Kreuzfahrt-Geschäft zieht wieder an: „Es hat keinen Sinn, ein ganzes Schiff zur Quarantäne-Station zu machen“
Die Norwegian Cruise Line startet wieder ihr Europa-Geschäft. Ein Interview mit dem Managing Director über Einschränkungen, Sicherheit und Overtourism.
Das Geschäft mit Kreuzfahrtreisen zieht wieder an. Kevin Bubolz ist seit 2018 Managing Director Europe beim US-amerikanischen Riesen Norwegian Cruise, nachdem er Unternehmen in verschiedenen Positionen tätig war. Zuvor hat er bei Hapag Llyod Cruises und TUI gearbeitet. Wir haben mit ihm gesprochen.
Herr Bubolz, die amerikanische Kreuzfahrtlinie Norwegian Cruise Line (NCL) feiert ihr Comeback in Europa. Die erste Tour, auf der dieses Gespräch stattfindet, startete in Athen und führt eine Woche lang durch die griechische Inselwelt. Andere Reedereien haben ihre Schiffe früher wieder in See stechen lassen. Warum hat es bei NCL so lange gedauert?
Am 13. März 2020 haben wir alle Fahrten einstellen müssen. Wir dachten, dass wir früher wieder hätten anfangen können, aber wir wollten gründlich sein. Wir haben uns mit internationalen Experten beraten und die Lage weltweit analysiert. In den USA, wo unser Hauptmarkt ist, gab es sogar ein Kreuzfahrtverbot. Als sich abzeichnete, dass sich die Situation dort so schnell nicht verändern würde, haben wir geschaut, ob wir anderswo in der Welt starten könnten. Im letzten Herbst hatten wir eigentlich die Kanaren geplant, aber die Lage war dann schwierig. So haben wir es gelassen. Das war im Nachhinein die richtige Entscheidung, denn wenn wir das gemacht hätten, hätten wir alles wieder unterbrechen müssen. Die Folgen wären Umbuchungen und Stornierungen gewesen.
Es dürfen nur vollständig Geimpfte an Bord. Kinder können nicht mitfahren, es sei denn, sie sind älter als zwölf Jahre und bereits geimpft. Bei Flugreisen reicht ein PCR-Test, warum sind Sie bei der Kreuzfahrt so streng?
Wir wollen die sicherst mögliche Basis für unseren Neustart haben. Das impliziert eine vollständige Impfung plus zwei verstrichene Wochen. Und weil auch das nicht hundertprozentig sicher ist, muss jeder Passagier am Pier noch einen Schnelltest machen, damit er an Bord darf. Beide Maßnahmen zusammen bieten die sicherst mögliche Basis. Wir sind sogar noch einen Schritt weitergegangen. Weil sich die Delta-Variante in England so schnell ausbreitet, verlangen wir für unsere englischen Kunden noch einen zweiten Test vor Abflug in England. So werden wir bis zum 31. Oktober verfahren, dann sehen wir weiter. Auch die Crew ist vollständig geimpft und wird zudem wöchentlich getestet.
Die erste Fahrt führt mit der „Norwegian Jade“ bis Athen durch die griechische Inselwelt. Weitere Trips im selben Fahrgebiet werden folgen. Wieso starten Sie in Griechenland?
Wir hatten zuerst auf Spanien geschaut, das war unser erster Markt in Europa, wo wir Kreuzfahrtschiffe hatten. In Griechenland hat aber die Zusammenarbeit mit den Behörden sehr, sehr gut funktioniert. Tourismusministerium, Gesundheitsministerium und Premierminister waren sich in der Vorgehensweise einig, wir konnten mit unseren Partnern vor Ort ausgezeichnet zusammenarbeiten. In anderen Ländern Europas musste länger diskutiert werden…
Wie kommt das bei den Passagieren an? Impfpflicht, Maskenpflicht, viele Regeln?
