Energiesparlampe: Die ungeliebte Jubilarin
Im April 1985 kam die "erste elektronische Stromsparlampe" auf den Markt – und wird seitdem von vielen leidenschaftlich gehasst.
Berlin - Energiesparlampen machen Krebs. Und Sonnenbrand. Und impotent. Angeblich. Wissenschaftlich bewiesen wurden all diese Behauptungen nie, aber es gibt wohl kaum ein Produkt der Industrie, dass derart leidenschaftlich gehasst wird. Und geliebt – je nachdem, wen man fragt. Und das seit nunmehr 25 Jahren: Im April 1985 präsentierte der deutsche Leuchtmittelhersteller Osram auf der Hannover Messe der Weltöffentlichkeit die „erste elektronische Stromsparlampe“ und brachte diese anschließend in den Handel.
Der Augsburger Ingenieur Alfred Wacker, ehemals Marketingleiter bei Osram, stellte die stabförmige Sparlampe damals vor. Die war mit 20 Zentimetern doppelt so lang wie eine herkömmliche Glühlampe. Er erinnert sich, dass es auch damals auf der Messe Fragen über den Sinn und Zweck gab, die er aber mit einem Argument entkräftete: Sie braucht 80 Prozent weniger Strom für die gleiche Lichtleistung. „Das hat den meisten sofort eingeleuchtet“, war sein Eindruck.
Energiesparen war damals trotz der aufkommenden Öko-Bewegung noch kein so großes Thema wie heute im Zeitalter jährlicher Klimakonferenzen. „Aber vor allem die, die rechnen konnten oder mussten, waren recht schnell überzeugt“, behauptet Wacker. Das waren zunächst Kunden aus der Industrie. Gefragt war die Sparlampe dort, wo man dauerhaft Licht brauchte, es aber nicht oft an- und ausschalten musste. Denn die Lampe benötigt eine Vorwärmphase und erreicht erst nach rund 30 bis 45 Sekunden die volle Leuchtkraft. Bei einigen Lampen konnten die Hersteller die Zeit aber um die Hälfte reduzieren.
Die alte Osram Dulux EL kostete 40 Mark, also gut 20 Euro. Heute gibt es Energiesparlampen zu Preisen zwischen vier und knapp 30 Euro. Damit scheinen sie nicht konkurrenzfähig gegenüber den konventionellen Glühlampen zu Stückpreisen um 50 Cent. Aber die Kosten würden sich damals wie heute nach ein bis drei Jahren amortisieren, sagt Wacker – natürlich abhängig davon, wie teuer die Kilowattstunde Strom ist. So funktionierte die Einführung der Energiesparlampe für Osram ausgezeichnet in Italien. In Frankreich dagegen, das zu 80 Prozent mit billigem Atomstrom versorgt wird, lief der Vertrieb überhaupt nicht, erinnert sich Wacker. Auch in den USA kam der Verkauf nur schleppend voran. „Der Strom war dort lange so billig, dass kein Amerikaner auf die Idee kommen würde, das Licht auszuschalten, wenn er einen Raum verlässt“. Das habe sich aber mittlerweile geändert.
Unabhängig vom Strompreis konnten die Hersteller über die Jahre ein Nord-Süd-Gefälle beim Absatz feststellen: Während Energiesparlampen im kühlen Skandinavien mit den langen Wintern einen schlechten Stand haben, sind sie in südlichen Ländern sehr gefragt. Im Mittelmeerraum schätzen Kunden das kühlere Licht sogar beim Essen in gemütlichen Restaurants. Die Deutschen sind beim Einsatz der Lampe dagegen in mindestens drei Lager gespalten: Freunde, Gegner und die, die ein ambivalentes Verhältnis zu dem Leuchtmittel pflegen.
