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„Das ärgert mich“, sagt Gegenbauer über die seiner Meinung nach unzulängliche Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg.
© Thilo Rückeis

Unternehmer und Hertha-Präsident Gegenbauer: „Es ging in Berlin zu wie bei Hühnerhugo“

Werner Gegenbauer, Aufsichtsrat der Gegenbauer-Gruppe, Hertha-Präsident und einst IHK-Chef, über seinen Rückzug aus der Firma und die Dynamik Berlins.

Herr Gegenbauer, wie übergibt man ein Unternehmen an die nächste Generation?

Die Firma zu übergeben, ist weniger schwierig, als die Leitung der Firma abzugeben. Das nimmt einen auch emotional mit. In unserem Unternehmen habe ich von 2001 an die Führung schrittweise übertragen. Das funktioniert, wenn man die Tätigkeitsfelder trennt und sich nicht in die Quere kommt. Dann kann man übrigens auch neutraler und respektvoller den anderen beurteilen.

Warum tun sich Inhaber häufig so schwer mit dem Rückzug aus der Firma?

Andere können auch schlecht loslassen, aber die werden irgendwann dazu gezwungen oder der Vertrag läuft aus. Das ist bei einem Eigentümer nicht so. Deshalb besteht die Gefahr, den richtigen Zeitpunkt zu verpassen.

Wie bei Ihrem Vater vor vierzig Jahren?

Es war damals schwierig, Privates und Berufliches zu trennen, weil wir auch noch in dem Haus gewohnt haben, in dem die Büros waren. Ich war Mitte der 1970er Jahre nach Basel gegangen und hatte dort mit einem Partner eine Firma gegründet. Mein Vater wollte dann aber unbedingt, dass ich zurückkomme nach Berlin.

Das war dann eine spezielle Zusammenarbeit. Sie haben mal erzählt, Ihr Vater habe Sie mindestens drei Mal gefeuert.

Ich bin viel zu früh zurückgekommen. Und ohne die Unterstützung der leitenden Leute im Unternehmen wäre das auch nicht gut gegangen. Wir haben dann einen Vertrag geschlossen und die Zusammenarbeit und die Übergabe geregelt.

Ihr Vater, 1906 geboren, war eine väterliche Figur für die Belegschaft, dazu etwas cholerisch. Von ihm haben Sie das Firmenmotto übernommen: „Die Mitarbeiter zu fairen Bedingungen zum Nutzen der Kunden beschäftigen.“

Mein Vater hat das Unternehmen 1925 gegründet und musste nach dem Krieg, mit Mitte vierzig, neu anfangen. Dann verlor er durch die Währungsreform 1948 die Hälfte der Kunden. Er hat das Geschäft einem Kollegen in Ostberlin geschenkt, dessen Sohn später in den Westen ging und Niederlassungsleiter von Gegenbauer in Ludwigsburg wurde.

Welche Eigenschaften haben Ihren Vater ausgemacht?

Mir hat schon imponiert, dass er auch als 70-Jähriger jedem Veränderungsprozess sehr offen gegenüberstand und sich dabei auch beraten ließ. Die Kunden gut bedienen, die Mitarbeiter vernünftig bezahlen und einfach ein gradliniges Geschäft machen – das hat er immer geschafft.

Sie wollten Sport studieren und sind in der Gebäudereinigung gelandet – warum?

Er hat ein vernünftiges Gespräch mit mir geführt und argumentiert, das Unternehmen sei es ja wohl wert, dass ich zumindest versuche, herauszufinden, ob es mir liegt. Und ich musste nicht in Berlin bleiben, sondern konnte in London das Fensterputzen lernen. Die Ansprache damals hat mich überzeugt; ich konnte dann nicht nein sagen.

War er ein guter Chef?

Ich denke schon. Er hat den Leuten viel Freiraum gelassen und sich auch nicht eingemischt bei der Auswahl der Mitarbeiter. Das ist ganz wichtig: Den eigenen Leuten vertrauen.

Warum konnten Sie Ihre Töchter nicht für das operative Geschäft begeistern?

Das Unternehmen ist heute ein anderes als in den 1970er Jahren. Und heute kann man seinen Kindern noch weniger einen Lebensentwurf vorgeben als damals. Wir haben sie aber schrittweise in eine verantwortliche Eigentümerposition gebracht.

Sie selbst halten noch ein paar Prozent und geben 2019 den Aufsichtsratsvorsitz ab.

So ist der Plan. Der jetzige Vorstandvorsitzende und Miteigentümer Christian Lewandowski wird dann Aufsichtsratsvorsitzender und Christian Kloevekorn neben Fritz-Klaus Lange Vorstandschef.

Wie hat sich die Firma verändert?

Die Entwicklung des Unternehmens hing zusammen mit dem Outsourcen von Dienstleistungen, die wir dann übernommen haben. Fachliche Qualifikation und überhaupt die Qualität der Arbeit ist immer wichtiger geworden. Und mit dem Erwerb der Dortmunder RGM vor zwei Jahren konnten wir uns stärker als technischer Gebäudebetreiber profilieren.

Gegenbauer ist im Wesentlichen auf dem deutschen Markt und in Polen tätig und hat auch wieder im Osten Fuß gefasst. Wie schwierig war das nach der Wende?

Wir haben 1992 den VEB Gebäudereinigung für zehn Millionen D-Mark von der Treuhand übernommen, weil wir überzeugt waren, dass das Geschäft mit den Mitarbeitern und den Kunden auch weiterhin funktionieren müsste. Den Kunden war ziemlich egal, wem die Firma gehörte. Wichtiger war und ist es bis heute, dass der Mitarbeiter bekannt ist und zuverlässig arbeitet. Die wahre Leistung in unserem Geschäft besteht doch darin, zehn Jahre beim Kunden rein- und rauszugehen und immer noch gern gesehen zu sein. Und auf die Bedürfnisse der Kunden einzugehen. Wir entwickeln uns mit den Ansprüchen unserer Kunden.

