Wirtschaft: Editorials: Stimmung gegen die Gentherapie
Gerade einmal ein Monat ist vergangen, seit der wohl größten wissenschaftlichen Leistung unserer Zeit: der Entschlüsselung des menschlichen Genoms. Und schon werfen übereifrige Bürokraten der weiteren Entwicklung Steine in den Weg.
Gerade einmal ein Monat ist vergangen, seit der wohl größten wissenschaftlichen Leistung unserer Zeit: der Entschlüsselung des menschlichen Genoms. Und schon werfen übereifrige Bürokraten der weiteren Entwicklung Steine in den Weg. Vorletzte Woche haben die amerikanischen National Institutes of Health (NIH), die US-Gesundheitsbehörden, entschieden, die bestehenden Mitteilungspflichten für Gentherapie-Tests zu verschärfen. Wenn die geschäftsführende Direktorin der NIH, Ruth Kirschstein, diese Maßnahme billigt, dann werden die Forscher bald die Einzelheiten "negativer Vorgänge" veröffentlichen müssen, einschließlich vertraulicher Daten wie Dosierung und Untersuchungsumfang.
Im Rennen darum, Behandlungsmethoden zu entwickeln, die unmittelbar auf den genetischen Code des Patienten zielen, waren (ebenso wie in dem Rennen um die Entschlüsselung des Genoms selbst) kommerzielle und wettbewerbliche Gründe der Motor der Entwicklung. Eine der Nebenwirkungen der neuen Mitteilungspflichten könnte sein, dass sie die Unternehmen davon abhalten werden, in neue Therapien zu investieren.
Es ist nicht das erste Mal, dass Forschung und Regierung die Klingen kreuzen. Die Gentherapie ist von Beginn an kontrovers diskutiert worden. Sie ist eine leichte Beute für Panikmacher. Der Publizist Jeremy Rifkin ist der Prophet dieser Bedenkenträger. Die neuen Mitteilungspflichten sind Resultat des Todes des Teenagers Jesse Gelsinger aus Arizona, der 1999 im Rahmen eines fehlgeschlagenen Versuchs der Universität von Pennsylvania starb. Seit die Geschichte Schlagzeilen machte, wird lautstark gefordert, "etwas zu tun".
Aber die Behandlungsmethoden der Gentherapie werden nicht von einer rebellischen Bande unbeaufsichtigter Wissenschaftler entwickelt. Es war in der Vergangenheit ohnehin vorgeschrieben, sowohl der Nahrungs- und Medikamentenbehörde als auch der NIH Bericht zu erstatten. Letztlich geht es aber bei der jetzigen Kontroverse gar nicht darum, was die Forscher den Behörden zu berichten haben. Es geht darum, was anschließend an die Öffentlichkeit und damit an die Konkurrenz gelangt. Unter der neuen Mitteilungspflicht könnte man Betriebsgeheimnisse bald überall in Veröffentlichungen der Industrie und im Cyberspace nachlesen. Das wird abermals nur dazu führen, dass Investoren abgeschreckt werden.
Sinn der neuen Bestimmungen soll sein, "riskante Tendenzen" zu erkennen. Aber seit dem Fall Gelsinger sind - mit bereitwilliger Unterstützung der Forschung - ohnehin neue Mitteilungspflichten für "negative Vorgänge" bei klinischen Tests eingeführt worden. Die Forscher sind nicht Frankenstein, der in geheimen Labors neue Gräuel zusammenbraut. Aber die Gegner der Genforschung arbeiten hart daran, dieses Image zu verbreiten.
Die Teilnahme an klinischen Tests ist für die Patienten zwangsläufig mit Risiken verbunden. Viele, die sich freiwillig für die Testreihen anmelden, haben die traditionellen Therapien erfolglos hinter sich. Zwar wartet die Gentherapie noch auf ihr erstes Wundermedikament. Es befinden sich aber zahlreiche vielversprechende Verfahren in der Entwicklung. Sie sollen gegen Alzheimer, Diabetes und die Bluterkrankheit wirken. Einem muss der Durchbruch gelingen. Die berechtigte Sorge um die klinischen Tests darf nicht zu einer Waffe derer werden, die der hoffentlich lebensrettenden Forschung einen Riegel vorschieben wollen. Das wäre dann wirklich ein Ergebnis, über dem man krank werden könnte.
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