Unter Reisenden ist die Impfquote sowieso höher. Das Feedback ist positiv. Es gibt einige, die sagen, wir fahren mit euch, weil ihr am konsequentesten seid. Eine sehr kleine Minderheit erklärt, sie wolle nie mehr mit uns fahren, aber da handelt es sich womöglich um Menschen, die ohnehin noch nie mit uns unterwegs waren.
[Wenn Sie alle aktuellen Entwicklungen zur Coronavirus-Pandemie live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]
Griechenland gilt als Risikogebiet. Mykonos etwa hatte Partys und Musik zwischen ein Uhr nachts und sechs Uhr morgens verboten. Muss man sich da Sorgen machen?
Wenn Mykonos schließen muss, kann man darauf reagieren. Früher musste man die Route ändern, wenn zum Beispiel ein Sturm aufzog. Wenn eine Destination nicht funktioniert, haben wir Alternativen.
Viele Reedereien bieten Landausflüge nur in der Gruppe an. Die Passagiere bleiben dadurch in ihrer „eigenen Blase“. NCL macht das anders. Warum?
Durch unsere Auflagen haben wir eben die sichere Basis. Bei den ersten Kreuzfahrten während der Pandemie wurden ja überhaupt keine Häfen angelaufen, dann gab es Landgänge nur in Gruppen. Das ist aber nicht im Sinne der bereisten Länder. Die Leute lassen weniger dort, wenn sie nur im Bus unterwegs sind und etwa zu einer archäologischen Stätte hin und wieder zurück fahren. Dann gehen sie eben nicht in den kleinen Laden und kaufen noch ein Mitbringsel. Viele Menschen hier in Griechenland sind aber von den Touristen abhängig. Wir haben uns mit dem Land abgesprochen und entschieden, dass vollständig Geimpfte individuell von Bord dürfen, wenn sie das möchten.
Rund 2400 Passagiere fänden Platz auf der „Norwegian Jade“. Aber nur 1700 sind bei diesem Trip an Bord. Eine Auslastung zu 100 Prozent wagen Sie nicht?
Es gab keine Vorgaben, aber wir haben uns entschieden, mit rund 70 Prozent zu beginnen. Darüber hinaus haben wir 74 verschiedene Maßnahmen ergriffen. Dazu gehört etwa der Austausch aller Luftfilter, in den Restaurants haben wir einige Tische rausgenommen, auch auf dem Pooldeck fehlt immer mal wieder eine Liege. So bekommen wir mehr Abstände hin. So werden wir es auch bei den nächsten Reisen halten.
Haben nicht viele potenzielle Kreuzfahrtgäste noch die Bilder von 2020 im Kopf, als Passagiere tagelang nicht von Bord durften? Hat das nicht nachhaltig abgeschreckt?
Nein, das ist nicht der Fall. Unsere nächsten Reisen sind alle schon ausgebucht. Am Anfang der Pandemie sind Fehler gemacht worden. Es hat keinen Sinn, ein ganzes Schiff zur Quarantäne-Station zu machen. Wir haben ein Krankenhaus an Bord, das gab es schon immer, aber wir haben es vergrößert. Es hat einen eigenen Intensivbereich, der komplett abgeschlossen ist von der Luftzufuhr der anderen Bereiche. Man kann also, wenn man müsste, isolieren und würde dann in jedem Hafen schon Verträge fertig haben mit Krankenhäusern oder mit Hotels, wenn die Leute keine Krankheitssymptome haben. Es ist also sichergestellt, dass eine Kreuzfahrt nicht mehr unterbrochen werden muss oder ein Schiff gar irgendwo herumirrt.
Kreuzfahrtgegner hatten gehofft, dass die Hochzeit großer Vergnügungsschiffe erstmal vorüber ist. Dass nicht alles so weitergeht, wie vor der Pandemie. Wie sehen Sie die Entwicklungen?
