Schlichtung nach dem Bahnstreik: Ein Offenbarungseid - für die Bahn und die GDL
Monatelang haben Bahn und GDL vergeblich über einen neuen Tarif verhandelt, jetzt müssen die Schlichter Bodo Ramelow und Matthias Platzeck vermitteln. Beide Seiten haben in diesem Konflikt versagt. Ein Kommentar.
Die Angst vor Pfingsten hat geholfen. Und natürlich das Geschick eines Mediators, der die verirrten Verhandlungspartner zurück in die Spur brachte. Mehr aber auch nicht. Das muss man sich mal vorstellen: Seit fast einem Jahr verhandeln Bahn-Vorstand und Lokführergewerkschaft GDL über einen neuen Tarif. Neun Streiks hat es in den vergangenen Monaten gegeben, und zuletzt brauchte der ehemalige Bundesarbeitsrichter Klaus Bepler zwei Tage, um einen Pfad Richtung Schlichtung zu finden. Der Mediator Bepler tritt jetzt ab, die Schlichter Bodo Ramelow und Matthias Platzeck übernehmen.
Das ist ein Offenbarungseid. Nach einem Jahr stellen Bahn-Vorstand Ulrich Weber und der GDL-Vorsitzende Claus Weselsky fest, dass sie es nicht können. Und an dieser Erkenntnis wird sich auch nichts ändern, wenn am 17. Juni die Schlichter einen grandiosen Kompromiss vorlegen und Weber und Weselsky freundschaftlich lächelnd den Tarifvertrag unterschreiben. Sie haben als Tarifpolitiker versagt, und man kann der Bahn und dem Land nur wünschen, dass sie es nicht noch einmal versuchen.
Vielleicht schützt davor das ominöse Gesetz über die Tarifeinheit, das der Bundestag am heutigen Freitag verabschieden wird. Obwohl das Gesetz erst im Juli in Kraft tritt, hat es den Bahn-Konflikt beeinflusst, denn es geht dabei um die Frage, welche Gewerkschaft in einem Unternehmen den Ton angibt. Bei der Bahn bekämpfen sich GDL und die deutlich größere Eisenbahnverkehrsgewerkschaft EVG. Beide jagen sich wechselseitig Mitglieder ab. Das werden sie auch weiterhin tun, doch das Tarifgeschäft dürfte schwieriger werden für die kleine GDL.
Nach dem neuen Gesetz gilt das Mehrheitsprinzip. Wenn es in einem Betrieb mehrere Gewerkschaften gibt und diese Gewerkschaften auch noch für identische Beschäftigtengruppen Tarife abschließen, dann hat künftig der Tarifvertrag der größeren Gewerkschaft, im konkreten Fall wäre das die EVG, Vorrang. Im Ergebnis kann das dazu führen, dass Streiks der kleineren Gewerkschaft von Arbeitsgerichten für unverhältnismäßig erklärt werden. Dann droht Streikverbot und Schadenersatz. Die GDL wird nie wieder streiken, wenn sie anschließend für die streikbedingten Verluste der Bahn aufkommen müsste.
Das Gesetz ist umstritten und verstößt womöglich gegen die grundgesetzliche Koalitionsfreiheit. Deshalb wird das letzte Wort auch nicht heute im Bundestag, sondern irgendwann von den Bundesverfassungsrichtern in Karlsruhe gesprochen. Doch bei allem Respekt vor der Rechtsstaatlichkeit und der strikten Trennung von Exekutive, Judikative und Legislative: Wenn der Bundestag mit Zweidrittelmehrheit für das Gesetz stimmt, dann wird sich das auch auswirken auf den demnächst anstehenden Abwägungsprozess der Verfassungsrichter.
Kurzum: Die GDL sollte sich auf dauerhaft veränderte Geschäftsbedingungen einstellen. Und zwar mit der Bereitschaft zur Kooperation. Denn wenn die Gewerkschaften in einem Betrieb ihre Claims sauber abstecken, also nur bestimmte Berufsgruppen tarifieren wie bei der Lufthansa, oder wenn sie Tarifgemeinschaften bilden wie im öffentlichen Dienst, dann muss das Gesetz nicht greifen. Das Gesetz kann mithin einen wohltuenden Zwang zur Kooperation entfalten und den Kampf von Gewerkschaft gegen Gewerkschaft verhindern. Dann ist es gut.
Alfons Frese