Billigläden: Ein Euro und das große Geld
Billigläden boomen. Der Markt wird von Ketten wie Tedi und Mäc Geiz dominiert. Vier von fünf Bürgern haben schon einmal in Billigläden eingekauft.
Berlin - Die Geiz-ist-Geil-Mentalität, gepaart mit zunehmender Armut und drohenden Leerständen in den Innenstädten wegen der Wirtschaftskrise, macht es möglich: Ein-Euro-Läden boomen. Sie bieten Waren des täglichen Bedarfs zu günstigen Preisen, meist für einen Euro: Geschenk- und Dekoartikel, Haushaltswaren und Kosmetik.
„Ihr Erfolgskonzept ist die glasklare Niedrigpreisorientierung“, sagt Wolfgang Fritz, Professor für Marketing an der TU Braunschweig. War das Geschäft noch vor einigen Jahren von vorübergehenden Zwischennutzungen leerstehender Geschäfte geprägt, um Rest- und Sonderposten zu vermarkten, bestimmen heute vor allem große Ketten wie der zum Tengelmann-Konzern gehörende Tedi aus Dortmund oder Schum Euroshop aus Dettelbach bei Würzburg mit ihrem stetig wachsenden Filialsystem das Bild. In Großstädten, aber auch in kleineren und mittleren Städten dringen sie laut Fritz zunehmend in die besseren Einkaufslagen vor. „Mittlerweile beobachten wir einen deutlich gesteigerten Professionalisierungsgrad mit festen Konzepten und einer klar definierten Strategie“, sagt Olaf Roik vom Handelsverband Deutschland (HDE). Marktführer Tedi eröffnet nach eigenen Angaben bundesweit an jedem zweiten Werktag eine neue Filiale. Mittelfristig soll sich die Zahl von derzeit 1000 Filialen und aktuell 6000 Beschäftigten verdoppeln.
Trotz ihres Wachstums führen diese Läden laut Experten aber nach wie vor ein Nischendasein. Offizielle Zahlen gibt es nicht, da Ein-Euro-Läden in den Statistiken des Deutschen Einzelhandels nicht speziell ausgewiesen werden. Fritz schätzt, dass es hierzulande 2000 bis 2500 Ein-Euro-Läden gibt, deren Anteil mit höchstens 2,5 Milliarden Euro gerade mal 0,7 Prozent des gesamten jährlichen Einzelhandelsumsatzes betrage. Beschäftigt würden etwa 8000 bis 10 000 Mitarbeiter – das sind rund 0,4 Prozent aller Einzelhandelsbeschäftigten –, davon die meisten in Teilzeit.
„Für Supermärkte oder Lebensmitteldiscounter stellen sie keine ernsthafte Konkurrenz dar“, sagt Fritz. Innerhalb ihrer Nische jedoch würden weniger effiziente Anbieter nach und nach ausgesiebt, hat Thomas Roeb, Professor für Handelsbetriebslehre an der FH Bonn-Rhein-Sieg beobachtet. Von den großen drei Ein-Euro-Shop-Betreibern Tedi, Schum Euroshop und Mäc Geiz aus Landsberg hat Mäc Geiz in der Tat Mitte Mai wegen akuter Finanzierungsprobleme Insolvenz angemeldet.
In der Regel beziehen Ein-Euro-Läden ihre Waren vom Großhändler. „Tedi hingegen ordert direkt beim Hersteller“, erklärt Professor Roeb, „das verkürzt den Vertriebsweg.“ Der Großteil der Waren komme aus Asien. In der Küstenregion Chinas säßen hunderte Nippes-Produzenten dicht aufeinander, die nur billigen Kleinstkram wie Spielzeug oder Schreibwaren extra für diese Läden herstellten. Daneben werden, wenn auch im kleineren Stil, Sonder- und Restposten, Saisonartikel, übriggebliebene Versteigerungsware, aber auch Produktionsüberhänge und Auslaufserien der Hersteller in Ein-Euro-Läden angeboten.
Viele Kunden geben laut Roeb durchschnittlich nur zwei bis vier Euro pro Einkauf in den Billigwarenketten aus. „Bei den kleinen Mengen pro Kunde müssen die Betreiber der Ein-Euro-Shops auf den Umsatz mindestens eine Spanne von 50 Prozent haben, sonst kommen sie auf Dauer nicht zurecht“, sagt Roeb. „Tedi schafft das, bei den anderen bin ich mir nicht so sicher.“
Auch wenn die Beschaffungsseite noch so professionell ist, funktioniert das Ein-Euro-Geschäft nur, wenn es genügend Krimskrams-Käufer gibt. Eine Online-Befragung des Marktforschungsinstituts Dialego aus Aachen unter 1000 Verbrauchern hat ergeben, dass Ein-Euro-Shops angenommen werden: Mehr als 80 Prozent der Befragten kennt sie. Vier von fünf Bundesbürgern haben dort schon einmal gekauft, 40 Prozent von ihnen sogar ein bis mehrmals im Monat, meistens Haushaltswaren für den täglichen Bedarf. Dabei finden sich unter den Käufern neben einkommensschwächeren Haushalten auch Schnäppchenjäger quer durch alle Bevölkerungsschichten. „Für viele Konsumenten ist der niedrige Preis immer noch der größte Kick beim Einkauf – in wirtschaftlich schwierigen Zeiten mehr als sonst“, sagt Professor Fritz.
Petra Hoffknecht