Berlin-Partner-Chef Stefan Franzke: „Es passiert viel im Hightech-Bereich“
Der Geschäftsführer der Berlin Partner, Stefan Franzke, über günstige Firmenstandorte, Smart City und die Rolle der Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit und Michael Müller.
Herr Franzke, Bei Ihrem Dienstantritt im Juli haben Sie gesagt, es sei kein großer Unterschied, ob man ein Flächenland wie Niedersachsen vermarktet oder eine Stadt wie Berlin. Glauben Sie das immer noch?
Das bezog sich auf die Prozesse der Wirtschaftsförderung, die sind überall ähnlich. Aber natürlich gibt es gravierende Unterschiede: Berlin ist international eine Marke und bekommt Aufmerksamkeit. Das erleichtert die Arbeit.
In den Wochen um den 9. November können Sie die Arbeit einstellen, weil die halbe Welt sowieso auf Berlin schaut.
Das historische Moment ist natürlich sehr wichtig und erklärt zum Teil die hohe Anziehungskraft. Aber nicht nur. Kürzlich war ein japanischer Konzern hier, der seine Europazentrale in Düsseldorf hat. Die Japaner hatten überlegt, in welcher europäischen Stadt sie sich zum Thema Smart City positionieren, und haben sich für Berlin entschieden. Sie kamen auf uns zu, um zu diskutieren, was sie hier machen können. So etwas passiert in Niedersachsen eher selten.
In Berlin läuft also manches von selbst.
Ja. Die offenen Enden liegen da, müssen gepackt und bearbeitet und mit den richtigen Enden verbunden werden. Das ist unser Job.
Ist die Stadt so wie erwartet?
Ich wusste schon, dass Berlin sehr groß ist. Über den Facettenreichtum bin ich aber immer noch überrascht.
Wo sind Sie hingezogen?
Nach Charlottenburg.
Gutbürgerlich und etwas langweilig. Ihr Vorgänger wohnte in Friedrichshain, um dort den Spirit der Jugend und des Aufbruchs der Gründerszene mitzukriegen.
Charlottenburg ist alles andere als langweilig. Die Makler sind nach der Wende nach Mitte gezogen, jetzt gehen sie nach Charlottenburg. Ein Stadtmagazin hat den Bezirk gerade zu einem der attraktivsten Stadtviertel gewählt. Und Gründer gibt es hier auch jede Menge – zum Beispiel auf dem Campus der TU.
Gründer sind ein gutes Stichwort für die besonderen Umstände in der Stadt: Es gibt jede Menge Institutionen und Personen, die mitreden wollen. Deshalb war die sogenannte Start-up-Unit in Ihrem Haus so eine schwere Geburt.
Es will jeder dabei sein, weil er nichts verpassen will. Das sehe ich positiv und als Beleg dafür, dass Start-ups inzwischen ein wichtiger Wirtschaftsfaktor sind. Es sind zunehmend Unternehmensgründungen mit ernsthaftem technologischem Hintergrund, von denen auch die etablierten Unternehmen in der Stadt profitieren können.
Was bringt denn nun die Start-up-Unit den Gründern?
Die Unit selbst ist eine Art Start-up. Die Szene ist dynamisch und deshalb verändern sich auch die Anforderungen der jungen Firmen an die Wirtschaftsförderung. Wir haben aber jetzt erstmal sieben Bereiche – von Genehmigungen, Finanzierungsmöglichkeiten bis zur Internationalisierung –, mit denen wir Hilfestellung anbieten. Oder das Thema Infrastruktur: Die Firmen brauchen Flächen. Die großen Projektentwickler bauen erst, wenn mindestens 50 Prozent der Flächen langfristig vermietet sind. Darauf können sich Start-ups aber nicht einlassen. Wir brauchen andere Lösungen.
Zum Beispiel?
Vor kurzem war eine Gründerin hier, die Raum suchte für ihre Entwickler. Ich konnte ihr ein Angebot machen: Das erste halbe Jahr mietfrei und dann 2,50 Euro Quadratmetermiete in Marzahn. Wir treten als Vermittler auf. Auch beim Thema Finanzierung. Für den Unternehmensstart gibt es genügend Geld. Schwierig wird es, wenn die Firmen wachsen wollen, eine Vertriebsmannschaft brauchen oder zusätzliche Technik. Hier setzen wir an.
Ist die Gründerförderung Ihr wichtigstes Handlungsfeld?
Ein wichtiges Thema unter vielen. Wir haben ja im Rahmen der gemeinsamen Innovationsstrategie mit Brandenburg die Konzentration auf fünf Cluster. Dabei bleibt es ebenso wie beim Unternehmensservice, der sich um die bestehenden Firmen kümmert. Übrigens auch, indem wir Start-ups mit etablierten Unternehmen verbinden. Ein anderes Schwerpunktthema ist Smart City.
Dafür gibt es derzeit eine Arbeitsgruppe mit ein paar Dutzend Leuten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung.
Es entsteht ein Netzwerk, und wir sind dabei, ein gemeinsames Verständnis von Smart City zu entwickeln. Es gibt durchaus schon handfeste Projekte, wie zum Beispiel die intelligente Ampel, die je nach Verkehrsaufkommen auf Rot oder Grün schaltet. Das beruht auf einer Plattform von Cisco, aber wir brauchen auch die Expertise von Siemens und Bosch. Und es gibt einen EU-Wettbewerb, der im nächsten Mai entschieden wird und bei dem wir gute Chancen für Berlin sehen.