Menschen, die gern Kreuzfahrten gemacht haben, machen sie jetzt nicht weniger. Sie wollen aber, dass das sicher ist. Viele Millionen Menschen haben fast zwei Jahre lang keine Kreuzfahrt machen können, die wollen wieder losfahren. Unsere Vorausbuchungen für die nächsten Jahre sind so stark wie nie. 2022 und 2023 sind sehr gut gebucht. Trotzdem hat sich etwas verändert. Der Wert einer Reise ist gestiegen, viele erkennen das Privileg, dass man reisen darf. Genau da setzen wir an. Wir bieten ein Qualitätsprodukt, wir wollen keine Preiskämpfe am unteren Level.
Also können Ihre Kunden keine Schnäppchen erwarten?
Die Preise, die wir fürs kommende Jahr aufrufen, sind sehr gute Preise für uns, also höhere Preise. Wir sehen insgesamt eine Entwicklung nach oben. Die Leute interessieren sich auch für andere Kategorien. Man kann schon sagen, dass es eine gewisse Zurückhaltung bei Buchungen von Innenkabinen gibt.
Venedig lässt große Kreuzfahrtschiffe nicht mehr in den Stadthafen. Wir steuern Santorin an, wo Overtourism vor der Pandemie auch ein Thema war. Dürfen Kreuzfahrer mit gutem Gewissen dort anlanden?
Overtourism ist kein reines Kreuzfahrtthema. Venedig hat rund 30 Millionen Touristen pro Jahr, aber nur zwei Millionen sind Kreuzfahrer. Sie sind nur ein Teil des Problems. Es ist natürlich plakativ, wenn so ein großes Schiff in den Hafen fährt. Auch in Palma de Mallorca wird immer auf die Schiffe geschaut, dabei kommen viel mehr Touristen von der Landseite. Bei anderen Zielgebieten wie Santorin und Dubrovnik ist der Kreuzfahrtanteil größer. Dubrovnik hat reagiert und erlaubt nur maximal zwei größere Schiffe zeitgleich im Hafen. Das muss das betreffende Land regeln, wir dürfen uns aus Wettbewerbsgründen ja gar mit den anderen Reedereien absprechen. Wenn wir also sagen, wir wollen am 28. Juli 2024 kommen, und dann heißt es, ja kommt, verlassen wir uns darauf. Wenn wir dann ankommen und es sind schon sieben andere Schiffe da, gefällt uns das ja auch nicht. In Alaska zum Beispiel funktioniert das super. Wir wissen um den Wert der Destination und dürfen sie nicht überladen. Von der Landseite her wird das dort ausgezeichnet gemanagt.
Wie blicken Sie mit Ihrem Unternehmen in die Zukunft?
Sehr optimistisch. Der Anteil der Kreuzfahrt vor der Pandemie lag, den gesamten touristischen Markt betreffend, bei zwei bis drei Prozent. Als Reiseform ist die Kreuzfahrt deutlich unterrepräsentiert. Weltweit gibt es weniger als 500 Kreuzfahrtschiffe, da ist noch sehr viel Potenzial.
Wird sich Ihre Flotte vergrößern?
Erstmal haben wir während der Pandemie kein einziges Schiff abgegeben, sondern wir haben die Flotte modernisiert. Unser ältestes Schiff haben wir gerade für rund 100 Millionen Dollar renoviert. Sechs Schiffe werden ab 2022 dazukommen, jedes Jahr eins.
- bbbbbb
- Brandenburg neu entdecken
- Charlottenburg-Wilmersdorf
- Content Management Systeme
- Das wird ein ganz heißes Eisen
- Deutscher Filmpreis
- Die schönsten Radtouren in Berlin und Brandenburg
- Diversity
- Friedrichshain-Kreuzberg
- Lichtenberg
- Nachhaltigkeit
- Neukölln
- Pankow
- Reinickendorf
- Schweden
- Spandau
- Steglitz-Zehlendorf
- Tempelhof-Schöneberg
- VERERBEN & STIFTEN 2022
- Zukunft der Mobilität