Iranische Unternehmerinnen: "Es ist ein Vorteil, die einzige Frau zu sein"
Iranische Frauen sind ehrgeizig und oft sehr erfolgreich im Geschäft – in ihrer Heimat und auch in Deutschland.
Ihr Haaransatz lugt zaghaft unter dem lose um den Kopf geschlungenen blau-weiß gemusterten Tuch hervor. Ihre Augen sind nahezu ungeschminkt, die Wimperntusche so zart, dass man sie fast nicht sehen kann. „Nichts kann eine Frau aufhalten“, sagt sie mit fester Stimme. „Erfolgreich im Beruf zu sein ist keine Frage des Geschlechts.“ Seyedeh Fatemeh Moghimi ist die erste Frau, die im Iran jemals eine Fahrerlaubnis für einen Lkw erhalten hat, wie sie sagt. Seit 31 Jahren führt sie in Teheran das Logistik- und Transportunternehmen Sadidbar, das zu den erfolgreichsten im Land gehört. Sie ist eine Frau, deren sanfte braune Augen im ersten Moment darüber hinwegtäuschen, dass sie stark ist, sehr stark. Und genau weiß, was sie will.
Und sie ist nach Berlin gekommen, um Geschäfte mit Deutschland zu machen. Als Teil einer Delegation von iranischen Geschäftsfrauen stellt sie sich in der Hauptstadt vor. Der Zeitpunkt ist ungünstig: In den vergangenen Wochen hat sich die Missstimmung zwischen Iran und dem Westen verschärft. Der Westen isoliert das Land immer mehr, die USA und Europa belegen Iran mit Sanktionen. Nach Angaben der Deutschen Außenhandelskammer gingen die deutschen Exporte nach Iran in den ersten neun Monaten im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 20 Prozent zurück.
Für Moghimi ist das die falsche Strategie. „Wir müssen uns auf dem privaten Sektor einander annähern, wenn es schon auf dem politischen nicht funktioniert“, sagt sie. „Wir brauchen einander.“ Sie zieht den Knoten in ihrem Tuch fester und spreizt die Finger, als wolle sie jeden Widerspruch abwehren. Sie ist mit der Politik ihres Heimatlandes auch nicht zufrieden, aber ihre Lösung ist einfach: „Mit Handel können wir das Gesicht dieser Welt verändern!“
„Die Sanktionen treffen besonders die Bevölkerung im Iran“, sagt Jasmin Taylor. Denn Iran kämpft mit hoher Inflation, viele Jugendliche finden keine Arbeit. Taylor, in erster Ehe mit einem Amerikaner verheiratet, ist ebenfalls Iranerin. Sie kam im Alter von 17 Jahren nach Deutschland und führt heute ein Touristik-Unternehmen in Berlin mit mittlerweile 35 Mitarbeitern. Ihr Jahresumsatz liegt bei 100 Millionen Euro.
Beide, Taylor und Moghimi, sind erfolgreiche Unternehmerinnen, die unbeirrt ihren Weg gehen. Dass sie eine Frau ist, schade ihr im Geschäftsleben nicht, sagt Moghimi. Im Gegenteil. „Es ist ein Vorteil, die einzige Frau zu sein“, sagt sie lächelnd. Sie knüpfe leicht Kontakte. „Die Männer erinnern sich an mich.“
Taylor wollte sich schon immer selbstständig machen. Ganz genau plante sie ihre Karriere: Erst Abitur, dann Studium, schließlich die Selbstständigkeit. An der Universität in Regensburg begann sie zu promovieren. Die Arbeit liegt zwar gerade auf Eis, aber: „Irgendwann schreibe ich sie noch, nur für mich.“ Ihre Stimme klingt sehr überzeugt, wenn sie das sagt.
Ein Kopftuch trägt Taylor nur dann, wenn sie in den Iran reist, um ihre Familie zu besuchen. In Deutschland verzichtet sie auf den traditionellen iranischen Tschador. Ihr schwarzes Oberteil kombiniert sie mit einem kurzen pinken Rock. Die langen, dunklen Haare trägt sie offen. So unterschiedlich Moghimi und Taylor auch auftreten – sie passen beide so gar nicht zum Klischee der unterdrückten iranischen Frau.
„Ich bin gern eine Frau“, sagt Taylor selbstbewusst. Vom Kampf der Geschlechter will auch Moghimi nichts hören: „Wir haben zwei Hände. Ist eine davon etwa wichtiger als die andere?“ Sie blickt auf ihre Hände, fast ungläubig schon, wie man so etwas denken könne. Dann lacht sie.
Viele iranische Frauen sind so unabhängig wie Moghimi, das bestätigt Farifteh Tavakoli. Sie ist Wissenschaftlerin am Institut für Iranistik der Freien Universität Berlin und beschäftigt sich mit dem Frauenbild im Iran. Was eine Iranerin sich erarbeitet, gehöre ihr, sagt sie. Die Frauen seien sehr selbstständig, verwalteten ihr eigenes Vermögen und oftmals gleich die gesamten Familienfinanzen. „Frauen sind die Organisatorinnen des Lebens in Iran“, sagt sie. Sie seien sehr strebsam und diszipliniert. So viele von ihnen studieren, dass es heute ein großes Ungleichgewicht zwischen weiblichen und männlichen Studierenden gibt. Es ist so groß, dass sogar eine Männerquote eingeführt wurde: Nicht mehr als 65 Prozent der Studienanfänger dürfen weiblich sein.
„Iranische Frauen sind ehrgeizig“, meint auch Jasmin Taylor. Hinzu komme: „In traditionellen Gesellschaften lastet auf dem Mann ein hoher Druck. Er muss der Ernährer und Beschützer der Familie sein. Heute suchen sie sich deshalb Frauen, die sie unterstützen.“ Für die Frau habe das auch Vorteile. Sie bekomme die Chance, sich selbst zu verwirklichen.
In den letzten Jahren habe sich viel verändert in der iranischen Gesellschaft. Doch der Westen nehme das nur sehr widerwillig wahr, sagt Ulrich Tilgner. Er ist Orient-Experte und meint: „Unser Bild ist historisch gewachsen. Da wird einfach immer in die passende Schublade gegriffen und jahrzehntealte Konflikte reproduziert.“ Das sei eben viel einfacher. „Zu verstehen, was dort wirklich geschieht, ist fast ein Vollzeitjob.“
Für Moghimi gibt es aber noch einen weiteren Grund für die verzerrte Wahrnehmung: „Wir Iranerinnen sind selbst schuld daran, dass wir von außen als so schwach wahrgenommen werden“, sagt die Unternehmerin. „Wir sind nicht hinausgegangen in die Welt und haben gezeigt, wer wir sind und was wir können.“ Sie selbst weiß aber, was sie kann und will das auch zeigen. Deshalb ist sie jetzt in Berlin. Und deshalb war sie auch die erste iranische Frau, die je eine Fahrerlaubnis für einen Lkw erhielt. Als sie die beantragte, wurde sie auf der Behörde ausgelacht. „Du wirst scheitern“, sagte man ihr. Das ist fast ein Vierteljahrhundert her.
Inga Höltmann