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Diskutieren für die Zukunft: die Schwedin Greta Thunberg (M.) und die deutsche Klimaschutzaktivistin Luisa Neubauer (r.).
© CRISTINA QUICLER / AFP

Weltklimakonferenz in Madrid: Einigung, aber nicht um jeden Preis

Zur Halbzeit der Weltklimakonferenz gibt es für die Teilnehmer noch Probleme auszuräumen. Umweltstaatssekretär Flasbarth warnt vor überhöhten Erwartungen.

In der Linie 8 der Metro in Madrid stehen die Menschen am frühen Montagmorgen dicht gedrängt. Die meisten wollen zum Messegelände der spanischen Hauptstadt, das nahe beim Flughafen liegt, wohin die Weltklimakonferenz kurzfristig verlegt wurde.

Wenn man sich im U-Bahn-Wagen ohnehin räumlich so nahe steht, kann man sich auch über den neuesten Stand der Verhandlungen austauschen. „Die Industriestaaten blockieren, auch die Europäische Union“, schimpft ein Mann aus Ruanda auf Englisch, er ist Teil des Delegationsteams seines Landes.

Es geht um den umstrittenen Artikel sechs und die Frage, wie Staaten untereinander ihre Emissionen verrechnen können. Ruanda möchte etwa, dass Gebühren, die bei solchen Transaktionen fällig werden, gleich in denjenigen Anpassungsfonds wandern, der Entwicklungsländern hilft. Viele Teilnehmer der Weltklimakonferenz in der Metro würden die Bremser sicher woanders verorten, in Indien oder Brasilien etwa. Doch in der Metro schweigen sie lieber, die Verhandlungen beginnen offiziell ja erst um zehn Uhr.

Es ist Halbzeit auf der Weltklimakonferenz, aber es gibt noch jede Menge Knackpunkte auszuräumen. Die Regeln, wie Staaten Emissionen handeln dürfen, müssen „wasserdicht“ sein, sagt Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth am Vormittag im Rahmen eines Pressegesprächs, das im Pavillon der deutschen Delegation stattfindet. Klar müsse sein, dass es Doppelzählungen von Emissionsminderungen nicht geben dürfe.

Diskussionen um CO2-Handel

Auch dürften nur zusätzliche Emissionen durch den bilateralen CO2-Handel zwischen zwei Staaten eingespart werden. Sonst könnten vor allem die Industriestaaten versuchen, ihre Klimaverpflichtungen bis 2030 im Ausland abzustottern und Anstrengungen zu Hause zu vernachlässigen.

Klar wolle man eine Einigung auf dieser Konferenz, sagt Flasbarth. „Aber nicht um jeden Preis.“ So will der deutsche Umweltstaatssekretär vielleicht der Enttäuschung vorbeugen, falls es am Ende der Woche kein finales Dokument gibt. Ihm geht es auch um die Jugendlichen, die auf dieser Konferenz erneut für mehr Klimaschutz protestieren. „Es ist gut und richtig, dass die Jugendlichen so viel Druck machen“, sagt Flasbarth. Aber es sei doch eben auch eine gewisse Schrittfolge vorgesehen, wie die beschlossenen Klimaziele jetzt umgesetzt würden. Das müssten die Jugendlichen auch sehen.

Indigene und westliche Klimaaktivisten protestieren während der Weltklimakonferenz vor der Repsol-Konzernzentrale.
Indigene und westliche Klimaaktivisten protestieren während der Weltklimakonferenz vor der Repsol-Konzernzentrale.
© Clara Margais/dpa

Acht Vertreter der Jugend haben sich unweit des deutschen Pavillons schon auf eine Bühne begeben. Auch die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg ist dabei, deshalb ist die Schlange vor dem Presseraum schon vor Beginn der Veranstaltung viele Meter lang. Doch Greta überrascht die Zuhörer.

„Es sind nicht unsere Geschichten, die erzählt werden müssen, es sind die Menschen von indigenen Völkern, die ihre Geschichten erzählen müssen“, sagt Thunberg und gibt ihr Mikro ab. Und dann erzählen ihre jungen Mitstreiter aus aller Welt. „Ich kann mich noch an das reiche Leben im Meer erinnern, aber nicht an das Meer. Mein Spielplatz ist vom Klimawandel stark betroffen“, erklärt Carlon Zackhras von den Marschallinseln.

„Vor einem Jahr wusste ich nichts über die Klimakrise, jetzt verbringe ich meine ganze Zeit damit, sie zu bekämpfen. Ich wurde dafür verhaftet, aber es spielt keine Rolle“, sagt Arshak Makichyan aus Russland. Sie appellieren auch an die Umweltminister, die ab heute sprechen werden.

Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) tritt vor dem Umweltminister aus Uganda auf, nach ihr wird der Minister aus Thailand reden. Neue, höhere Klimaziele werden sie alle aber wohl nicht versprechen. Das Thema steht erst im nächsten Jahr an. Spätestens neun Monate vor der Klimakonferenz in Glasgow 2020 müssen die Staaten neue Ziele verkünden.

Viele Beobachter der Zivilgesellschaft konnten nicht anreisen – vor allem aus ärmeren Staaten

Da die Klimakonferenz so kurzfristig von der chilenischen Hauptstadt Santiago de Chile nach Madrid verlegt worden ist, sind viele Delegationen in abgespeckter Form angereist. Besonders geschrumpft sind die Teams der Nichtregierungsorganisationen. „Viele Beobachter der Zivilgesellschaft konnten nicht anreisen, ihren Organisationen fehlt schlicht das Geld, einen weiteren Flug und ein weiteres Hotelzimmer zu buchen“, sagt Sabine Minninger, Klimaexpertin bei Brot für die Welt.

Betroffen seien vor allem Beobachter der Zivilgesellschaft aus ärmeren Staaten, sagt Minninger. Ihre Stimmen sind auf dieser Weltklimakonferenz zwar zu hören, das sei wichtig. „Jede Stimme wird gebraucht“, sagt Minninger.

Die spanische Regierung erntet trotzdem viel Lob dafür, dass sie es binnen eines Monats geschafft hat, die Weltklimakonferenz mit rund 26 000 Teilnehmern auf die Beine zu stellen. Das Programm findet im üblichem Umfang in den zahlreichen Länderpavillons statt. Die Pavillons sind meist aus Holz und konnten deshalb schnell aufgebaut werden.

„Hinter uns liegt ein echter Organisationsmarathon, ich bin so froh, dass wir es geschafft haben“, sagt die spanische Umweltministerin Teresa Ribera dem Tagesspiegel. „Damit es mit dem internationalen Klimaschutz vorwärtsgeht, hätten wir es uns schlicht nicht erlauben können, dass die Konferenz später stattfindet.“ Man habe nun aber gezeigt, dass es gehe.

„Das hat auch der internationalen Staatengemeinschaft neue Motivation für Klimaschutz gegeben.“ Ob denn diese Konferenz zum Ende der Woche alle offenen Punkte gelöst haben kann? „Ich hoffe es“, sagt Ribera.

Der Verhandler aus Ruanda war am Morgen eher skeptisch, was den erfolgreichen Abschluss der Konferenz angeht: „Ich glaube nicht, dass wir es schaffen, die Staaten sind in ihren Positionen ziemlich eingefahren.“ Das mache aber nichts, sagt er beim Aussteigen. Dann verhandle man eben im nächsten Jahr weiter.

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