Lebensversicherungen: Ergo und Generali wollen zehn Millionen Verträge loswerden
Der Versicherungsverband verspricht: Garantien und Überschüsse bleiben erhalten. Verbraucherschützer warnen derweil vor Verunsicherung.
Sie ist die Lieblingsaltersvorsorge der Deutschen. 85 Millionen Lebensversicherungen hat die Versicherungsbranche verkauft. Statistisch gesehen hat jeder Bundesbürger mindestens einen Vertrag, Babys eingerechnet. Doch nun müssen sich zehn Millionen Kunden mit dem Gedanken anfreunden, dass sich ihre Versicherer von ihnen trennen wollen. Die Ergo will sechs Millionen Policen, die einst unter den Marken Hamburg-Mannheimer und Victoria verkauft worden sind, loswerden, die Generali vier Millionen Verträge.
Versicherer wollen Verträge loswerden
Der Grund: Für die Versicherungsgesellschaften lohnt sich das Geschäft in den nicht enden wollenden Niedrigzinszeiten nicht mehr. Viele der Verträge stammen aus Zeiten, in denen die Gesellschaften hohe Garantiezinsen von 3,25 bis vier Prozent für die gesamte Laufzeit der Verträge versprochen haben. Sichere festverzinsliche Wertpapiere werfen solche Renditen heute aber nicht mehr ab. Hinzu kommen neue Aufsichtsregeln, die für Garantien ein hohes Eigenkapital der Versicherer als Sicherheit vorschreiben. Aus dem Dilemma haben Ergo und Generali schon vor einiger Zeit die erste Konsequenz gezogen und auf neue Abschlüsse verzichtet. Nun gehen beide einen Schritt weiter und wollen sich von den Altbeständen trennen.
"Kein Grund zur Panik", sagt der Versicherungsverband
„Für die Kunden gibt es keinen Grund zur Panik“, heißt es beim Versicherungsverband GDV. Selbst bei einem Verkauf an Dritte würden die Verträge immer bei einer deutschen Lebensversicherung bleiben, betont Peter Schwark, Mitglied der Geschäftsführung. „Es gelten weiterhin das deutsche Aufsichtsrecht und die engen gesetzlichen Spielregeln für die Überschussbeteiligungen der Kunden.“ Die Garantien und die den Verträgen bereits zugeschriebenen Überschussbeteiligungen müssten weiter gezahlt werden, die Bewertungsreserven und Kapitalanlagen gingen auf den Erwerber über, und auch für die Zukunft könnten die Käufer nicht nach Belieben Überschussbeteiligungen einschränken. 90 Prozent der Kapitalerträge und Risikogewinne müssten per Gesetz den Kunden zugeschrieben werden, zudem würde die Finanzaufsicht Bafin sehr genau prüfen, ob die Erwerber zuverlässig und finanziell so gut aufgestellt sind, dass die Verträge bei ihnen sicher sind. Im Gegenteil: Möglicherweise wären die Vertragsnehmer nach dem Wechsel sogar besser gestellt. „Die Erwerber sind auf solche Übernahmen spezialisiert und führen große Bestände zusammen. Das verringert die Kosten. Davon könnten auch die Kunden profitieren“, meint Schwark.
Wer die Käufer sind
Kleinere Versicherer haben sich in der Vergangenheit bereits von ihren Beständen getrennt. Die Arag und die Basler Leben haben ihr Lebensversicherungsgeschäft an die „Frankfurter Leben“ verkauft, die vom chinesischen Investor Fosun und der BHF-Bank gegründet worden ist. Viridium, von der Hannover Rück und dem britischen Finanzinvestor Cinven ins Leben gerufen, hat die Heidelberger Leben und die Scandia Leben übernommen, der US-Aufkäufer Athene hat sich Delta Lloyd einverleibt. Auch für die 40 Milliarden Euro schweren Verträge der Generali gibt es Interesse, sagt Deutschland-Chef Giovanni Liverani. Generali erhofft sich Einnahmen von 900 Millionen Euro für das Portfolio. Für die Ergo interessieren sich angeblich chinesische Investoren, US-Hedgefonds und britische Anleger. Experten schätzen den Kaufpreis hier auf über eine Milliarde Euro.
Verbraucherzentralen: Kunden sind verunsichert
Noch hält die Suche nach einem Käufer an. Die Bafin hat bereits eine strenge Prüfung angekündigt. Dennoch sehen Verbraucherschützer die neue Entwicklung am Versicherungsmarkt skeptisch. Der Bund der Versicherten warnt vor möglichen Renditekürzungen, die Verbraucherzentralen signalisieren Wachsamkeit. „Obwohl die Lebensversicherung schon immer ein kritisches Produkt war, haben sehr viele Bürger entsprechende Verträge für ihre Altersvorsorge abgeschlossen“, sagte Klaus Müller, Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (VZBV), dem Tagesspiegel. „Wenn jetzt die Konzerne damit beginnen, die Verträge zu veräußern, schafft das Unsicherheit. Die Verbraucherzentralen und der Finanzmarktwächter werden das ganz intensiv beobachten.“
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