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Insolvenz: Endgültig Schluss bei Schlecker

An diesem Mittwoch öffnen die verbliebenen Filialen der insolventen Drogeriekette Schlecker zum letzten Mal. Impressionen aus Berlin - kurz vor dem Ladenschluss.

Als es an die Einrichtung geht, hat auch die Geduld der Schlecker-Frauen ein Ende. Eine Kundin in der Filiale an der Prenzlauer Allee nimmt eine leere Plastikhalterung für Kosmetik aus dem Regal. „Kann ich das auch mitnehmen?“, fragt sie die Kassiererin. „Das gehört doch dem Unternehmen!“, sagt die Verkäuferin empört, die seit dem frühen Morgen die Schnäppchenjäger freundlich bedient. „Ach, das wird doch bestimmt weggeschmissen“, erwidert die Kundin. „Die Einrichtung ist doch nur geliehen“, wehrt die Verkäuferin ab.

„Alles für 20 Cent“, prangt draußen am Laden. Alles, das sind Fliegenklatschen, Windeln, Bücher, Streusalz, Lesebrillen, Milchpulver, Kerzen und Haarfarbe. Mehr ist nicht mehr übrig von Schlecker. Seit der Verkauf der insolventen Kette Anfang Juni gescheitert war, läuft in bundesweit 2800 Filialen – davon 96 in Berlin – der Ausverkauf.

Bildergalerie: Die Schlecker-Insolvenz - Eine Chronik

Der hintere Teil des Ladens an der Prenzlauer Allee ist schon abgesperrt, das Neonlicht bestrahlt nur noch die leeren grauen Regale. Drei Mitarbeiterinnen organisieren hier das Ende der Drogeriekette – mehr, als zu regulären Zeiten im Laden waren. Alle paar Minuten kommen Kunden, manche gucken nur und drehen sofort wieder um, andere wühlen in den letzten Sachen. „Wir haben uns immer so bemüht, den Laden in Ordnung zu halten“, sagt eine Verkäuferin. Jetzt würden Packungen aufgerissen, Waren irgendwo ins Regal geworfen. „Manchen fehlt einfach das Menschliche.“

„Was kommt denn jetzt hier in den Laden?“, will eine Kundin wissen, die einen Stapel Kerzen aufs Band legt. Die Frauen haben keine Antwort. Sie legt noch ein Haar-Accessoire dazu. „Ich wusste gar nicht, dass es das hier gibt“, sagt sie erfreut. „Wären Sie mal früher gekommen“, sagt die Verkäuferin, und es klingt ein bisschen bitter. Einen Kassenbon gibt es nicht mehr, die Rolle ist leer. „Alles Gute“, wünscht die Kundin beim Rausgehen.

Die Schlecker-Frauen waren bis zuletzt engagiert

Engagiert sind die Frauen bis zuletzt. An der Kasse liegen noch entwickelte Fotos, die nicht abgeholt wurden. „Die Kunden habe ich alle angeschrieben“, sagt die Verkäuferin. Keine aus ihrer Mannschaft habe krankgefeiert in den letzten Wochen, als klar war, dass bei Schlecker nichts mehr zu retten ist. „Wir machen das hier ordentlich zu Ende“, sagt sie. Seit mehr als 20 Jahren ist die Verkäuferin bei der Drogeriekette. „Das ist wie das Ende einer Ehe.“ Dennoch sei Schlecker ein guter Arbeitgeber gewesen, habe vernünftig gezahlt, Urlaubs- und Weihnachtsgeld, einen Bonus zum Betriebsjubiläum. Geahnt hat sie nichts von der Insolvenz, es seien immer genügend Kunden da gewesen. Wer hat Schuld an der Misere? „Die ist hausgemacht“, sagt sie. Dass die Familie Schlecker kaum noch Geld hat, glaubt die Verkäuferin nicht. „Die haben doch schon vorher ihre Schäfchen ins Trockene gebracht!“

Wie es nun weitergeht, wissen die Frauen nicht. Die Kündigung haben sie noch nicht bekommen, es gibt Gerüchte, dass sie noch bis Ende Juli angestellt bleiben sollen. „Im Jobcenter habe ich schon angerufen, die waren sehr freundlich“, sagt eine Verkäuferin. Die Drogeriekette Müller könnte sie sich als neuen Arbeitgeber vorstellen, „der hat schöne Läden“, oder dm. Was sie von Ursula von der Leyens Vorschlag hält, umzuschulen zur Erzieherin oder Altenpflegerin? „Das ist doch Blödsinn“, ruft sie. „Nach 20 Jahren im Drogeriemarkt ist auch unser Rücken kaputt.“ Ihre Chancen, in der Branche etwas Neues zu finden, schätzt sie gering ein. „Die wissen eben nicht, dass wir zauberhaft sind und arbeiten können“, sagt die Kassiererin und lacht. Tränen gibt es an diesem letzten Tag keine. „Aber“, versichern die Frauen, „uns blutet das Herz.“

„Das tut schon weh"

Eine Verkäuferin aus Kreuzberg macht nun schon den zweiten Laden zu. Früher war sie bei der Drogeriekette kd an der Ritterstraße, 2004 übernahm Schlecker den Markt. „Dann ging’s los mit den Schikanen“, sagt sie. Aus fünf Mitarbeiterinnen wurden drei Teilzeitkräfte, sodass sie meist allein im Laden stand. Und dann habe Schlecker sie zwingen wollen, ihre Stundenzahl zu reduzieren. „Als ich mich weigerte, kamen die Abmahnungen“, berichtet die 57-Jährige. Traurig ist sie nicht über die Pleite. „Aber ich habe meine Brötchen hier verdient, und Schlecker hat Tarif gezahlt.“ Dass sie in der Branche einen Job findet, glaubt sie nicht. „Bei dm sitzen doch nur junge Leute.“ Vielleicht wird sie sich bei einem Callcenter bewerben. Doch auch das Bewerben müsse sie erst wieder lernen.

In der Filiale ein paar hundert Meter weiter sind die Regale schon abgebaut. Eine große Mülltüte voller Zigarettenschachteln steht am Eingang, sie sind das Einzige, was nicht verscherbelt wird, sondern an den Hersteller zurückgeht. Auch hier sind die Fliegenklatschen noch übrig, ein bisschen Haftcreme für Zähne, Milchpulver für Babys. Dafür stehen Blumensträuße im Laden. „Die haben die Stammkunden vorbeigebracht“, sagt die Kassiererin, die das Geschäft vor zehn Jahren aufgemacht hat. „Nach der ersten Schließungswelle hatte ich noch Hoffnung, dass es weitergeht“, sagt die 51-Jährige. Verzweifelt ist sie nicht. „Es gibt ein Leben nach Schlecker.“

An der Prenzlauer Allee ist fast nichts mehr da, nachdem zwei Frauen stapelweise Haarfärbemittel und Windeln abtransportiert haben, ganze 15 Tüten. Je zehn Cent für die Tüte, je 20 Cent für die Ware. „Das tut schon weh zu sehn, für welchen Preis wir hier die Sachen verschleudern“, sagt die Verkäuferin. Wahrscheinlich werden sie am heutigen Mittwoch nicht mehr aufsperren, obwohl offiziell bis 15 Uhr geöffnet sein soll. Was wohl übrig bleiben wird? „Die Fliegenklatschen, glaube ich“, sagt sie. Ihre Kollegin fegt noch einmal durch den Laden. „Wir sind froh, wenn es vorbei ist“, sagt sie müde.

Jahel Mielke

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