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Elektromobilität: Wer Leitanbieter sein will, muss Batterien serienmäßig herstellen können.
© Illustration: Jens Bonnke für den Tagesspiegel

Produktion von Batteriezellen: Ein weiter Weg

Deutschland hat die Autos, aber nicht die Batterien. Ohne eine nationale Zellproduktion verliert der Standort seine Wettbewerbsfähigkeit.

Die Lithium-Ionen-Batterie wird seit dem Jahr 2009 in großen Stückzahlen in Elektrofahrzeugen eingesetzt. Seitdem sind mehr als 40 weitere Fahrzeuge mit individuellen Batteriesystemen und steigenden Verkaufszahlen weltweit eingeführt worden, und die Lithium-Ionen-Technologie hat sich flächendeckend durchgesetzt. Daimler hat sogar 2006 gemeinsam mit Evonik die Firma Li-Tec in Deutschland ausgebaut, um Batteriezellen in einer eigenen Fabrik herzustellen. Die großen Herausforderungen hinsichtlich Produktionsqualität wurden mit Bravour gemeistert; eine der besten Zellen auf dem Weltmarkt entstand.

Leider waren diese Zellen von den Kosten her nicht wettbewerbsfähig – somit musste Li-Tec geschlossen werden. Das gleiche Schicksal ereilte die US-Firmen A123 und Ener-Del sowie einige weitere – hauptsächlich westliche – Unternehmen, die dem Preiskampf der asiatischen Konkurrenz nicht standhalten konnten. Hinter den asiatischen Firmen stehen globale Elektronikkonzerne wie LG, Samsung, SK oder Sanyo/Panasonic.

Beispiele aus der Unterhaltungselektronik (Fernsehgeräte, Smartphones, Laptops) oder der Photovoltaik zeigen, dass das Risiko einer Abwanderung der gesamten Wertschöpfung (vor allem Entwicklung und Fertigung) bei Batteriesystemen hoch ist, auch wenn diese nur einen geringen Anteil am Umsatz asiatischer Hersteller darstellen. Bei Batteriezellen ist dieses Risiko überdeutlich vorhanden, da diese circa 80 Prozent der Kosten des gesamten Batteriesystems darstellen. Die Entwicklung zeigt, dass heute in Europa weder Fernseher noch Smartphones oder Notebooks entwickelt und gefertigt werden.

Batteriezellen sind die Zukunft

Die Automobilproduktion ist ein maßgeblicher Wirtschaftsfaktor. Damit Deutschland ein Land bleibt, das alle systemrelevanten Technologien des Autobaus beherrscht, wird es notwendig sein, die zentralen Produktionsstufen der Elektromobilität auch in Deutschland und Europa umzusetzen. Dies schließt neben Branchen wie Chemie, Fahrzeugfertigung und Maschinenbau für die Zellproduktionsanlagen auch die eigentliche Herstellung von Batteriezellen ein.

Die beiden führenden Konzerne LG und Samsung vertreiben nicht nur Batteriezellen und Module, sondern sind durch strategische Zukäufe auch in der Lage, den Fahrzeugbauern vollständige Batteriesysteme anzubieten. Hierdurch wird das Risiko, dass die Wertschöpfung und damit die Wettbewerbsfähigkeit künftig abwandern, immanent.

Eine große Chance für den Standort Deutschland ist der Aufbau einer wettbewerbsfähigen Produktion von automobiltauglichen Batteriezellen. Letztendlich wird der Erfolg einer solchen Initiative aber vom Engagement der deutschen Industrie und politischen Unterstützung abhängen.

In der Batteriezelle steckt das große Potenzial für die Leistung, für die Reichweite, für die Lebensdauer und für die Sicherheit eines Fahrzeugs. Darüber hinaus trägt sie mit etwa 40 Prozent zur Wertschöpfung eines E-Autos bei. Im Zeitalter der Elektromobilität werden die Batterie und damit ihr Herzstück, die Zelle, mindestens die gleiche Bedeutung erlangen, die ein Verbrennungsmotor heutzutage hat. Ohne eine nationale Zellproduktion könnte Deutschland nicht nur seinen Status als Autoland verlieren – auch die Wirtschaftskraft könnte erheblich leiden.

Keine Kompromisse bei der Sicherheit und Lebensdauer

Die Lithium-Ionen-Chemie der Zukunft wird auf den Elementen Nickel, Mangan und Cobalt (NMC) basieren, wobei Nickel für Energiedichte beziehungsweise Reichweite, Mangan für Lebensdauer und Sicherheit sowie Cobalt für Stabilität in der Batteriezelle zuständig ist.

In diesem Mischungsverhältnis liegt auf absehbare Zeit das größte Potenzial, da hier Erfolge zu erwarten sind. Ein Entwicklungsziel ist es, den Nickelanteil und damit die Reichweite zu erhöhen, ohne Kompromisse bei der Sicherheit, Stabilität und Lebensdauer zu machen.

Neben den zahlreichen und vielversprechenden Weiterentwicklungen der Lithium-Ionen-Technologie wird aktuell das Thema Lithium/Schwefel-Zellen diskutiert, da Schwefel ein sehr leichtes und günstiges Material ist – zudem vielfältig verfügbar. Experten sehen aber keine serienreife Anwendung vor 2030. Darüber hinaus ist die Frage unbeantwortet, ob das Auto wirklich die richtige Anwendung für diese Technologie ist, da sich abzeichnet, dass diese Technologie zwar Gewichtsvor-, aber Volumennachteile mit sich bringt.

Leitmarkt oder Leitanbieter?

Für das Jahr 2018 wird durch die Optimierung der Zellchemie und durch eine verbesserte Integration des Batteriesystems in das Fahrzeug (etwa durch Plattformlösungen der Autohersteller) ein Kostensatz von circa 150 Euro je Kilowattstunde erreicht. Hierdurch werden schon bald Reichweiten von mehr als 250 Kilometer bei Kosten von rund 5000 Euro je Batterie und einer Lebensdauer von zehn Jahren möglich. In der monatlichen Vollkostenrechnung zeigt sich für den Endkunden 2018, dass die bislang bestehenden Kostennachteile vor allem beim Fahrzeug- und Batterie-Wertverlust aufgrund niedrigerer Anschaffungskosten ausgeglichen werden können.

Unabhängig von der Zellchemie und Technologie wird die weitere Elektrifizierung des Antriebsstrangs nicht aufzuhalten sein. Elektromobilität wird eine weltweite Erfolgsstory. Welche Rolle Deutschland und Europa dabei spielen, entscheidet sich spätestens jedoch in den kommenden Jahren.

Sehen wir uns vornehmlich als Leitmarkt oder wollen wir über alle Wertschöpfungsstufen auch globaler Leitanbieter sein? Die Rolle des Leitanbieters entscheidet sich über die Kompetenz, Batterien und Batteriezellen serienmäßig herstellen zu können.

Professor Martin Winter ist Leiter des Batterieforschungszentrums MEET an der Universität Münster und Direktor des Helmholtz-Instituts Münster. Markus Hackmann leitet den Geschäftsbereich Elektromobilität bei der P3 Group.

Markus Hackmann, Martin Winter

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