Aufsteiger und Absteiger: Die Wirtschaftsköpfe des Jahres 2014
Eigentlich war alles wie immer. Einige Protagonisten fielen 2014 jedoch mit grandiosen Leistungen oder besonderen Enttäuschungen auf – sie wurden an der Börse reich, sie unterlagen in Machtkämpfen, gerieten unter Korruptionsverdacht oder landeten im Gefängnis.
JENS WEIDMANN - Im Streit über Staatsanleihen
Jens Weidmann hat eine Meinung. Und zu der steht er, mag das auch noch so unbequem sein. In diesem Jahr war es vor allem ein Thema, das den Bundesbank-Chef umtrieb: der geplante Ankauf von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank (EZB).
Notenbankchef Mario Draghi will unbegrenzt Staatspapiere kaufen, um die Wirtschaft in der EU wieder in Schwung zu bringen. Vor allem in Südeuropa. Im EZB-Rat scheinen die meisten Kollegen hinter ihm zu stehen. Allerdings nicht Weidmann. Er hält von den Anleihekäufe nichts – und macht aus der Ablehnung auch keinen Hehl. Anleihekäufe seien „kein Wundermittel“, sagt der Bundesbanker. Weidmann fürchtet, dass die Bereitschaft der Krisenstaaten im Mittelmeerraum zu Reformen sinken werde. Außerdem hafte im Zweifel der Steuerzahler für mögliche Verluste aus dem Geschäft. Zwar haben die USA das Instrument der Anleihekäufe in den ersten Jahren der Finanzkrise erfolgreich eingesetzt und damit die US-Wirtschaft stabilisiert. Allerdings warnt Weidmann: Rezepte, die in den USA funktionierten, seien nicht ohne weiteres auf Europa übertragbar. Doch so lautstark Weidmann auch gegen die Anleihekäufe wettert, am Ende wird er sich mit seiner Meinung wohl kaum durchsetzen können. So hat Draghi bereits angekündigt: Eine Entscheidung über den Anleihekauf müsse im EZB-Rat schließlich nicht einstimmig fallen. cne
HEIKE HANAGARTH - Eine Frau für die Technik bei der Bahn
In diesem Jahr wird sie liefern müssen. Der ICX, das wichtigste Zugprojekt der Deutschen Bahn seit Jahrzehnten, geht im Sommer in die Erprobungsphase, und Heike Hanagarth muss dafür sorgen, dass es keine böse Überraschungen mit dem IC-Nachfolger gibt.
Sie steht unter besonderer Beobachtung: Weil sie erst seit einem Jahr Technik-Vorstand der Bahn ist und zuvor fast nur mit Autos zu tun hatte. Und weil sie eine Frau ist und zeigen muss, dass weibliche Managerinnen nicht nur für Personalthemen taugen. 2014 war das Jahr der Frauenquote. Bahnchef Grube ist nach eigenen Angaben im Internet auf Hanagarth gestoßen. Seine Kollegen in anderen Konzernen müssen sich beeilen bei der Suche nach qualifizierten Managerinnen. brö
CLAUS WESELSKY - Gewerkschafter gegen Gewerkschaft
Die Feiertage hat er gebraucht. Claus Weselsky war in den vergangenen Monaten auf einem hohen Seil unterwegs, und das ist verdammt anstrengend. Zumal dann, wenn man abrutscht. Das passierte dem Chef der Lokführergewerkschaft, als er im Sommer die konkurrierende Eisenbahnergewerkschaft mit einem Behinderten verglich. Kurz vor Weihnachten merkte man Weselsky den Stress des Jahres an, als er überaus erleichtert „einen Durchbruch“ im Tarifkonflikt mit der Bahn meldete.
