutschland. Nach der Entscheidung zeigte er sich recht zufrieden und sprach von einer „schmerzhaften, aber angesichts der Bestandssituation erforderlichen Quotenreduzierung“. Damit schlägt Schmidt einen anderen Kurs ein als die Expertin für Fischereipolitik im Europa-Parlament, Ulrike Rodust (SPD). Die Abgeordnete pocht darauf, dass die Empfehlung der Wissenschaft nicht in den Wind geschlagen wird. Sie hatte m Vorfeld vor einem Kompromiss gewarnt, der den Berufsfischern vermeintlich entgegenkommt: „Die Existenz der meisten Betriebe sichert auch eine geringere Quotenkürzung nicht.“ Rodust fordert, dass EU, Bund und Länder stattdessen rund vier Millionen Euro aufwenden, um den betroffenen Fischern zu helfen. Das Geld soll zur vorübergehenden Stilllegung oder zum kompletten Abwracken ihrer Kutter und Boote verwendet werden.

Für Greenpeace ist das nicht genug

Die Umweltorganisation Greenpeace hat die Absenkung der Dorschquote um 56 Prozent in der westlichen Ostsee als nicht ausreichend kritisiert. Erneut hätten sich die EU-Fischereiminister bei der Quotenvergabe den Interessen der Fischereiindustrie gebeugt, anstatt den wissenschaftlichen Vorgaben zu folgen, sagte der Greenpeace-Fischereiexperte Thilo Maack am Dienstag gegenüber der Deutschen Presseagentur. Damit werde weder dem Dorschbestand noch der Ostseefischerei ein Gefallen getan. Mit dem weiteren Absinken des Bestands in der westlichen Ostsee würden auch die Fischereierträge sinken.

(mit dpa)

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