Da zählt streng genommen auch der „Vater der Energiesparlampe“, wie Osram Alfred Wacker nennt, dazu: Er schraubte die ersten Modelle schon 1984, also vor dem Marktstart, in die Fassungen seines Privathauses ein. Bis heute brennen Energiesparlampen überall – außer bei ihm in der Küche und dem Esszimmer. Denn vor allem Speisen, besonders Fleisch, sehen fahl aus, findet er. Das liegt an dem geringen Rotanteil im Sparlicht. In der Küche setzt Wacker auf energiesparende Halogenlampen und experimentiert mit LEDs, denen der Markt der Zukunft gehört, wie er glaubt.
LED steht für „lichtemittierende Diode“. Die Leuchten sind die Hoffnungsträger der Branche. Das wurde auch auf der Light + Building deutlich, der mit 180 000 Besuchern weltgrößten Lichtmesse, die am vergangenen Freitag in Frankfurt am Main zu Ende ging. Dort rechneten Männer wie Rudy Provoost, Chef der Lichtsparte des niederländischen Osram-Konkurrenten Philips, vor, dass in zehn Jahren 70 Prozent aller Lichtquellen auf den kleinen Halbleiterbauteilen basieren. Heute beträgt ihr Anteil gerade mal rund zwei Prozent. Glühlampe war gestern, LED ist vielleicht morgen. Die Gegenwart aber gehört definitiv der umstrittenen Energiesparlampe: Schon vor drei Jahren ergab eine repräsentative Umfrage, dass 82 Prozent der Bundesbürger Energiesparlampen benutzen. 46 Prozent sagten, sie würden „viele“ Sparlampen im Haushalt einsetzen. Heute dürfte dieser Anteil deutlich höher liegen. Das liegt vor allem daran, dass die EU die konventionelle Glühlampe nach und nach aus dem Verkehr zieht. Lampen mit mattiertem Glas sind schon jetzt ganz verboten. Seit September vergangenen Jahres dürfen keine klaren Glühbirnen mit über 100 Watt Leistung mehr verkauft werden. Bis September 2012 werden schrittweise auch alle schwächeren Birnen aus den Regalen verschwinden (siehe Grafik).
Das löst bei einigen Menschen schweren Abschiedsschmerz aus. Zum Beispiel bei dem Designer Lutz Jahnke. Der 30-Jährige hat vergangene Woche mit 15 Freunden in drei Tagen Arbeit 10 000 ausrangierte Glühlampen auf ein Gestell aus Holz und Draht montiert und auf einem Platz in Offenburg aufgebaut. Sie tauften das Ganze „Birnendenkmal“, es war ihr Beitrag zum Lichtfestival Luminale, das bis Freitag in Frankfurts kleiner Nachbarstadt stattfand. Sie wollten diesem „formästhetischen Gegenstand einen würdigen Abgang verschaffen“, wie Jahnke sagt. Der Kurator der Luminale dagegen nannte dieses Kunstwerk „ein rückwärts gewandtes Projekt, die Zukunft gehört der LED-Technologie.“
Designer Jahnke und seine Mitstreiter kennen Statistiken wie diese: Wenn jeder der rund 40 Millionen deutschen Haushalte nur eine 100-Watt-Glühlampe durch eine 21-Watt-Energiesparlampe austauschen würde, könnten 1,6 Millionen Tonnen CO2 vermieden werden. Dies entspricht dem Jahresausstoß von fast 750 000 Autos. Energiesparen findet Jahnke gut. Und doch ist er sicher, dass das EU-Verbot der Glühbirne vor allem von Lobbys der Lichtindustrie durchgesetzt wurde. „Insofern steht unser Kunstwerk auf dem schmalen Grat zwischen Denkmal und Mahnmal“, sagt er. Jetzt sucht er einen Käufer für das Kunstwerk, eine Bank vielleicht.
Sparlampenvater Wacker kann die Nostalgie übrigens verstehen: Die Leute hätten die Glühlampe eben über 100 Jahre lieb gewonnen. „Zum Geburtstag wünsche ich der Sparlampe, dass sie noch mehr Freunde findet“, sagt er.
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