Volkswagen vor Gericht: Erste rechtskräftige Urteile im VW-Abgasskandal
VW hat sich dazu entschlossen, gegen erste Gerichtsurteile zugunsten von Diesel-Kunden nicht in Berufung zu gehen - spricht jedoch von "Ausnahmen". Was Kunden nun wissen sollten.
Nachdem Volkswagen im Abgasskandal erstmals darauf verzichtet hat, nach Urteilen zugunsten von Diesel-Kunden in Berufung zu gehen, spricht das Unternehmen von Ausnahmen. "Die Volkswagen AG hat entschieden, gegen die Urteile der Landgerichte Arnsberg und Bayreuth nicht in Berufung zu gehen. Das wird eine Ausnahme bleiben", teilte der Konzern am Freitag mit. Volkswagen gehe davon aus, "dass diese Urteile keinen Einfluss auf andere laufenden Verfahren haben werden".
Die Düsseldorfer Anwaltskanzlei Rogert & Ulbrich hatte am Donnerstagabend mitgeteilt, Volkswagen verzichte darauf, nach drei erstinstanzlichen Urteilen zugunsten geschädigter VW-Kunden in Berufung zu gehen. Zwei Urteile der Landgerichte Arnsberg und Bayreuth sowie ein weiteres des Landgerichts Wuppertal würden somit rechtskräftig. Bislang habe Volkswagen in allen verlorenen Verfahren Berufung eingelegt, es sei daher "eine große Überraschung, dass offenbar ein Strategiewechsel vollzogen wird", erklärte der Rechtsanwalt Tobias Ulbrich.
In Zukunft dürften VW-Kunden im Falle einer Klage gegen Volkswagen "berechtigte Hoffnung haben, dass sie in nur einer Instanz ihre Ansprüche durchsetzen können". Volkswagen hingegen erklärte mit Blick auf die Urteile der Landgerichte Arnsberg und Bayreuth, aus Sicht des Unternehmens seien beide Entscheidungen "rechtsfehlerhaft". Volkswagen sei weiterhin der Auffassung, dass eine Schadenersatzpflicht gegenüber Käufern betroffener Fahrzeuge nicht in Betracht komme. Nur wegen der "Besonderheiten" in den beiden vorliegenden Fällen habe Volkswagen darauf verzichtet, Rechtsmittel einzulegen. Unabhängig davon werde sich das Unternehmen "weiterhin in jedem Einzelfall gegen ungerechtfertigte Kundenklagen verteidigen und - soweit erforderlich - auch auf das Rechtsmittel der Berufung zurückgreifen"
Was sollten betroffene VW-Kunden bedenken?
Wer juristisch gegen den Autobauer vorgehen möchte, muss nach Angaben von Verbraucherschützern schnell aktiv werden, denn für Betroffene des VW-Abgasskandals tickt die Uhr: Nur bis Ende dieses Jahres will der Konzern auf eine Verjährung möglicher Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche verzichten. Nach Einschätzung der Verbraucherzentralen wird allerdings frühestens in drei bis vier Jahren der Bundesgerichtshof (BGH) für endgültige Klarheit sorgen.
Reicht die Umrüstung der betroffenen Fahrzeuge nicht?
Bislang erhielten 1,77 Millionen von 2,4 Millionen betroffenen VW-Autos in Deutschland ein Software-Update. Teilweise wurde ein Kunststoffrohr eingebaut, das den Luftstrom im Motor ändert. Angesichts der Entschädigungszahlungen für VW-Kunden in den USA von 5000 bis 10.000 Dollar kritisieren Verbraucherschützer die Maßnahmen für deutsche Kunden als Schmalspurprogramm. Sie bemängeln, dass VW bislang keine Garantieerklärung zu möglichen Nachteilen bei der Motorleistung und beim Kraftstoffverbrauch, bei der Lebensdauer und dem zukünftigen Wartungsbedarf nach einer Umrüstung abgegeben hat.
Was sagt VW dazu?
Der Konzern hat am Freitag bekräftigt, dass es aus seiner Sicht für Klagen von Kunden keine Rechtsgrundlage gibt und er sich weiterhin "in jedem Einzelfall gegen ungerechtfertigte Kundenklagen verteidigen" will. Alle betroffenen Fahrzeuge seien "technisch sicher und fahrbereit", erklärt das Unternehmen immer wieder. Sie könnten uneingeschränkt im Straßenverkehr genutzt und ohne Restwerteinbußen verkauft werden. Außerdem gibt es jetzt eine Garantie für elf Bauteile. Sie beginnt laut VW an dem Tag, an dem der Diesel in der Werkstatt eine Software-Aktualisierung erhielt oder noch erhält.
Was können VW-Kunden angesichts der noch unklaren Rechtslage tun?
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) rät ihnen zuallererst, sich möglichst noch vor der Umrüstung den Anspruch auf Gewährleistung zu sichern, und stellt dafür auf seiner Website Musterbriefe bereit. Laut Julia Rehberg von der Verbraucherzentrale Hamburg haben Betroffene dann drei Möglichkeiten: Abwarten in dem Bewusstsein, dass die Verjährung verstreichen kann; Einen professionellen Dienstleister beauftragen, der im Erfolgsfall eine Provision erhält; Sich einen Anwalt suchen und klagen.
Lohnt sich eine Klage gegen VW?
Wer als Besitzer eines manipulierten Autos klagt, hat nach Ansicht des Verbraucherschutzexperten Hermann-Josef Tenhagen "gute Chancen". Immer häufiger würden Gerichte zugunsten von VW-Kunden urteilen. Und seit dieser Woche sind die ersten Urteile auch rechtskräftig. Wer keine Rechtsschutzpolice hat und kein Risiko eingehen möchte, kann sich laut Tenhagen zum Beispiel an Rechtsdienstleister wie Myright oder vw-verhandlung.de wenden.
Was machen die Rechtsdienstleister?
Myright strebt eine Art Sammelklage direkt gegen den VW-Konzern an, die im September 2017 starten soll. Wer sich anschließen möchte, kann dies noch bis Ende Juni tun. Die Anwälte von vw-verhandlung.de wollen 150 Einzelklagen bei verschiedenen Gerichten einreichen. (AFP)
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