Der Balanceakt: Die Wirtschaft wächst - aber wie lange noch?
Die deutsche Wirtschaft wächst kräftig. Doch Experten sehen wachsende Risiken. Zum Beispiel könnte die Konsumlaune der Deutschen bald nachlassen.
Die Deutschen leisten sich etwas. Sie kleiden sich neu ein, machen einen teuren Urlaub oder kaufen neue Möbel. Die Trump-Wahl oder der angekündigte Brexit schrecken sie bislang kaum. Noch scheint all das weit weg, noch hat es mit ihrer Lebenswirklichkeit zumindest gefühlt wenig zu tun. Schließlich haben sehr viele Deutsche derzeit einen Job, die Arbeitslosigkeit ist 2016 auf ein Rekordtief gefallen. Dazu kommen steigende Löhne und niedrige Zinsen, die das Sparen weniger attraktiv machen. Also gehen die Deutschen shoppen – und lassen das Bruttoinlandsprodukt (BIP) so steigen. Um 0,4 Prozent legte die Summe der produzierten Waren und Dienstleistungen zwischen Oktober und Dezember zu, zeigen Zahlen des Statistischen Bundesamts vom Dienstag. Damit macht die Wirtschaft die maue Entwicklung aus dem Sommer wett, als das BIP nur um 0,1 Prozent wuchs. Für das gesamte Jahr 2016 steht unter dem Strich sogar eine Wachstumsrate von 1,9 Prozent – womit die Experten sehr zufrieden sind. „Die deutsche Wirtschaft hat sich zuletzt sehr robust entwickelt“, sagt Simon Junker von Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW).
WO DAS WACHSTUM HERKOMMT
Dass es der deutschen Wirtschaft so gut geht, liegt vor allem an höheren Ausgaben. Dabei sind es nicht nur die Verbraucher, die sich mehr leisten, sondern auch der Staat. Notgedrungen. Die Unterstützung der Flüchtlinge hat 2016 wie ein kleines Konjunkturprogramm gewirkt. Fast zwanzig Milliarden Euro haben die Bundesländer für die Versorgung der Flüchtlinge ausgegeben: für Unterbringung, Verpflegung, Betreuung und Bewachung. Was für die Länder eine enorme finanzielle Belastung war, hat den Unternehmen geholfen. Ob Sicherheitsdienste, Baukonzerne oder Cateringfirmen: Sie alle haben dadurch mehr Aufträge bekommen und konnten so mehr Menschen einstellen. Das hat die Wirtschaft wachsen lassen. Volkswirte rechnen vor, dass das BIP allein durch die Flüchtlingsausgaben um 0,3 Prozent zugelegt hat.
Der Konsum der Verbraucher und die Ausgaben des Staates waren so stark, dass sie die schwachen Exporte ausgleichen konnten. Die deutschen Firmen haben zwar auch im vergangenen Jahr wieder mehr Waren ins Ausland verkauft. Doch mit einem Zuwachs von 2,5 Prozent haben die Ausfuhren längst nicht so stark zugenommen wie noch 2014 oder 2015.
WIE ES WEITER GEHT
So gut die deutsche Wirtschaft derzeit dasteht, ist doch längst nicht gesagt, dass es so gut auch weiter geht. Die EU-Kommission geht für 2017 zwar immer noch von einem Wirtschaftswachstum von 1,6 Prozent in Deutschland aus, die Bundesregierung rechnet mit 1,4 Prozent. Doch es gibt viele Risiken, die den Aufschwung gefährden.
Da ist zum einen der Trump-Effekt. Sollte der neue US-Präsident tatsächlich Strafzölle auf Waren aus dem Ausland einführen, würde das die deutsche Wirtschaft erheblich treffen. Schließlich exportieren die hiesigen Unternehmen in kein Land mehr Produkte als in die USA. Der Brexit könnte ebenfalls noch ein Thema werden. „Auch wenn man bisher kaum Auswirkungen gesehen hat, dürfen wir nicht glauben, dass wir da weiterhin ungeschoren drumherum kommen“, sagt DIW-Experte Junker.
Entsprechend wichtig bleibt die Binnennachfrage – und damit vor allem der Konsum der Verbraucher. Doch gerade darin liegt eine Gefahr. Denn glaubt man Experten wie Junker, ist es nicht gesagt, dass die Deutschen auch weiterhin so fleißig Geld ausgeben. Dass sie im vergangenen Jahr so viel gekauft haben, lag nämlich unter anderem an der niedrigen Inflationsrate. Der schwache Ölpreis hat zum Beispiel das Heizen und Tanken für viele Menschen billiger gemacht – wodurch sie mehr Geld im Portemonnaie hatten, das sie wiederum für andere Dinge ausgeben konnten. Inzwischen hat sich das aber geändert, die Preise steigen wieder, die Inflation nimmt zu.
WELCHE FOLGEN DIE INFLATION HAT
Um 1,9 Prozent haben die Verbraucherpreise im Januar gegenüber dem Vorjahresmonat zugelegt, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag bestätigte. Vor allem Lebensmittel und Energie sind zuletzt teurer geworden. Die Preise für Heizöl sind zum Beispiel um fast 43 Prozent gestiegen, Kraftstoffe haben sich im Januar um zwölf Prozent verteuert. Beim Einkaufen merken die Verbraucher die Inflation vor allem an der Gemüsetheke: Die Preise für Gemüse sind um mehr als zehn Prozent gestiegen. Besonders stark fällt der Preissprung bei Gurken und Salat aus.
Müssen die Menschen für Waren wie diese mehr ausgeben, fehlt ihnen das Geld an anderer Stelle. Dazu kommt, dass Sparer eine solch hohe Inflationsrate derzeit nicht durch hohe Zinsen ausgleichen können: Wer Geld anlegt, kann sich davon also morgen weniger kaufen als heute. Das Marktforschungsunternehmen GfK prognostiziert deshalb bereits, dass die privaten Konsumausgaben in diesem Jahr längst nicht mehr so stark steigen werden wie 2016.
WAS PASSIEREN MUSS
Noch lehnen sich die Deutschen entspannt zurück. Dabei halten Volkswirte wie Junker das für falsch. Das DIW fordert schon länger höhere staatliche Investitionen – zum Beispiel in die Infrastruktur: in bessere Autobahnen und schnelleres Internet. Die Unternehmen würden davon profitieren, weil sie effizienter werden, ihre Produkte zum Beispiel schneller von A nach B bringen können. Das würde die Wirtschaft nachhaltig stärken, die Firmen könnten mehr Angestellte einstellen. Noch investiert Deutschland allerdings weniger als die OECD-Staaten es im Schnitt tun, hieß es kürzlich wieder in einer Studie der Bertelsmann Stiftung. Auch sie sieht Investitionen als „ein zentrales Instrument, wirtschaftliches Wachstum zu stärken und gesellschaftlichen Wohlstand zu steigern“.
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