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"Dieselgate" stellt alles in Frage - und wird Wendepunkt für Branche
© Julian Stratenschulte/dpa

Dieselgate: Dieselfahrer bleiben allein mit ihrem Problem

Verkehrsminister Andreas Scheuer setzt auf Umtauschprämien der Hersteller. Doch die stellen sich stur – und auch der Bund will nicht zahlen

Auf den Tag genau drei Jahre ist es her, das der Volkswagen-Konzern erstmals die Öffentlichkeit über Probleme mit seinen Diesel-Modellen informiert hat. Heute zeichnet sich ab, dass viele Besitzer solcher Fahrzeuge – auch von denen anderer Hersteller – mit ihren Problemen weitgehend allein bleiben dürften. Das wurde auch am Montag wieder deutlich als Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) in Grundzügen erklärte, in welche Richtung er denkt, wenn es darum geht, Millionen Autobesitzer vor Fahrverboten in deutschen Innenstädten zu bewahren.

Scheuer hatte am Freitag für diese Woche ein "Konzept" in Sachen Diesel-Probleme angekündigt. Auf einer Busfahrt in die Kleinstadt Schönewalde im Elbe-Elster-Kreis südlich von Berlin sagte Scheuer, dass er keine bei seiner Position blieben will: Er halte Hardware-Nachrüstungen, die den Schadstoffausstoß von Fahrzeugen deutlich reduzieren sollen, weiter für den falschen Weg. Eine Ausrüstung mit Katalysatoren sei selbst bei den insgesamt 5,5 Millionen Fahrzeugen der Euro-5-Norm nur bei etwa zwei Millionen möglich. Er setze daher vor allem auf Anreize zum Kauf neuer Autos.

Scheuer will die Hersteller nicht in die Pflicht nehmen

In dieser Sache sei er mit den Herstellern im Gespräch, was man bei deren Verband VDA am Montag auch indirekt auch bestätigte. "Wir werden aber kein Rundum-Sorglos-Paket schnüren können, so ehrlich muss man sein", sagte Scheuer. In einem am Montag erschienen Interview mit der "FAZ" erklärte Scheuer zudem, dass Nachrüstungen bei Bussen und kommunalen Fahrzeugen, gemeint sind damit zum Beispiel auch Müllautos, "am meisten Sinn machen".

Eine Software-Update, das den Ausstoß geringfügig senkt, bieten derzeit mehrere Hersteller an und tragen auch die Kosten in Höhe von durchschnittlich rund 200 Euro pro Fahrzeug. Nachrüstungen mit Katalysatoren und ähnlichen Geräten würde je nach Fahrzeug um die 3000 Euro kosten. Das ist ein Durchschnittswert, Scheuer nannte diesen Preis für ein mittelgroßes Modell wie den VW-Passat. Für einen Transporter seien es rund 4000 Euro.

Strittig ist, wer diesen Betrag zahlen muss, sofern eine Umrüstung überhaupt technisch möglich ist. Die Autohersteller weigern sich. Das "Handelsblatt" zitierte den VW-Cheflobbyisten Thomas Steg mit dem Satz: "Es ist ausgeschlossen, dass die Autoindustrie selbst die Nachrüstungen machen wird, dass sie Garantie und Haftung übernehmen wird". Und Scheuer will, anders als die Opposition und der Koalitionspartner SPD, die Hersteller auch nicht in die Pflicht nehmen. "Es gibt keine Kehrtwende bei mir", bekräftigte bei seinem Roadtrip durch Brandenburg. Aus dem SPD-geführten Bundesfinanzministerium hört man derweil, dass es keine Steuermittel für Nachrüstungen geben soll. Also dreht man sich im Kreis.

Scheuers Aussagen: "ein Offenbarungseid"

Diesen will Scheuer offenbar durchbrechen, indem er die Hersteller dazu bewegt, die bestehenden Eintauschprämien kräftig aufzustocken. Ferdinand Dudenhöffer, Professor an der Universität Duisburg-Essen, der regelmäßig Studien zum Automarkt veröffentlicht, nennt Scheuers Aussagen "einen Offenbarungseid". Weder er noch sein Amtsvorgänger und CSU-Parteifreund Alexander Dobrindt hätten in den drei Jahren seit Beginn des Skandals irgendetwas Sinnvolles zu dessen Lösung beigetragen. Eine Umtauschprämie von 2000 oder gar 4000 Euro werde jemanden, der vor vor drei Jahren 40000 Euro für ein Fahrzeug ausgegeben habe, kaum überzeugen.

Gleichwohl äußerte Dudenhöffer Verständnis für die rechtlichen Bedenken, die Scheuer mit Blick auf eine Pflicht zur Nachrüstung, geltend macht. "Man kann einen Hersteller nicht verpflichten, ein Fahrzeug, das vor drei Jahren als technisch einwandfrei und regelkonform zugelassen worden ist, nachträglich auf seine Kosten umzubauen.". Die Politik könnte Nachrüstungen aber unterstützen, indem sie die betreffenden Behörden wie das Kraftfahrt-Bundesamt anhalte, die von der Industrie angebotenen Hardware-Lösungen schnell zuzulassen. Doch auch das werde nicht genügen, um Fahrverbote in den meisten Städten abzuwenden. "Es ist fünf nach zwölf", sagte der Autoexperte.

Beim Verbraucherzentralen Bundesverband war man am Montag nicht ganz so pessimistisch: "Alle Dieselbesitzer, die wegen Fahrverboten ihr Auto nicht mehr nutzen können, sollten ein Angebot von den Autoherstellern erwarten können. Angemessen wäre hier der Rückkauf ihres Fahrzeuges zum Zeitwert zuzüglich 1000 Euro. Dann wäre Scheuers Konzept ein sinnvoller Vorschlag", sagte vzbv-Chef Klaus Müller.

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