Es gibt nun etwas mehr Geld für die GDL-Mitglieder. Das ist aber nicht der Kern der Auseinandersetzung. Weselsky hat protoypisch einen Kampf gekämpft, den es nicht geben sollte: Eine Bahngewerkschaft (GDL) attackiert die andere Bahngewerkschaft (EVG) und versucht ihr Mitglieder abzujagen, indem sie bessere Tarifverträge verspricht. Das wird die Regierung nun mit einem Gesetz über die Tarifeinheit unterbinden. Das Verhalten Weselskys hat dafür eine Legitimationsgrundlage geliefert. alf
Wirtschaftssenatorin Yzer, Ex-ADAC-Präsident Meyer und Ex-Arcandor-Chef Middelhoff
CORNELIA YZER - Keine Angst vor Konflikten
Die Jahresbilanz der Berliner Wirtschaftssenatorin ist eindeutig: Sie hat überlebt. Das ist nicht allein ihr Verdienst. Hilfreich war vielmehr der Umstand, dass ihre Vorgängerin Sybille von Obernitz sich verkämpft hatte und gehen musste; einen zweiten Rücktritt einer auf dem CDU-Ticket fahrenden Senatorin binnen weniger Jahre wollte CDU-Chef Frank Henkel aber sich und seiner Partei keinesfalls zumuten. Und am Ende des Jahres steht Cornelia Yzer gar nicht so schlecht da. Die Berliner Wirtschaft läuft vergleichsweise rund, die Stadt ist beliebt bei Gründern und Touristen und die Arbeitslosigkeit bewegt sich so langsam auch in Richtung eines verträglichen Maßes.
Yzers spektakuläre und in der Wirtschaft auf viel Unverständnis gestoßene außerordentliche Kündigung des geschätzten Chefs der Investitionsbank, Ulrich Kissing, wurde inzwischen vor Gericht bestätigt. Der Mann hatte offenbar das Maß verloren. Und den monatelangen Streit um die Aufsichtsratsspitze der Messe Berlin hat Yzer zwar nicht gewonnen – aber auch nicht verloren. Kurzum: Sie wankte, aber sie fiel nicht. Und kann sich nun auf Inhaltliches konzentrieren. Was ist eigentlich mit der Industriepolitik? alf
PETER MEYER - Mit dem ADAC aufgestiegen und abgestürzt
Peter Meyer hat nur noch in Nordrhein-Westfalen etwas zu sagen. Dort ist dem 65-Jährigen der Vorsitz der ADAC-Landesgruppe geblieben. Auch im Verwaltungsrat des Autoclubs sitzt Meyer noch. Aber über die Zukunft des 19-Millionen- Mitglieder-Vereins entscheiden andere. Meyer ist seit seinem Rücktritt am 10. Februar Vergangenheit. In seiner 13-jährigen Amtszeit stieg der ADAC zur mächtigsten Autofahrer-Lobby Deutschlands auf – und stürzte am Ende in seine tiefste Krise.
Am 14. Januar, einen Tag, nachdem die ADAC-Zeitschrift „Motorwelt“ den VW Golf zum „Lieblingsauto der Deutschen“ ausgerufen hatte, begann mit Berichten über Manipulationen die Affäre. Dem Ex-Chefredakteur der „Motorwelt“, Michael Ramstetter, wird vorgeworfen, seit Jahren die Zahl der Teilnehmer der Leser-Wahl und die Rangfolge der Fahrzeuge verändert zu haben. Nach Ramstetter tritt auch Meyer zurück. Täglich kommen weitere Skandale ans Licht: private Flüge mit Rettungshubschraubern, Mauscheleien bei der Pannenhilfe und anderes. Meyers Nachfolger August Markl baut den Club um – und muss um den Vereinsstatus bangen. Geschäft und Gemeinnütziges sollen streng getrennt werden. mot
THOMAS MIDDELHOFF - Übers Dach geflohen
Zunächst war das amüsant: Die Vorstellung, dass er sich regelmäßig mit dem Hubschrauber zur Arbeit fliegen ließ, um dem Stau am Kamener Kreuz zu entgehen. Man gönnt sich ja sonst nichts. Und als vielfach Angeklagter trotzig alles und jeden zurückverklagen. Spektakulär, wie er vor Journalisten über das Garagendach aus dem Gerichtssaal floh. Mit der Zeit aber wuchs die allgemeine Abscheu gegenüber dem Mann, über den immer neue unsympathische Details bekannt wurden: Dass er und seine Frau über einen Fonds von den hohen Mieten profitierten, die den Karstadt-Konzern belasteten; dass er die Entlassung von 4500 Mitarbeitern beim „Power-Shopping“-Wochenende in Saint Tropez beschloss. Und dass er noch in dem Jahr, da Arcandor einen dreistelligen Millionenverlust verbuchte, siebenstellige Boni für sich abzweigte.
