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Es werden zu wenige Gebäude so saniert, dass sie deutlicher weniger Energie verbrauchen - und somit auch weniger Heizkosten produzieren. Das würde der Effizienzforscher Peter Hennicke gerne ändern.
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Exklusiv

Energiewende: "Es ist eine ideologische Vorstellung, dass Energiesparen eine Belastung sei"

Die Förderkosten für die Gebäudesanierung sind aus Sicht des ehemaligen Chefs des Wuppertal-Instituts, Peter Hennicke, eine "Vorfinanzierung" mit maximalem volkswirtschaftlichem Nutzen. Er plädiert für eine minimale Umlage auf den Energiepreis, um das Tempo bei der energetischen Sanierung so zu beschleunigen, dass die deutschen Klimaziele erreichbar werden.

Wie kommt es, dass es trotz Energiewende weiterhin keine erkennbare Effizienzpolitik gibt?

Es gibt zwei wesentliche Gründe. Einer ist die fehlende Prozessverantwortlichkeit für die Erreichung der gesellschaftlich vereinbarten Energiesparziele. Die Zuständigkeiten sind noch stärker zersplittert als bei der Energieerzeugung. Die Programme sind nicht Ziel gerichtet, müssten besser abgestimmt und auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden. Der zweite Punkt ist, dass es genau wie bei der Markteinführung der erneuerbaren Energien verbindliche Markteintrittsbedingungen für die Techniken der Energieeffizienz braucht. Der Effizienzmarkt ist enorm komplex, verspricht aber auch enorme wirtschaftliche Vorteile. Deshalb sind für die Einsparung von Energie ebenso verbindliche Ziele notwendig wie für den Ausbau erneuerbarer Energien und die Minderung von Treibhausgasen, wie die Europäische Union das beschlossen hat.

Wie sollen solche Ziele aussehen?

Das sollte ein gesamtwirtschaftliches Ziel sein. Im Artikel sieben der neuen EU-Energieeffizienzrichtlinie ist es auch formuliert. Dort heißt es, dass die Mitgliedsstaaten verpflichtet werden, jedes Jahr gesamtwirtschaftlich 1,5 Prozent ihrer Endenergie im Vergleich mit einem Trendszenario einzusparen. Es ist auch sinnvoll, das gesamtwirtschaftlich zu formulieren, weil man offen lassen sollte, an welcher Stelle besonders gut eingespart werden kann. In Deutschland gilt das ganz besonders für die Stromeffizienz. Da haben wir errechnet, dass etwa 150 Terawattstunden (150 Milliarden Kilowattstunden) - das ist die gesamte ehemalige Atomstromproduktion - wirtschaftlich eingespart werden kann. Wirtschaftlich heißt, dass die möglichen Zusatzkosten für Effizienzgeräte bei einem ohnehin stattfindenden Austausch bei weitem überkompensiert werden, weil weniger Strom eingekauft werden muss. Im Durchschnitt kostet die eingesparte Kilowattstunde Strom zwischen zwei und acht Cent die Kilowattstunde und der Strompreis für Haushalte liegt für Haushaltskunden bei etwa 27 Cent und für die Industrie bei etwa 14 Cent pro Kilowattstunde. Daran sieht man, dass es für die Verbraucher fast immer günstiger ist, in Einspartechnologien zu investieren als in den Kauf von Strom.

Ein Beispiel?

Zum Beispiel Haushaltsgeräte: Da lassen sich im Vergleich zwischen den Luxusgeräten, den größten Stromfressern, und den effizientesten Geräten bei LCD-Fernseher, Kühl-Gefrier-Kombinationen und Waschmaschinen innerhalb von zehn Jahren 1500 Euro einsparen. Das ist den wenigsten bewusst. Denn sie werden lediglich über den Energieverbrauch informiert, aber nicht über die eingesparten Energiekosten. Sie werden auch nicht darüber informiert, dass je größer die Diagonale des Bildschirms ist, die Energiekosten um ein Vielfaches steigen.

Peter Hennicke leitete das Wuppertal-Institut von 2000 bis 20008. Er gehört zum Beraterkreis der Europäischen Umweltagentur (EEA) und ist auch international, beispielsweise in den Beraterkreisen des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, immer wieder als Ratgeber gefragt.
Peter Hennicke leitete das Wuppertal-Institut von 2000 bis 20008. Er gehört zum Beraterkreis der Europäischen Umweltagentur (EEA) und ist auch international, beispielsweise in den Beraterkreisen des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, immer wieder als Ratgeber gefragt.
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Beim Strom ist das relativ leicht nachzuweisen. Für die Wärmedämmung von Gebäuden ist die Kalkulation schwieriger - und oft auch ungünstiger. Außerdem scheint es da besonders schwer zu sein, einen Markt in Gang zu bringen.

Wir haben Vorgaben aus dem Energiekonzept, dass der Gebäudebestand in Deutschland bis 2050 seinen Energieverbrauch um 80 Prozent reduzieren soll. Zwei wesentliche Strategien sind dafür unabdingbar. Die jährliche Sanierungsrate muss von etwa einem Prozent auf etwa zwei Prozent steigen. Das geht nur mit Förderung. Weil der Gebäudemarkt aber so komplex ist, sollte am besten neben den erfolgreichen Förderprogrammen der KfW-Bank eine mehr kommunal und regional ausgerichtete Umsetzungsebene geschaffen werden, beispielsweise über Effizienzagenturen. Die könnten dazu beitragen, dass Sanierungen möglichst kostenoptimal und effektiv umgesetzt werden. Das ganze ist ein Vorfinanzierungsproblem. Die KfW rechnet, dass jeder Euro öffentlicher Mittel mindestens um den Faktor acht Investitionen auslöst und damit auch neue Steuereinnahmen, Arbeitsplätze und Innovationen einbringt. Es geht also darum, diejenigen, die nicht auf längere Sicht investieren können, weil sie zu alt sind oder nicht die finanziellen Möglichkeiten dazu haben, als Hauseigentümer zu unterstützen, damit sie das, was langfristig wirtschaftlich ist, auch tun können. Hier braucht es mehr Förderung als wir sie bisher zur Verfügung haben. Die Deutsche Energieagentur schätzt den Bedarf auf etwa fünf Milliarden Euro jährlich. Das ist vielleicht etwas hoch gegriffen. Aber eine Kombination aus Investitionszuschüssen und Steuerersparnissen sollte in etwa auf dieses Niveau kommen.

