Interview zum drohenden Grexit: „Ein Austritt wäre schlecht für uns“
DGB-Chef Reiner Hoffmann erklärt im Tagesspiegel-Interview, welche Folgen ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone hätte und was die griechischen Gewerkschaften dazu sagen.
Herr Hoffmann, sind die deutschen Arbeitnehmer nicht froh, wenn das Theater endlich ein Ende hat und ihr Geld nicht gen Süden fließt?
Auch die deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind sich sehr bewusst, dass wir eine nachhaltige Lösung für Griechenland und die Euro-Zone bekommen sollten. Das ist in ihrem eigenen Interesse, und das Referendum gibt dazu einen neuen Impuls.
Wie viel Geduld sollen wir noch haben?
Es wird doch offensichtlich, dass eine Fiskalpolitik, die nur Sparen im Sinn hat, an ihre Grenzen stößt. Die Griechen brauchen aber Rahmenbedingungen für Investitionen und Wachstum. Und ich sehe durchaus das ernste Bemühen der Regierung in Athen, ihren Verpflichtungen nachkommen zu wollen.
Sind da nicht eher Spieler am Werk?
Die neue Regierung ist seit einem halben Jahr im Amt. Die Versäumnisse der vergangenen Jahrzehnte lassen sich aber nicht in ein paar Monaten korrigieren.
Was sagen die griechischen Gewerkschaften zu der Regierungsleistung?
Sie begrüßen das Referendum und sind der Meinung, dass die Regierung Verhandlungsbereitschaft zeigen sollte. Die Gewerkschaften und der Großteil der Bevölkerung sind für einen Verbleib in der Währungsunion. Aber auch die Gläubiger dürfen nicht überziehen.
Tun sie das?
Wenn die drei Institutionen von der Regierung verlangen, jede Reform des Arbeitsmarktes zu unterlassen, dann ist das nicht in Ordnung. Die griechische Regierung muss vielmehr das Recht haben, die Tarifautonomie wieder in Kraft zu setzen. Das ist zum Beispiel ein Punkt, der den dortigen Gewerkschaften wichtig ist.
Und wenn die Griechen am Ende doch die Währungsunion verlassen?
Ich bin nach wie vor optimistisch. Wir sollten auch erst mal die Fragestellung abwarten, über die am Sonntag abgestimmt wird. Aber wenn Griechenland tatsächlich die Währungsunion verlässt, wären die Kollateralschäden groß. Nicht sofort oder in den nächsten Wochen. Aber der Austritt bedeutet eine Destabilisierung der Währungsunion mit negativen Folgen für andere Mitgliedstaaten und auch für die deutsche Wirtschaft. Deshalb sollten die Partnerländer und die Griechen das Bemühen um einen Kompromiss nach dem Referendum wieder forcieren.
Das Gespräch führte Alfons Frese.
Reiner Hoffmann ist Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Der 60-Jährige hatte zuvor viele Jahre in Brüssel beim Internationalen Gewerkschaftsbund gearbeitet