In Deutschland wurde Thomas Middelhoff zum Sinnbild des raffgierigen Managers. Vor Gericht gab er sich arrogant, verstrickte sich in Widersprüche. Am 14. November verurteilte das Landgericht Essen ihn wegen Untreue und Steuerhinterziehung zu drei Jahren Haft. Er soll seinen Arbeitgeber um eine halbe Million Euro betrogen haben. Zum Vergleich: Uli Hoeneß bekam für die Hinterziehung von knapp 30 Millionen Euro dreieinhalb Jahre. Seither diskutiert man auch die Verhältnismäßigkeit der Strafe. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, im Knast sitzt Middelhoff trotzdem: Wegen Fluchtgefahr. Kein schönes Jahr für den Ex-Manager. mch
Karstadt-Interimschefin Sjöstedt, Microsoft-Chef Nadella und Eon-Chef Teyssen
EVA-LOTTA SJÖSTEDT - Karstadt-Chefin für sechs Monate
Ihre Bestellung hatte viele überrascht: Eva-Lotta Sjöstedt sprach nicht nur kein Deutsch, sie hatte auch keinerlei Erfahrung im deutschen Einzelhandel. Als Managerin beim Möbelkonzern Ikea hatte die Schwedin zuvor ein Unternehmen mit komplett anderer Philosophie und Zielgruppe gelenkt. Dennoch gab es schnell viel Lob für die Frau, die im Februar das Amt der Karstadt-Chefin übernahm: Als unkompliziert, anpackend und motivierend erlebten die Mitarbeiter die 47-Jährige. Offenbar verfügte sie auch über ein scharfes Urteilsvermögen – nach nicht einmal fünf Monaten schmiss sie in Essen hin, warf Eigentümer Nicolas Berggruen falsche Versprechungen und mangelnde Investitionsbereitschaft vor.
Die klare Botschaft der Schwedin: Sie wollte nicht Kapitän eines Schiffes sein, das unweigerlich auf seinen Untergang zusteuert. Seither ist das traditionsreiche Unternehmen nicht zur Ruhe gekommen. Milliardär Berggruen geriet zunehmend unter Druck und beendete schließlich seine glanzlose Episode mit Karstadt. Für einen symbolischen Preis von einem Euro übernahm der österreichische Investor René Benko die Kette. Weitere Führungkräfte gingen, Aufsichtsratschef Stephan Fanderl wurde Geschäftsführer und verkündete den Abbau von 2000 Stellen und sechs Filialschließungen. Jetzt wird an einem Zukunftskonzept und Sozialplänen gearbeitet. mch
SATYA NADELLA - Microsoft durchgeschüttelt
Innovativ, mutig, knallhart und frauenfeindlich. Bereits in seinem ersten Jahr als Microsoft-Chef zeigte Satya Nadella eine Menge Facetten. Seit er im Februar die Leitung von Steve Ballmer übernahm, hat er den Technologiekonzern durchgeschüttelt. Jahrzehntelang setzte Microsoft auf die Kraft von Windows. In Millionen Unternehmen ist das Betriebssystem der Standard und spielt Lizenzgebühren ein.
Doch der 47-Jährige treibt den von Ballmer eingeleiteten Wandel voran. Nutzer von älteren Windows-Versionen können plötzlich kostenfrei per Download updaten. Programmierer sind eingeladen, die Software zu verbessern. Microsoft-Dienste sollen auch auf Smartphones mit Konkurrenz-Software von Apple und Google laufen. So sehr Nadella den Konzern auf modern trimmt, so sehr wird auch das Negative hängen bleiben aus dem ersten Jahr. Er strich nach der Integration des Handygeschäfts von Nokia 18 000 Stellen. Und er riet Frauen, nicht nach Gehaltserhöhungen zu fragen, sondern an ihr gutes Karma zu glauben. sf
JOHANNES TEYSSEN - Energieversorger als Bad Bank
Ende November war von einer „Neuordnung des Energiemarktes“ die Rede und von einer „Revolution im Rheinland“. Anlass bot der bisher nicht für revolutionäre Umtriebe bekannte Johannes Teyssen, Chef von Europas größtem Energieversorger Eon.
