Fitness-Trend Crossfit: Ein wirklich hartes Geschäft
Immer mehr Fitnessstudios arbeiten nach dem Crossfit-Konzept. Der Erfinder verdient gut an Lizenzgebühren für das Ultra-Zirkeltraining. Hierzulande gibt es inzwischen 90 Studios.
„Ekelhaft“, stöhnt Leo Löhr. Er meint sein Workout. Der muskulöse Mittdreißiger lehnt keuchend an der schwarzen Wand seines Fitness-Studios „Myleo“, verschwitzt wie nach einem Marathon. Hier fliegen die Hantelstangen, Traktorreifen werden gestemmt und Sprints bis zum Erbrechen gemacht. „Du musst die Bereitschaft mitbringen, dich zu quälen“, sagt Löhr, „nur dann wirst du hier Erfolg haben.“
Crossfit heißt der Sport, bei dem Löhr und seine Kunden sich auspowern, entstanden in den 1990ern in Kalifornien. Der ehemalige Turner Greg Glassman – so will es die Legende – war des Angebots der Fitness-Industrie überdrüssig, also schuf er ein Ultra-Zirkeltraining: Er kombinierte Turn- und Ausdauer-Übungen mit Kraftsport. Olympisches Gewichtheben, funktionale Übungen wie Klimmzüge und Strongman-Übungen mit zentnerschweren Betonkugeln. Intensiv wurde das Training allerdings erst dadurch, dass Glassman seine Kunden unter Zeitdruck setzte: Das Herzstück jeder Trainingseinheit, das Workout of the Day – kurz: WOD – ist ein Kampf gegen die Uhr: Wer schafft die Übungen am schnellsten oder wer schafft in einer vorgegebenen Zeit die meisten Wiederholungen? Ungeachtet der Bezeichnungen wie „härtestes Workout der Welt“ oder „Brachial-Fitness“ hat sich Glassmans kleine Fitness-Bude zu einem global tätigen Unternehmen entwickelt. Fast 9000 Studios – in der Szene als „Boxen“ bezeichnet – tragen die Bezeichnung „Crossfit“.
Die Materialkosten für die Studios sind gering
In Deutschland gibt es rund 90 davon, mehr als die Hälfte entstand 2013. Noch ist Crossfit ein Nischensport. Zu hart das Training, als dass es sich in der breiten Masse durchsetzen könnte. Die Materialkosten sind relativ gering, denn Crossfit-Boxen verzichten auf Geräte wie Laufbänder, Stepper und Crosstrainer. Nicolas Vogel ist Geschäftsführer von Suprfit, dem ersten deutschen Online-Shop für Crossfitter. Er verkauft den Boxen ihr Equipment. Mit 15 000 Euro lasse sich eine kleine Box ausstatten, sagt Vogel, hinzu komme meist ein Boden für bis zu 10 000 Euro. Mehr geht natürlich immer: Der deutsche Crossfit-Blogger Nico Bartke, der bald in Berlin seine neue Box eröffnen will, hat in seiner letzten Box für die Ausstattung mehr als 50 000 Euro investiert. Im Vergleich zu herkömmlichen Fitnessstudios, deren anfängliche Investitionen in den sechsstelligen Bereich gehen, ist das immer noch wenig.
Wie eine gut laufende Box aussehen kann, zeigt Leo Löhrs Box „Myleo“. Der sportverrückte Berliner wollte ursprünglich ein „kleines, aber feines Gym“ gründen. Das war im Jahr 2011. Mittlerweile ist „Myleo“ eine der größten Boxen des Landes, mit rund 600 Quadratmetern und mehr als 400 Kunden, die monatlich zwischen 100 und 140 Euro für ihre Mitgliedschaft zahlen. „Dabei ging es mir nie um finanziellen Erfolg“, sagt er. Geld zu verdienen, um irgendwann die Füße hochlegen zu können, sei so gar nicht seins. Dem durchtrainierten Bewegungsfanatiker kauft man das ab.
Das Crossfit-Universum ist kein Franchise-System
Crossfit-Erfinder Glassman hingegen hat im Laufe der Jahre ein Bäuchlein bekommen. Ein Zeichen des Wohlstands? Sein Unternehmen Crossfit Inc. erwirtschaftete 2012 Einnahmen in Höhe von 50 Millionen US-Dollar, im vergangenen Jahr wollte man die Summe verdoppeln. Ob das gelungen ist, verrät der Amerikaner nicht. Fakt ist, dass sie deutlich mehr verdienen könnten: Bis zu zwei Milliarden US-Dollar würden alle Boxen abwerfen, schätzte der Gründer im vergangenen Jahr. Doch das Crossfit-Universum ist kein Franchise-System. Glassman ist an den Gewinnen der Boxen nicht beteiligt. Wer sich Crossfit auf die Fahnen schreiben möchte, muss der Muttergesellschaft bloß 3000 Dollar Lizenzgebühren pro Jahr zahlen. Mehr Geld bringt Glassman das Ausbilden von Trainern. Interessierte können in Seminaren für jeweils 1000 Dollar das „Level 1“-Zertifikat erwerben. Damit nicht genug: Sportartikelhersteller Reebok zahlt dafür, exklusiv Schuhe und Kleidung mit Crossfit-Branding verkaufen zu dürfen. Die Liste derjenigen, die von Crossfits Popularität profitieren, ist lang: Anbieter von Nahrungsergänzungsmitteln, Hersteller von Ausstattung der Boxen und zahlreiche Sportartikelkonzerne. Es gibt erste Sportzeitschriften, die sich ausschließlich mit Crossfit befassen, und einen Physiotherapeuten, der mit einem Ratgeber für Crossfitter in den USA zum Bestseller wurde.
Auch die anderen Akteure der Fitnessbranche lassen sich davon inspirieren. „Der Trend geht dahin, sich ein bisschen neu zu erfinden“, sagt Karsten Hollasch, Leiter der Sport Business Gruppe bei der Unternehmensberatung Deloitte. Auf dem deutschen Markt sieht er deswegen Potenzial für 100 bis 200 weitere Boxen.
Lukas Wohner
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