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Michael Müller und die IHK-Chefs Jan Eder (links) und Beatrice-Kramm.
© picture alliance / Soeren Stache

Kritik der IHK Berlin: Ein Weckruf an den Senat

Die IHK Berlin kritisiert die Industrie- und Verkehrspolitik, Verwaltung und Berufsbildungspolitik des Senats. Ein Wandel sei dringend notwendig.

Der Kampf gegen Windmühlen gehört zum Kerngeschäft Berliner Wirtschaftsvertreter. Unermüdlich bemühen sich IHK-Präsidentin Beatrice Kramm und der Hauptgeschäftsführer der Kammer, Jan Eder, um Politikberatung im Sinne der Unternehmen. Die „systemischen“ Schwächen der Verwaltung – Doppelstruktur mit Senat und Bezirken, Technologie, die nicht auf der Höhe der Zeit ist sowie fehlendes Personal auf Schlüsselfunktionen – werden beharrlich thematisiert und sind eingeflossen in die Reformvorschläge der Alt-Kommission, mit denen sich der Senat demnächst im Rahmen einer Klausur befassen will.

Damit Druck auf dem Kessel bleibt, hat die IHK die Mitglieder ihrer Vollversammlung um Einschätzungen wichtiger Politikfelder gebeten: Im Schnitt bewerten mehr als drei Viertel der Wirtschaftsleute die Arbeit von Politik und Verwaltungen schlecht. Von einem „Weckruf“ sprach Eder am Mittwochabend. Noch laufe die Konjunktur so einigermaßen, doch der wirtschaftliche Aufholprozess in den vergangenen Jahren sowie die Haushaltsüberschüsse seit 2012 hätten womöglich zu Sorglosigkeit, wenn nicht sogar Übermut beigetragen. Die Stadt brauche „mehr Zug, Geschwindigkeit und Wille auf allen Ebenen“. Der große Standortvorteil der vergangenen Jahre seien die Mieten und die Lebenshaltungskosten gewesen, das sei vorbei. „Was machen wir ohne ,arm, aber sexy'?“, fragte Kramm und beantwortet die Frage gleich selbst: Politik und Verwaltung müssen den Wandel hinbekommen von einem negativen Standortfaktor hin zu einem Dienstleister, unter anderem mit einem digitalen Serviceportal.

Besonders bekümmert Berufsbildungspolitik

Die schlechtesten Noten bekam der Senat für die Industrie- und Neubaupolitik, das Verwaltungshandeln, die holprigen Übergänge von der Schule ins Berufsleben sowie die Verkehrspolitik und den Umgang mit Gewerbeflächen. Einigermaßen positiv werden nur die öffentlichen Investitionen bewertet, die deutlich anziehen, aber noch immer unter dem bundesdeutschen Durchschnitt liegen. Im Zusammenhang mit dem erheblich hinter der Nachfrage zurückbleibenden Wohnungsbau plädierte Eder für die Überwindung von Denkverboten: Die Randbebauung des Flugfeldes Tempelhof sowie die Besiedlung der Elisabeth-Aue seien in der wachsenden Stadt unverzichtbar.

"Wir dürfen Berlin nicht ohne Brandenburg denken", sagte Kramm, Eder sprach von einer "zweiten Auswanderungswelle": In den 1990er Jahren seien viele Berliner wegen des Umfeldes ins grüne und ruhige Umland gezogen, die zweite Welle sei gegenwärtig dem fehlenden Platz in Berlin geschuldet und betreffe Wohnungssuchende ebenso wie Unternehmen. Diverse Politikfelder - von der Wirtschaftsförderung über die Verkehrsplanung bis zur Bildungs- und Flächenpolitik - seien länderübergreifend abzustimmen.

Besonders bekümmert die Wirtschaftsvertreter die Berufsbildungspolitik. Die Arbeitslosenquote liege bei Jugendlichen zwischen 15 und 20 Jahren in Berlin bei 15 Prozent, im Bund aber nur bei 3,6 Prozent. Von 28 000 Schulabgängern treten jeden Sommer nur zehn Prozent eine Ausbildung an, während rund 3000 „völlig vom Radar verschwinden“. Gleichzeitig könnten 1200 Ausbildungsplätze nicht besetzt werden. Das hohe Durchschnittsalter von 20,8 Jahren zu Beginn der Ausbildung erklären Kramm und Eder vor allem mit den Schulen nach der Schule: Die Oberstufenzentren hätten sich geradezu verselbstständigt und hielten Tausende Jugendliche in einer Warteschleife obgleich es für sie Ausbildungsplätze in Unternehmen gebe.

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