Das zu finanzieren ist nicht einfach, angesichts einer Schuldenbremse, anderen Haushaltsrestriktionen und der Krise des Emissionshandels, aus dem der Energie- und Klimafonds hätte finanziert werden sollen. Wo soll das Geld herkommen?

Es gibt Finanzierungsmodelle beispielsweise in Dänemark und England, wo durch eine Umlage auf die Energiekosten ein Fonds geschaffen wird, um die energetische Sanierung zu finanzieren. Der Aufpreis beträgt etwa 0,2 Cent pro Kilowattstunde Strom oder Gas. Daraus ließe sich ein Fonds mit rund 1,5 Milliarden Euro im Jahr füllen. Ein sehr erfolgreiches regionales Beispiel ist der Enercity-Klimafonds in Hannover, wo genau mit einem solchen Umlagesystem große regionalwirtschaftliche Effekte erreicht worden sind. Dafür gibt es eine hohe Akzeptanz, und es sind auch attraktive Geschäftsfelder entstanden. Würde dieses Modell auf die Bundesebene übertragen, wäre die Finanzierung unabhängig von Haushaltsmitteln. Die Verbraucher würden durch diese Umlage minimal belastet aber durch die eingesparte Energie maximal entlastet.

Wie erklären Sie sich den erbitterten Widerstand gegen solche Modelle, die durch die neue EU-Effizienzrichtlinie hätten ermöglicht werden sollen?

Es gibt eine lange Vorgeschichte für diese Richtlinie. Aber im Ergebnis hat sie zumindest zur Einsparverpflichtung geführt. Nun sollten die Schlupflöcher geschlossen werden, die vor allem auf Druck des deutschen Wirtschaftsministers geschaffen worden sind, sonst werden die europäischen und erst recht die noch ambitionierteren deutschen Einsparziele nicht erreicht. Der Widerstand kommt daher, dass es eine ideologische Vorstellung gibt, dass Sparen eine Belastung sei. Dabei ist die Energieeffizienz wie ein Jackpot für die ökologische Modernisierung Deutschlands. Das gilt nicht nur wirtschaftlich sondern auch sicherheitspolitisch. Denn durch Energieeinsparung werden Risiken wie steigende Energiekosten und die Abhängigkeit von einer Öl- und Gasförderung in riskanten Weltregionen begrenzt. Der zweite, materiell vielleicht wesentlichere Widerspruch kommt von der Energieanbieterseite. Ohne, dass dies ausgesprochen wird, kämpfen diejenigen, die bisher am Energieverbrauch verdient haben, um ihre Marktanteile. Dieser Markt muss schrumpfen. Die Frage ist: Wer verdient an diesem Schrumpfen? Wenn also Energieversorger ihren Kunden Einsparangebote gemacht werden, sollten sie nicht gezwungen sein, sich dadurch selbst zu schädigen.

Ist es angesichts der etwas irrsinnigen Diskussion über die Höhe der EEG-Umlage weise, eine neue Umlage wiederum an den Strompreis zu binden?

Es wäre gut, das Verursacherprinzip im Auge zu behalten, und die Energieträger zu belasten, deren Reduktion wir erreichen wollen. Das betrifft alle Bereiche: Strom, Wärme, Verkehr. Wenn man Energiesparmaßnahmen im Verkehr fördern will, braucht es klare Flottenverbrauchsrichtlinien für die Autos. Es braucht aber auch ökonomische Anreize für den Umstieg auf den Öffentlichen Nahverkehr oder Car Sharing. In Großbritannien gibt es inzwischen eine Idee eines Green Deal. Da wird die Wärmedämmung vorfinanziert, das wird über die Strompreise refinanziert. Das Programm ist nicht an die Mieter gebunden sondern an das Haus. Wer umzieht, kann von der Energieeinsparung profitieren, übernimmt aber auch die Verantwortung für den Vertrag. Wir müssen sehen, wie sich das in der Praxis bewährt.

Warmmietenneutralität nach einer Sanierung ist ein hehres Ziel, das meistens nicht funktioniert. Das verdrängt viele Mieter aus den Wohnungen, die sie nach der Sanierung nicht mehr bezahlen können. Dazu kommt auch, dass viele den Aufwand einer solchen Sanierung scheuen. Und die Branche ist so fragmentiert, dass sich die beteiligten Gewerke nicht einmal auf Aussagen einigen können, in welcher Reihenfolge eine Sanierung in Schritten sinnvoll ist. Was tun?

Das gehört zu den Gründen, warum wir für regionale Umsetzungsagenturen eintreten. Gerade damit dieser komplexe Markt transparenter wird und der ohnehin notwendige Sanierungsprozess sozial- und wirtschaftsverträglich abläuft. Das Zentrale ist, zum Zeitpunkt einer ohnehin notwendigen Sanierung das Richtige zu tun. Dafür braucht es eine sehr konkrete individuelle Beratung und Förderprogramme, die eigentlich nur die Amortisationszeiten überbrücken müssen.

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