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Verspätungen: Käme die Neuregelung durch, würden mehr als 70 Prozent der Passagiere künftig leer ausgehen.
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Update

Verspätungen auf Flügen: EU-Parlament: 300 Euro ab drei Stunden Verspätung

Die EU-Kommission will durchsetzen, dass Fluggesellschaften erst nach fünf Stunden Verspätung zahlen müssen. Doch die Parlamentarier haben diesen Plan abgelehnt. Verbraucherschützer sind froh - und das dürfen die Kunden auch sein.

Reisen sind die EU-Parlamentarier gewohnt. Trips nach Hause übers Wochenende, Besuche im Wahlkreis, politische Meetings in aller Welt – Europas Volksvertreter sind Vielflieger. Das mag erklären, warum die Parlamentarier am Mittwoch die Notbremse gezogen haben. Die Volksvertreter stoppten einen Plan der EU-Kommission, die Entschädigungen, die Airlines Reisenden bei Flugverspätungen zahlen müssen, zu beschneiden. Nun sind die Regierungen der Mitgliedsländer, der Rat, am Zug. Doch auch hier herrscht Skepsis. "Die deutschen Erwartungen richten sich darauf, die Fluggastrechte zu stärken", erklärte das Bundesverkehrsministerium am Mittwoch auf Tagesspiegel-Anfrage. "Mit dem Vorschlag der EU-Kommission wird dies insgesamt noch nicht erreicht."

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) können Verbraucher derzeit ab einer Verspätung von drei Stunden eine Entschädigung verlangen. Je nach Entfernung beträgt diese 250, 400 oder 600 Euro. Das EU-Parlament will jedoch noch höhere Entschädigungen. Ab einer Verspätung von drei Stunden sollen die Airlines 300 Euro Entschädigung zahlen, ab fünf Stunden soll es auf der Mittelstrecke 400 Euro und ab sieben Stunden soll es für Langstreckenflüge eine Entschädigung von 600 Euro geben. EU-Verkehrskommissar Siim Kallas sieht das anders. Der Este will die geltende Fluggastrechte-Verordnung so verändern, dass die Fluggesellschaften künftig frühestens ab einer Verspätung von fünf Stunden zahlen müssen. Bei längeren Distanzen sollen die Reisenden sogar erst ab einer Verzögerung von neun oder zwölf Stunden eine Entschädigung bekommen. Im Extremfall müssten die Passagiere bei einem Überseeflug elf Stunden in Wartehallen verbringen, ohne dafür einen Cent Entschädigung verlangen zu können, kritisiert Holger Krawinkel vom Bundesverband der Verbraucherzentralen.

71 Prozent der Passagiere wären leer ausgegangen

Aber nicht nur Langstreckenpassagiere hätten das Nachsehen. Neue Zahlen des Dienstleistungsportals EU-Claim zeigen, dass nach der Neuregelung 71 Prozent der Fluggäste, die heute eine Entschädigung verlangen könnten, leer ausgehen würden. Von knapp 15 000 entschädigungspflichtigen Verspätungen, die es im vergangenen Jahr gab, blieben nach dem neuen Verspätungsrecht nur noch 4102 übrig.

Die EU-Kommission verteidigt dagegen die geplante Reform. Die bisherigen Fluggastrechte würden der Annullierung von Flügen Vorschub leisten. Mit den gelockerten Ausgleichszahlungen bei Verspätungen steige dagegen der Anreiz für die Fluggesellschaften, Flüge durchzuführen und nicht einfach zu annullieren. Josef Schneider vom europäischen Fahrgastverband EPF sieht in der geplanten Reform dagegen eine handfeste Unterstützung für die Flugbranche. Die Verschärfung der Verspätungsregeln würde die europäischen Airlines um eine bis drei Milliarden Euro im Jahr entlasten, schätzt der Verbraucherschützer.

Doch durch die Ablehnung des Europaparlaments hat der Plan der Kommission nun einen erheblichen Dämpfer bekommen. Zum Ärger der Fluggesellschaften. "Für Verbraucher bedeutet der Entwurf vor allem teurere Flüge und längere Wartezeiten", sagte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), Klaus-Peter Siegloch, am Mittwoch in Berlin. Siegloch kündigte an, dass die Ticketpreise steigen. Der BDL hatte den Vorschlag der Kommission unterstützt, eine Haftung erst ab einer fünfstündigen Verspätung zu verankern. Jan Rameken, Geschäftsführer von EU-Claim, ist froh, dass sich die Branche damit zumindest beim EU-Parlament nicht durchsetzen konnte. „Wenn die Entschädigung für Verspätungen eingeschränkt wird, haben die Airlines keinen Anreiz mehr, pünktlich zu fliegen“, warnt Rameken, dessen Firma im Auftrag von Passagieren Ansprüche durchpaukt, die diese gegen Fluggesellschaften haben. Bei Erfolg bekommt EU-Claim 27 Prozent der Ersatzsumme plus eine Bearbeitungsgebühr. Scheitern die Anwälte, bekommt der Kunde zwar nichts, muss aber auch nichts an EU-Claim zahlen. Kunden, die auf eigene Faust versuchen, ihr Recht durchzusetzen, blitzen oft ab, sagt Rameken. Kaum schalte sich aber ein Anwalt ein, sehe die Sache anders aus.

Mehr als 900 Beschwerden bei der Schlichtungsstelle

Passagiere können sich bei Flugärger seit kurzem aber auch an eine Schlichtungsstelle wenden. Der Andrang ist groß: Obwohl die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP) erst seit vergangenem November Flugstreitigkeiten schlichten darf, haben die Schlichter schon über 900 Fälle auf den Tisch bekommen. Der Großteil betrifft Verspätungen und Annullierungen, berichtet SÖP-Geschäftsführer Heinz Klewe.
Obwohl die Fluggesellschaften der Schlichtung lange Zeit skeptisch gegenüber standen, hat sich der Wind inzwischen gedreht. Alle deutschen Fluggesellschaften beteiligen sich bereits an der Schlichtungsstelle, auch die Billigflieger Easyjet und Ryanair sind bei den 34 Airlines, die sich bereits dem Schlichtungsverfahren angeschlossen haben, dabei. "Wir sind zuversichtlich, dass in den nächsten Wochen auch noch die übrigen Airlines der SÖP beitreten", sagt Klewe. Noch jedoch fehlen einige große internationale Namen wie British Airways oder Alitalia.

Die Empfehlung der Schlichter ist rechtlich nicht bindend, das hatten die Airlines beim Bundesjustizministerium durchgesetzt. In der Praxis spielt das jedoch so gut wie keine Rolle. „Wir haben nur sehr wenige Ablehnungen“, berichtet Klewe.

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