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Der amerikanische Schieferboom ist auch deshalb möglich geworden, weil für die unkonventionellen Gasförderer eine Reihe wichtiger Umweltgesetze außer Kraft gesetzt worden sind. Doch auch in den USA nimmt der Widerstand gegen das umstrittene Fracking zu.
© Reuters

Klimaschutz: Energieagentur: Schiefergasboom in den USA vor dem Ende

Um die globale Erwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, schlägt die Internationale Energieagentur vor, Energie zu sparen, Kohlekraftwerke zu reglementieren, Subventionen abzubauen, und Methan bei der Förderung einzufangen.

Die Zeit des billigen Schiefergases in den USA neigt sich ihrem Ende zu. Das sagt Fatih Birol, Chefvolkswirt der Internationalen Energieagentur (IEA), der vor einem guten Jahr noch das „goldene Zeitalter des Gases“ ausgerufen hatte. Nachdem der Preis pro Kubikmeter Gas im vergangenen Jahr in den USA auf 2,80 Dollar gefallen war, liegt er in diesem Jahr bereits bei 4,60 Dollar. Sobald er fünf Dollar erreicht, da ist sich Birol ziemlich sicher, schlägt Kohle das Schiefergas in den Wirtschaftlichkeitsberechnungen wieder, und die Investitionen werden von der Gasförderung weg wieder in Richtung Kohle umgeleitet.
Das sagt Birol, obwohl die amerikanische Energiebehörde (EIA) erst am Vortag einen sehr optimistischen Bericht über die weltweiten technisch nutzbaren Schieferöl- und Schiefergasreserven veröffentlicht hat. Daraus geht hervor, dass die Schieferölvorräte, würden sie alle mit dem umstrittenen Frackingverfahren gefördert, den weltweiten Ölverbrauch rund zehn Jahre decken könnten. Rund ein Drittel der Weltgasreserven liegen demnach in kleinen Bläschen eingeschlossen in Gestein.
Doch der Fracking-Boom in den USA geht dem Ende zu. Die relativ preiswert förderbaren Reserven sind nahezu ausgefördert. Neue Quellen anzuzapfen wird deutlich teurer, und unterbleibt, wenn der Preis nicht steigt, analysierte Birol am Dienstagmorgen im Wirtschaftsministerium in Berlin. Das Schiefergas sei in den USA vor allem für die Stromproduktion eingesetzt worden, sagt Birol. Doch steigen die Preise wieder, sei damit zu rechnen, dass das Gas schnell wieder durch Kohle ersetzt würde. Die aktuell relativ positive amerikanische Klimabilanz – die Treibhausgasemissionsn sind auf das Niveau Mitte der 1990er Jahre gesunken – könnte dann sehr schnell wieder negativ ausfallen. „Der Einsatz des Gases ist nicht aus Klimaschutzgründen erfolgt sondern lediglich aus Kostengründen“, sagt Birol. Gleichzeitig habe das billige Gas in den USA den Weltkohlepreis gesenkt, weshalb nicht nur in Deutschland sondern auch in Großbritannien 2012 die Kohlendioxid-Emissionen erstmals seit Jahren wieder gestiegen sind. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) ist vor wenigen Tagen in seiner Stellungnahme zum Fracking zu ganz ähnlichen Ergebnissen gekommen.
Aktuell sei die Welt auf dem Weg in eine um 5,3 Grad wärmere Welt im Vergleich zum Beginn der Industrialisierung. Wenn das bereits beschlossene Zwei-Grad-Ziel noch erreicht werden solle, müsse schnell gehandelt werden, sagt Birol. Die IEA schlägt deshalb vor, mehr in Energieeffizienz zu investieren, Standards für den CO2-Ausstoß von Kohlekraftwerken zu setzen, das bei der Öl- und Gasförderung in die Atmosphäre gepustete Methan aufzufangen, und die Subventionen für nicht erneuerbare Energien abzubauen.

Würden die technisch verfügbaren Vorräte an Öl, Gas und Kohle alle verbraucht, läge der CO2-Ausstoß bis 2050 bei rund 1800 Gigatonnen. Um innerhalb des Zwei-Grad-Ziels zu bleiben, dürften es aber nicht mehr als rund 360 Gigatonnen sein. Selbst von den bereits heute ausgebeuteten Öl- und Gasquellen sowie den bereits entwickelten Kohlemienen müssten mehr als die Hälfte der Vorräte in der Erde bleiben, um innerhalb von zwei Grad Erwärmung zu bleiben. Neue Investitionen in Gas, Öl oder Kohle wären absehbar „verlorene Investitionen“, sagt Fatih Birol.

Birol gehört seit einigen Jahren zu den überzeugendsten Warnern vor dem Klimawandel. Der Stern-Report des britischen Ökonomen Nikolas Stern hat Birol davon überzeugt, dass es klüger und industriefreundlicher ist, die Dekarbonisierung der Wirtschaft schneller voranzutreiben und nicht zu warten, bis es gar nicht mehr anders geht. Mit dem aktuellen Report "Redrawing the Energy-Climate-Map" will Birol wirtschaftsverträgliche Vorschläge machen, wie eine Rückkehr auf einen mit dem Zwei-Grad-Ziel vereinbaren Kurs möglich werden soll. Dabei orientieren sich die IEA-Vorschläge daran, ob sie schnelle Emissionsminderungen bringen, mit bereits erprobten Technologien umsetzbar sind, dem Wirtschaftswachstum nicht schaden und zusätzlichen Nutzen bringen, beispielsweise die lokale Luftverschmutzung reduzieren helfen. Wichtig ist Birol vor allem eine Botschaft: "Die Tür ist noch nicht geschlossen." Es ist noch möglich, das Zwei-Grad-Ziel einzuhalten, aber die Welt dürfe nicht warten, bis im besten Fall 2015 ein neues globales Klimaabkommen ausgehandelt sei.

Dagmar Dehmer

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