3-D-Klon: Doppelgänger aus dem Drucker
Ein britisches Start-up kopiert seine Kunden als originalgetreue Plastikfiguren. Der Markt für solche Produkte wächst.
Wer sich mit Sylvain Preumont über die Zukunft unterhält, braucht viel Fantasie. In seiner Vision von der Welt von morgen stellen wir uns statt Bildern von unseren Liebsten Miniaturfiguren aus Plastik auf, die ihnen bis ins Detail ähneln. Hergestellt werden sie auf einem 3D-Drucker – einer Maschine, die statt Buchstaben aufs Papier zu drucken, dreidimensionale Gegenstände aus Plastik oder Metall erschafft. Preumont, der vor zwei Jahren das auf 3D-Druck spezialisierte Start-up Imakr gegründet hat, stellt diese Figuren schon heute her. Vor wenigen Tagen hat er dafür eine Fotokabine im Londoner Kaufhaus Selfridges aufgebaut. Dort im Erdgeschoss, schräg gegenüber der Schmuckabteilung, können die Kunden sich jetzt ablichten lassen und ein paar Tage später ihr Mini-Ich abholen.
„Die Nachfrage ist groß“, sagt Preumont. Es kämen viele Prominente, gerade waren ein Basketballspieler und ein Minister da, und viele Eltern mit ihren Kindern. So wie die 38-jährige Paloma, die an diesem Nachmittag ihren Sohn Milo und ihre Tochter Eva mitgebracht hat. Sie will die beiden fotografieren lassen und die Figuren ihrem Mann zu Weihnachten schenken. „Ich habe von einer Freundin von den 3D-Figuren erfahren und war sofort begeistert“ sagt sie.
In der Fotokabine klettert die sechsjährige Eva auf einen kleinen Fußhocker, dann schließt Preumont die Tür hinter ihr. Innen ist die Kabine mit milchigem Plexiglas verkleidet, Scheinwerfer tauchen sie in helles Licht. Rund um Eva sind 48 Digitalkameras aufgestellt. Draußen drückt Preumont auf den Auflöser, drinnen klickt es einmal. Auf einem Computerbildschirm tauchen jetzt 48 Bilder von Eva auf, sie zeigen das Mädchen aus allen denkbaren Blickwinkeln, von oben und von unten, von hinten und von vorne. Eine Software baut daraus ein 3D-Modell, das die Vorlage für den späteren Druck der Figuren ist.
Der Trend, mit dem 3D-Drucker kleine Figuren zu erstellen, geht derzeit um die Welt. Vor einem Jahr eröffnete eine japanische Firma in Tokio das erste 3D-Fotostudio. In Großbritannien experimentiert derzeit neben dem Londoner Start-up auch die Supermarktkette Asda mit der neuen Technik. In einer Filiale im nordenglischen York lässt sie ihre Kunden fotografieren, ein Dienstleister stellt die Figuren dann per 3D-Druck her. Wird das gut angenommen, will die Kette das Verfahren schon im nächsten Jahr flächendeckend in allen Filialen anbieten.
„Manche finden den Gedanken, eine Figur von sich zu erstellen, noch komisch“, sagt Preumont, „aber so ist das mit Erfindungen“. Am Anfang seien sie befremdlich, irgendwann alltäglich. Der gebürtige Franzose spricht aus Erfahrung. Anfang der 1990er Jahre hat er als Unternehmensberater versucht, Geschäftsleute vom Sinn der E-Mail zu überzeugen. „Viele haben damals gelacht“, sagt er. Sie dachten, die E-Mail sei etwas für Computernerds – und keine Technologie, die sie ein paar Jahre später wie selbstverständlich nutzen würden. Glaubt man Preumont, wird es mit dem 3D-Druck ähnlich sein.
In der Industrie wird der 3D-Druck bereits seit Jahren eingesetzt. Medizintechniker nutzen ihn, um Prothesen oder Zahnkronen zu fertigen, Automobilhersteller produzieren auf diese Weise Stoßstangen. Jetzt soll der 3D-Druck Alltagstechnik werden. Derzeit tauchen immer mehr Hersteller auf, die 3D-Drucker für den Heimbedarf herstellen. Jüngst ging ein kleiner Hersteller von 3D-Druckern aus Bayern an die Börse in New York. Gleich am ersten Tag konnte Voxeljet den Ausgabepreis verdoppeln. 2012 haben Unternehmen mit dem 3D-Druck weltweit bereits 2,2 Milliarden Dollar verdient. Die Beratungsfirma Wohlers prognostiziert, dass diese Summe bis 2017 auf sechs Milliarden und bis 2021 auf zehn Milliarden Dollar steigt.
Im Londoner Kaufhaus starren die Besucher schon jetzt fasziniert auf die Geräte, die das Start-up neben der Foto-Kabine aufgebaut hat. Die meisten Drucker haben die Größe einer Bierkiste und man kann dem kleinen, kastigen Druckkopf dabei zusehen, wie er flüssiges Plastik auf die Ablagefläche spuckt. Ruckartig bewegt sich der Kopf hin und her, bis ein Gegenstand entsteht: mal ein Kamm, mal ein Armreif, mal ein Spielzeug-Hai – je nachdem welchen Knopf man am Drucker drückt. Das Plastik ist als langer Faden auf einer Spule auf der Rückseite des Druckers aufgerollt. Im Druckkopf wird es unter hohen Temperaturen geschmolzen und erkaltet, sobald es auf der Ablagefläche landet.
Noch kosten diese Geräte im Schnitt 2000 Euro. Doch Experten gehen davon aus, dass die zunehmende Konkurrenz die Preise schnell drücken wird. Der Franzose ist überzeugt, dass in der Zukunft fast jeder einen 3D-Drucker zu Hause haben wird. „Für mich ist die Frage nicht, ob das passiert, sondern wann“, sagt er, „schon in einem Jahr oder erst in zehn?“.
Figuren wie die 3D-Klone lassen sich mit diesen Geräten für daheim allerdings noch nicht herstellen. Dafür braucht man schon eine etwas größere Maschine. So eine, wie sie in den Räumen des Londoner Start-ups steht.
Der Drucker, der die kleinen Plastik-Figuren erschafft, hat die Größe einer Tiefkühltruhe. Durch eine Glasscheibe kann man hineinschauen. Der Innenraum ist mit einem weißen Pulver gefüllt, eine Gips-Kunststoffmischung. Der Druckerstrahl, der sich ruckartig darüber bewegt, spritzt Kleber und Farbe nach einem vorgegebenen Muster in die weiße Masse, bis eine Figur entsteht. Fünf Stunden dauert das, dann muss die Masse noch zwei weitere Stunden trocknen. Später saugt ein Mitarbeiter das überschüssige Pulver mit einem Staubsauger ab und legt so die Figuren frei. Mit einem Pinsel wischt er die Reste des weißen Staubs von den Schultern und tunkt sie dann in eine Wanne mit einer Klebermischung, die die Farben konserviert. Selbst kleine Details wie Schnürsenkel, Knöpfe oder Stofffalten sind jetzt zu erkennen. Fertig ist die 3D-Figur, das Foto der Zukunft.
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