Sollte es ein Cluster „Smart City“ geben?
Ich glaube nicht. Viele Themen aus dem Bereich der digitalen Wirtschaft reichen ja auch in die bestehenden Cluster hinein. Was wir brauchen, sind Referenzprojekte, die sich dann auch vermarkten lassen. Zum Beispiel in der Wohnungswirtschaft bei der Energieeffizienz oder bei der Bereitstellung von Ladesäulen für Elektroautos.
"Innerhalb des S-Bahn-Rings haben wir wirklich jede Menge Flächen."
Kommt mit dem neuen Regierenden Bürgermeister Schwung in das Thema?
Davon gehe ich aus. Herr Müller hat ja Smart City mit dem Referenzprojekt Tegel schon jetzt in seinem Verantwortungsbereich.
Wie wirkt es sich auf die Vermarktung der Stadt aus, wenn der polyglotte Klaus Wowereit durch einen eher blassen Mann ersetzt wird?
Das Bild, das wir jetzt von Klaus Wowereit haben, müssten wir vergleichen mit dem Bild, dass wir in elf Jahren von Michael Müller haben. Und dann würde ich mich einer TU-Stadtsoziologin anschließen, die meint, dass die Person zur Erlebniswelt der Stadt passt. Das war so bei Klaus Wowereit, und das wird so sein bei Michael Müller, weil sich die Stadt ja auch verändert hat. Jede Zeit hat ihre Personen. Schließlich haben wir mit Müller, etwa in der Flächenpolitik, bislang gut kooperiert.
Trifft Müllers Einschätzung zu, dass es ausreichend Platz gibt für Industrie und Gewerbe?
Innerhalb des S-Bahn-Rings haben wir wirklich jede Menge Flächen, das ist vermutlich weltweit einzigartig. Aber auf diese Flächen wird mit ganz verschiedenen Augen geschaut: Die einen wollen sie frei halten, auch für die Subkultur, die ja für das Image Berlins wichtig ist. Für die anderen ist Wohnungsbau vorrangig, und ich als Wirtschaftsförderer will naturgemäß Arbeitsplätze. Auch in der Industrie: Von den zusätzlichen Arbeitsplätzen, die durch unser Mitwirken in diesem Jahr bislang geschaffen wurden, stammt jeder Dritte aus der Industrie.
Ist die Industrie inzwischen besser mit der Wissenschaft vernetzt? Oder braucht es zusätzliche Makler zwischen den Welten, wie sie die IG Metall vorschlägt?
Man braucht Personen, die beide Welten verbinden, den persönlichen Dialog. Das passiert aber auch schon in den einzelnen Clustern. Und dann betreut unser Unternehmensservice in den Bezirken insgesamt 1200 Unternehmen. Wenn wir mehr machen sollen, dann ist das natürlich auch eine Frage der Ressourcen.
Ressourcen haben Sie genug, durch die Fusion mit der Innovationsagentur der Technologiestiftung ist Ihre Belegschaft um rund 80 auf 230 Mitarbeiter gewachsen.
Wir haben viele Aufgaben und bis Ende des dritten Quartals 167 Projekte betreut, bei denen uns die Unternehmen bestätigt haben, dass wir bei der Schaffung von Arbeitsplätzen beziehungsweise der Umsetzung von Investitionen geholfen haben. Mit einer halben Milliarde ist das Investitionsvolumen übrigens so hoch wie noch nie.
Wie kommt's?
Es passiert viel im Hightech-Bereich. Die Arbeitsplätze, die entstehen, sind höherwertig. In der Industrie zum Beispiel „kostet“ ein Arbeitsplatz inzwischen im Schnitt rund 230 000 Euro.
Ihre Co-Chefin Melanie Bähr geht demnächst zurück zur IHK, was brauchen die Partner für eine Nachfolgerin?
Eine gute Kollegin oder einen guten Kollegen, der mit mir gemeinsam die vier Aufgabenfelder bearbeitet – Ansiedlung, Bestandspflege, Innovation und Marketing, und die wirtschaftliche Dynamik der vergangenen Jahre fortschreibt. Gemeinsam müssen wir Berlin als internationale Referenzstadt weiterentwickeln.
Zur Person: Stefan Franzke, 1970 in der niedersächsischen Kleinstadt Sarstedt geboren, studierte Maschinenbau. Er arbeitete als Geschäftsführer am Institut für Integrierte Produktion in Hannover und war seit 2006 als Geschäftsführer von „Innovatives Niedersachsen“ für das nationale und internationale Marketing des Bundeslandes zuständig. Seit dem 1. Juli 2014 ist Franzke gemeinsam mit Melanie Bähr Geschäftsführer bei Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie. Für die mehrheitlich landeseigene Gesellschaft arbeiten inzwischen rund 230 Mitarbeiter. Arbeitsfelder sind die Ansiedlung neuer Firmen und die Unterstützung der vorhandenen, das Hauptstadt-Marketing, die Betreuung der fünf Schwerpunktbereiche („Cluster“) sowie spezielle Projekte (Elektromobilität, Gründerförderung, Smart City).