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Berliner Cluster, Teil 5: Energietechnik - Grünes Gold

Eine Region voller Energie: Der Masterplan Energietechnik sieht Berlin-Brandenburg als ein Modellgebiet für den Erfolg der Energiewende.

Koreaner und Japaner waren schon da und letzte Woche kam eine Delegation aus Weißrussland. Es gibt etwas zu sehen in der Uckermark: das weltweit erste Hybridkraftwerk. Das interessiert die Welt, aber vor allem auch die deutsche Politik in diesen Zeiten einer extrem holprigen Energiewende. Denn das Hybridkraftwerk verwandelt Windstrom in Wasserstoff, der sich, anders als Strom, gut speichern lässt. „So werden Erneuerbare Energien 100 Prozent flexibel einsetzbar und stehen dann zur Verfügung, wenn sie gebraucht werden“, wirbt der Kraftwerksbetreiber Enertrag für seine Anlage, bei deren Grundsteinlegung im April 2009 auch die Bundeskanzlerin zugegen war.

Brandenburg steht in der Windenergienutzung deutschlandweit mit 4601 Megawatt (MW) installierter Leistung an zweiter Stelle, in Berlin erzeugt der Wind gerade mal zwei MW. Für 21 Millionen Euro hat die Prenzlauer Firma Enertrag mit diversen Partnern das Hybridkraftwerk gebaut – dazu gehören drei Windmühlen, eine Biogas- und eine Hybridanlage mit Elektrolyse und Kompressoren. Bund, Land und EU sind mit vier Millionen Euro Fördermitteln dabei, aus der privaten Wirtschaft machen die Deutsche Bahn, Vattenfall und Total mit, aus der Wissenschaft die BTU Cottbus. Das Kraftwerk ist in der Lage, 2000 Haushalte mit Wärme sowie 150 wasserstoffgetriebene Autos zu versorgen. Vom „grünen Gold aus der Uckermark“ ist bei Enertrag die Rede.

„Durch die Umwandlung von erneuerbarem Strom in Wasserstoff mittels Elektrolyse und die Einspeisung von Wasserstoff (beziehungsweise Methan) in das Gasnetz kann einerseits das Stromnetz entlastet und andererseits die netzbedingte Abschaltung von erneuerbare- Energien-Anlagen verhindert werden“, heißt es im Masterplan Energietechnik. Und auch deshalb „hat Berlin-Brandenburg das Potenzial, zur Modellregion der Energiewende zu werden“.

Der gerade fertiggestellte Masterplan wird am 7. November auf einer Clusterkonferenz in Potsdam diskutiert und verabschiedet. Die Federführung bei der Ausarbeitung hatte Clustermanager Dietmar Laß von der Zukunftsagentur Brandenburg (ZAB). Auf Grundlage des Masterplans, der 100 Seiten Bestandsanalyse mit Stärken-Schwächen-Profilen und Handlungsempfehlungen für die fünf Handlungsfelder (siehe Kasten) liefert, wird nun in den kommenden Jahren die Energietechnik gefördert.

„Wir bringen die relevanten Akteure zusammen und schaffen eine Plattform für Interaktion“, sagt Reinhard F. J. Hüttl. Der Leiter des Geoforschungszentrums Potsdam – Mitglied in diversen wissenschaftlichen Akademien, Kopräsident von Acatec sowie Mitglied der Kommission der Bundesregierung für eine sichere Energieversorgung – fungiert als Clustersprecher und ist damit sozusagen das Gesicht der ganzen Veranstaltung. Hüttl saß auch in der Jury der Bundesregierung für Spitzencluster und ist überzeugt, dass „die Clusterorientierung der richtige Weg ist, um regionale Entwicklungen zu fördern“. Dazu werden Schwerpunkte definiert, auf Handlungsfeldkonferenzen Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik zusammengebracht und wird überhaupt mehr oder weniger ständig überprüft, ob die Orientierung noch stimmt.

Er „reflektiere die aktuelle Situation“, beschreibt Hüttl seine Funktion als Clustersprecher, und bringe dafür als viel reisender Wissenschaftler die globale Perspektive mit. Kürzlich etwa sei er in Japan gewesen, wo Toyota sich stärker auf Wasserstoff konzentriere; daraus könnte ein Trend werden. Die Vorteile der Region Berlin-Brandenburg liegen für Hüttl im Zusammenspiel von Metropole und Umland: Das Flächenland als Energielieferant, sehr stark beim Ausbau Erneuerbarer (neben Wind vor allem Bioenergie) und Berlin als Verbrauchszentrum mit der Chance neue, verbrauchsnahe Technologien auszuprobieren. Die Nachteile der Region sieht Hüttl in der mangelhaften Beratungskompetenz öffentlicher Verwaltungen sowie in der Industrieausstattung: Da hier nur wenige große Unternehmen ansässig sind, gibt es auch wenige Einrichtungen für Forschung und Entwicklung.

In der Aufschwungphase der Erneuerbaren, wo die Stromerzeugung unabhängig von der Nachfrage erfolgt, kommt der Übertragung, Speicherung und Verteilung von Energie „eine große Bedeutung zur effizienten Gestaltung des Energiesystems zu“, heißt es im Masterplan. Dazu gehört eine möglichst hohe Effizienz beziehungsweise ein möglichst geringer Verlust im Energiesystem zwischen Erzeugung und Verbrauch. Da ist in Berlin mit einer Rate von 58 Prozent noch Luft nach oben. Das ist zwar deutlich besser als in den USA, wo es zum Beispiel wegen schlechter Leitungen häufig einen Verlust von 70 Prozent gibt. Weit vorn liegt aber Helsinki mit einer Effizienzrate von 78 Prozent – nur 22 Prozent der Energie bleibt bei den Finnen auf der Strecke.

Die Voraussetzungen, Berlin zu einer Modellregion für die Energiewende zu machen, sind nicht schlecht. In Brandenburg werden bereits heute 45 Prozent des Stromverbrauchs durch Erneuerbare gedeckt, bis 2020 wird das Land seinen Verbrauch jedenfalls rechnerisch zu 100 Prozent aus Erneuerbaren decken können. Und Berlin hat viel Energietechnik zu bieten, allein Siemens baut hier Schaltwerke, Dynamos, Gasturbinen und Messgeräte. Und bei Turbomaschinenherstellern hat die Region europaweit die höchste Dichte.

In Brandenburg konzentriert sich die BTU Cottbus auf die Biomasseforschung (Pellets, Holzkraftwerke, Algen), in Berlin befasst sich die Forschung schwerpunktmäßig mit Verfahrens- und Umwandlungstechnik. Im Zusammenspiel mit Firmen und Fördergeldgebern könnte dann in ein paar Jahren die Vision von Clustermanager Dietmar Laß Realität werden: „Denke ich an Berlin-Brandenburg, dann denke ich an Energie.“

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