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Mehr Schutz für Tiere, fordern Wissenschaftler - auch Legehennen haben ein Recht auf artgerechte Haltung.
© dpa

Orientierungshilfe: Ein Siegel für den Tierschutz

Wissenschaftler machen sich für die Einführung eines Tierschutzlabels stark - auch um Verbrauchern die Orientierung zu erleichtern, welche Tiere tatsächlich artgerecht gehalten werden.

Kastrierte Ferkel, Hennen in Legebatterien – seit dem Dioxin-Skandal wächst die Empörung über den Umgang mit Nutztieren. Immer mehr Deutsche legen Wert darauf, dass die Tiere bis zu ihrem Tod artgerecht gehalten werden. Um Verbrauchern die Orientierung zu erleichtern, machen sich Wissenschaftler für die Einführung eines Tierschutzlabels stark.

In einem Statement, das dem Tagesspiegel vorliegt, spricht sich der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik beim Bundeslandwirtschaftsministerium für ein solches Label aus. Mit dem Siegel sollen Produkte gekennzeichnet werden, bei denen der „Tiergerechtheit“ über das gesetzlich Vorgeschriebene hinaus besonders Rechnung getragen wird. Zur Tiergerechtheit zählen sie die artgerechte Haltung und die Gesundheit der Tiere.

Von dem neuen Label verspricht sich der Beirat nicht nur eine bessere Tierhaltung, sondern auch mehr Transparenz für die Verbraucher. Zudem soll es den Betrieben erlauben, „höhere Tierschutzleistungen glaubwürdig zu kommunizieren und über Mehrpreise erhöhte Kosten der Erzeugung auszugleichen“. Dem neuen Siegel soll eine umfassende Tierschutzkennzeichnung zugrunde gelegt werden, bei der die gesamte Prozesskette von der Genetik über die Aufzucht bis hin zur Schlachtung berücksichtigt werden soll. Um die Betriebe zu motivieren, besser zu werden, sprechen sich die Wissenschaftler zudem für ein mehrstufiges Label – ähnlich dem Sternesystem in der Hotelkennzeichnung – aus.

An diesem Donnerstag werden sich Vertreter des Bundeslandwirtschaftsministeriums, der Ernährungsindustrie und der Bauern mit Verbraucherschützern treffen, um über eine neue Charta für die Landwirtschaft zu beraten. Dabei wird es neben dem Tierschutzlabel auch um konkrete Verbesserungen bei der Tierhaltung gehen. Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) will per Verordnung festlegen, dass es künftig keine neuen Käfige für Legehennen in Deutschland geben wird. Zudem sollen die Kastration von Ferkeln und das Markieren von Pferden mit Brandzeichen verboten werden.

Die Bauern sehen der Diskussion über eine bessere Tierhaltung mit Skepsis entgegen. Forderungen nach mehr Umwelt- und Tierschutz müssten mit den Realitäten in offenen Märkten abgeglichen werden, heißt es in einem offenen Brief von Bauernverbandspräsident Gerd Sonnleitner an Ministerin Aigner. „Wer dies nicht akzeptiert, verdrängt die deutschen Bauern vom Markt.“ Zudem warnt der Verbandschef vor Preiserhöhungen. „Sollen die deutschen Landwirte Nahrungsmittel vorrangig für eine kaufkräftige Elite produzieren oder für alle Bürgerinnen und Bürger?“, fragt Sonnleitner.

Auch ein separates Tierschutzlabel lehnt der Bauernverband ab. Schon jetzt sei der Tierschutz gesetzlich verankert, gibt Verbandssprecher Michael Lohse zu bedenken. „Alle Bauern, die sich an das Gesetz halten, müssten das Tierschutzlabel bekommen“, meint Lohse. Ein zusätzliches Siegel ist nach Meinung des Bauernverbandes daher unnötig.

Das sehen die Wissenschaftler anders. Auch die Bundesagrarministerin ist für eine solche Kennzeichnung, allerdings auf europäischer Ebene. Der Beirat plädiert dagegen für eine nationale Lösung auf freiwilliger Ebene. „Da eine europäische Lösung in naher Zukunft nicht in Sicht ist, sollte eine nationale Pionierleistung angestrebt werden“, heißt es in der Stellungnahme.

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