Er hatte die Spaltung des Konzerns in zwei Teile angekündigt. Einer soll das Geschäft rund um die erneuerbaren Energien umfassen, der anderer Teil die alten Energien rund um Kohle und Atom fortführen. So könnte Teyssen einen Weg gefunden haben, einen wesentlichen Teil des Unternehmens fit für die Zukunft zu machen – allerdings nicht so, wie sich die Bundesregierung und die Allgemeinheit das vorstellen. Denn indem Eon die Risiken rund um die Kernkraft in eine Gesellschaft nach dem Muster einer „Bad Bank“ auslagert, ist weder dem Klimaschutz noch der Volkswirtschaft geholfen. Der Steuerzahler, so fürchten viele, bleibt auf den Kosten sitzen. Gut möglich, dass die Eon-Spaltung am Ende sogar abgeblasen wird, wenn die Regierung dem Manager nur weit genug entgegengekommen ist – etwa bei der Übernahme der Kosten für die Akw-Altlasten. kph
Rocket-Internet-Vorstandschef Samwer und Ex-Air-Berlin-Chef Prock-Schauer
OLIVER SAMWER - Ganz gut gerockt
Endlich ein Börsengang! Lange hatte die Berliner Start-up-Szene diesem Ereignis entgegengefiebert. Die Hoffnung: Geht das erste große Start-up an die Börse, kommen die Investoren aus aller Welt in Scharen in die deutsche Hauptstadt. So der Traum der Berliner Gründerszene – der sich indes noch erfüllen muss. Die Grundlage jedenfalls legte Anfang Oktober ausgerechnet Oliver Samwer, der im Kreise kreativer Start-up-Unternehmer wegen des Kopierens guter Ideen nicht den besten Ruf genießt. Als Vorstandschef brachte er mit Rocket Internet gleich eine ganze Start-up-Fabrik an die Frankfurter Börse. Rocket sondiert weltweit Online-Geschäftsideen und kopiert diese, indem es sie in eigenen Unternehmen am Markt platziert. Eines dieser Unternehmen, die Samwer einst gründete und an dem er mit seinen Brüdern Marc und Alexander beteiligt ist, wagte ebenfalls den Schritt aufs Parkett.
Inzwischen ist die Aktie des Berliner Online-Modehändlers Zalando im Kleinwerteindex S-Dax an der Frankfurter Börse gelistet. Nach mauem Start haben die Papiere beider Unternehmen deutlich zugelegt. Die Dimension des Rocket-Börsengangs dürften Oliver Samwer, bekannt für seine – zurückhaltend formuliert – kämpferische Wortwahl, durchaus gefallen haben. Es war der größte eines Internet-Unternehmens in Europa seit dem Boom-Jahr 2000 und die größte Neuemission in Deutschland seit sieben Jahren. 1,6 Milliarden Euro sammelte Rocket Internet bei Anlegern ein. Man ahnt, dass Oliver Samwer, der sich einst in einer E-Mail an seine Mitarbeiter als der „aggressivste Mann im Internet“ bezeichnete, sich auf diesem Erfolg nicht ausruhen wird. sf
WOLFGANG PROCK-SCHAUER - Nur zwei Jahre im Chefsessel bei Air Berlin
Möglich, dass er am Ende auch nur als „ein Interimschef“ von Air Berlin in die Firmenchronik eingehen wird, aber Wolfgang Prock-Schauer führte Deutschlands zweitgrößte Fluggesellschaft (nach der Lufthansa) in einer besonders schwierigen Phase – und dabei immer ganz eng am Abgrund entlang. Zwei Jahre wird Prock-Schauer auf dem Chefsessel verbracht haben, wenn er den Posten im kommenden Februar an den ehemaligen Thomas-Cook-Chef Stefan Pichler abgibt. Zwei Jahren – das waren immerhin ein paar Monate mehr, als Vorgänger Hartmut Mehdorn an der Spitze der Airline verbrachte. Anschließend biss sich Mehdorn zum mutmaßlichen Karriereende noch die Zähne an den Berliner Flughäfen aus, respektive am BER.
Der charmante Österreicher Prock-Schauer konnte besser als seine knorriger Vorgänger das Image der „Airline mit Herz“ verkörpern, obwohl Air Berlin diesen Slogan gar nicht mehr verbreitet. Prock-Schauers Problem war womöglich, dass er zu viel Herz zeigte, Air Berlins Geschicke nicht hart genug lenkte und vor allem nicht nach dem Geschmack der Herren aus Abu Dhabi beim Großaktionär Etihad agierte. Und leider war Prock-Schauer offenbar auch kein Mann nach dem Geschmack der Börse und der Anleger: Seit Dienstantritt im Januar 2013 sank der Aktienkurs von rund 1,55 Euro auf zuletzt knapp 1,12 Euro. Zum Glück ist das aber nicht die einzige Maßeinheit für den Erfolg eines Managers. Daher soll Prock-Schauer auch im Führungsgremium der Fluggesellschaft bleiben – jedenfalls bis auf Weiteres. kph
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