Wie hat sich dabei der Lohn der Gebäudereiniger im Osten entwickelt?

1992 haben wir einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag für die Innenreinigung abgeschlossen, weil uns klar war, dass es nicht von der Adresse abhängen darf, wie viel jemand verdient. Da es auch schlimme Auswüchse gab, zum Beispiel drei Mark Stundenlohn für eine Reinigungskraft in einem Krankenhaus in Frankfurt (Oder), hat der Arbeitgeberverband der Allgemeinverbindlichkeit zugestimmt, sodass wir in der ganzen Stadt anständige Löhne hatten. Das haben wir mal richtig gut gemacht.

2001 haben Sie die Mehrheit an EnBW/Salamander verkauft und ein paar Jahre später wieder zurückgekauft. Mussten Sie viele Mitarbeiter feuern in all den Jahren?

Es gab mal eine Phase, da haben viele Kunden die Glasreinigung von monatlich auf zwei Mal jährlich umgestellt. Da haben wir versucht, die Mitarbeiter in anderen Tätigkeiten unterzubringen. Das müssen die Leute dann schon mitmachen, wenn die Arbeit nicht mehr das ist, dann ist der alte Arbeitsplatz auch weg. Entlassungswellen hat es aber nicht gegeben.

In diesem Jahr setzt Gegenbauer 700 Millionen Euro um, zum 100. Geburtstag 2025 soll es eine Milliarde sein. Werden Sie künftig von Ihren Töchter noch um Rat gefragt?

Ich hoffe nicht. Aber manchmal kann ein Älterer auch noch helfen. Zum Beispiel beim Thema Arbeitskräfte. In den 1970er Jahren hatten wir mal 400 offene Stellen im Unternehmen, weil wir keine Leute gefunden haben. Heute stehen wieder alle wie die Kuh vorm Tor und überlegen, wie man gute Arbeitskräfte kriegt. Da kann ich mit der Erfahrung aus den 70ern vielleicht ein paar Tipps geben, obwohl ich natürlich auch weiß, dass sich die Zeiten verändert haben.

Die Gebäudereinigung macht nur noch ein Viertel des Geschäfts aus. Wie haben sich die Kundenansprüche verändert?

Die Kunden trauen uns heute Dinge zu, die sie uns vor 30 Jahren nicht zugetraut haben. Wenn wir 1985 eine Anzeige geschaltet hätten, „Gegenbauer sucht Ingenieur“, wäre die wahrscheinlich eher auf der Satireseite veröffentlicht worden. Heute brauchen und haben wir Spezialisten für die Lösung komplexer Probleme unserer Kunden.

Sie haben sich in diversen Ehrenämtern in der Stadt engagiert, sind seit zehn Jahren Hertha-Präsident und waren zwischen 1997 bis 2004 Präsident der IHK. Damals schien die Berliner Wirtschaft im freien Fall zu sein, ein großer Industriebetrieb nach dem anderen machte dicht.

Das lag aber nicht an mir. Die Stimmung war furchtbar, Investitionen waren kaum noch möglich. Es war nur noch von Schulden die Rede, der Senat war getrieben, auch von den Medien, und privatisierte wie verrückt. Wie bei Hühnerhugo: Jeder durfte was in die Suppe tun.

Haben Sie geglaubt, dass sich die Stadt so dynamisch entwickeln würde wie in den vergangenen fünf Jahren?

Nein. Berlin ist mittlerweile tatsächlich ein Selbstläufer, und die Infrastruktur kommt kaum mit. Und was auch nicht mitkommt, ist die völlig unzulängliche Zusammenarbeit der Landesregierungen in Potsdam und Berlin. Das ärgert mich.

Wie wird Berlin regiert?

Sechs Parteien im Abgeordnetenhaus machen es dem Senat nicht einfacher. Regieren kann man nur noch in Dreierkoalitionen oder mit wechselnden Mehrheiten, doch für die meisten Parlamentarier ist diese Option völlig unvorstellbar. Da wünsche ich mir mehr Beweglichkeit, damit Sachthemen vernünftig angepackt werden.

Herr Gegenbauer, Ihr Vater hat den Mitarbeitern testamentarisch einst drei Millionen Mark vermacht. Was steht in Ihrem Testament?

Lassen Sie sich überraschen.

Und wann überrascht uns Hertha mit der Meisterschale?

Mit unserer jungen Mannschaft wollen wir am Ende der Saison auf einem einstelligen Tabellenplatz stehen. Platz eins ist weit weg.

Und der Europapokal?

Wenn unsere Transfers, für die maßgeblich Michael Preetz verantwortlich ist, weiter so gut funktionieren, dann spielen wir sicherlich auch bald mal wieder in Europa.

UNTERNEHMER

Werner Gegenbauer, 1950 in Berlin geboren, lernte in der Firma seines Vaters den Beruf des Gebäudereinigers. Nach Lehrjahren in London und Basel stieg er ins Familienunternehmen ein, dessen Leitung er 1986 übernahm. Die Firma, 1926 gegründet, hat heute fast 18 000 Mitarbeiter, davon rund 6000 in Berlin-Brandenburg.

PRÄSIDENT

Gegenbauer hat sich in diversen Ehrenämtern und in der Jugendhilfe engagiert. Von 1997 bis 2004 war er Präsident der Berliner IHK, seit 2008 führt er, ebenfalls als Präsident, Hertha BSC. Gegenbauer war maßgeblich beteiligt, als die Leichtathletik WM 2009 nach Berlin geholt wurde. Er hat drei Töchter und drei Enkelkinder.

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