Linda: Eine unsterbliche Kartoffel
Die überraschende Rückkehr der Sorte „Linda“ zeigt, wie schwach die EU manchmal sein kann
Berlin - Diese Knolle ist mehr als ein Nahrungsmittel, sie setzt Emotionen frei. Als der Lüneburger Züchterkonzern Europlant vor fünf Jahren ankündigte, seine Kartoffelsorte „Linda“ vom Markt zu nehmen, wurde der damalige „Tagesthemen“-Moderator Uli Wickert vor laufender Kamera richtig persönlich: „Jahrelang habe ich diese festkochende, schön gelbe und gut schmeckende Kartoffel gekauft“, jammerte er. Ihr Verschwinden sei ein Skandal. Zwei Jahre später dann zog der Rechteinhaber Europlant seine Linda wirklich vom Markt.
Jetzt dürfen Wickert und tausende andere Linda-Freunde wieder hoffen. Linda soll wiederkommen. Zu verdanken haben sie diesen Umstand Karsten Ellenberg. Der Biobauer aus dem niedersächsischen Barum, Gründer des „Freundeskreises Rettet Linda“, meldete die Sorte 2005 beim Bundessortenamt in Hannover zur Neuzulassung an. Als die Behörde nach zwei Jahren noch nicht entschieden hatte, packte er ein paar Pflänzchen ein, flog nach England, zog Kartoffelproben und beantragte beim britischen Sortenschutzamt die Zulassung. Die britischen Prüfer waren schneller als die deutschen: Sie ließen die Sorte vergangene Woche zu, die nun als Importkartoffel auch auf deutschen Böden wieder gepflanzt werden darf. Ellenberg ist „stolz auf Europa“, sagte er am Freitag.
Abzuwarten ist nur noch die offizielle Vorstellung der in Großbritannien zugelassenen Kartoffelsorte, die Anfang kommender Woche stattfinden soll. „Wenn die Sorte in England zugelassen ist, wird sie der Kommission in Brüssel gemeldet und in den europäischen Katalog aufgenommen. Das hat zur Folge, dass sie EU-weit vertrieben werden darf“, bestätigte Uta Schnock vom Bundessortenamt. Was viele Verbraucher nicht wissen: Ein Landwirt darf nicht anbauen, was er will. Jede Frucht, jedes Gemüse muss genehmigt werden. 900 Neuanträge auf Zulassung gehen jedes Jahr beim Bundessortenamt ein. 200 Sorten Kartoffeln sind derzeit genehmigt. Wer eine nicht registrierte Sorte vertreibt, verstößt gegen das Saatgutverkehrsgesetz. Dieses soll gewährleisten, dass nur hochwertige und gegen Schädlinge resistente Pflanzen angebaut werden.
Doch welchen Wert hat das Gesetz, wenn jeder Freund exotischer Pflanzen nur ein Sortenamt in einem der 27 EU-Staaten überzeugen muss, um seine Sorte in ganz Europa verkaufen und anbauen zu dürfen? Genau das ist bei Linda geschehen. Das sei die Befreiung der Bauern aus der Knechtschaft der Zuchtkonzerne, argumentiert etwa die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. Die Regelung fördert buchstäblich den Wildwuchs auf den Feldern, sagen die Kritiker. „Das Problem ist erkannt“, sagt der SPD-Bundestagsabgeordnete Matthias Miersch, der als Anwalt auch die Linda-Bauern gegen Europlant vertreten hat: Das Sortenschutzgesetz müsse harmonisiert werden, sagt er.
Der Fall Linda elektrisiert die Kartoffelbranche und dürfte auch die Gespräche auf der Fachmesse „Potato Europe 2009“ bestimmen, die übernächste Woche in den Niederlanden stattfindet. Der Züchter Europlant, der 30 Jahre die Rechte an Linda hielt, bleibt da gelassen. Er glaubt nicht mehr an die Renaissance dieser Knolle: „Der Markt hat entschieden“, sagt Geschäftsführer Jörg Renatus und verweist auf den Erfolg der Nachfolgerin: „Belana ist jetzt mit 200 000 Tonnen die am meisten verkaufte Salatkartoffel.“
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