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Berliner Weltklasse. In Moabit werden die effizientesten Gasturbinen gebaut. Doch die Nachfrage ist ins Stocken geraten.
© dapd

Siemens in Berlin: Die Turbinen drehen langsamer

Das Unternehmen baut in Berlin Stellen ab, Grund ist die eingebrochene Nachfrage auf dem Weltmarkt. Auch im Gasturbinenwerk in Moabit sollen zukünftig weniger Menschen arbeiten. Das gefährdet die Entwicklung der Industrie in der Hauptstadt.

Die fetten Jahre für Siemens in Berlin sind vorbei. In den vergangenen Jahren liefen die Geschäfte so gut, dass Siemens Millionen investierte und kräftig Arbeitsplätze aufbaute. Nach dem radikalen Stellenabbau nach der Wende arbeiteten Ende September wieder rund 13 500 Menschen für Siemens in der Hauptstadt. Allein rund um das Gasturbinenwerk in der Moabiter Huttenstraße entstanden 700 neue Stellen.

Das Werk – in dem Konzernchef Peter Löscher gerade die Bilanz präsentierte – arbeitete zeitweise an der Kapazitätsgrenze. Doch die Auftragsbücher sind dünner geworden. Und das von Löscher angekündigte Effizienzprogramm, das die Kosten im ganzen Konzern bis 2014 um sechs Milliarden Euro drücken soll, wird auch Berlin treffen, auch das Vorzeigewerk in Moabit. Der Stellenabbau dort kommt noch zu den vielen Arbeitsplätzen hinzu, die bei Osram und beim Gemeinschaftsunternehmen Nokia Siemens Networks (NSN) verloren gehen.

„Wir leiden unter sinkenden Auftragseingängen“, sagt Lennart Kunde, Betriebsratsvorsitzender des Gasturbinenwerks. Die Nachfrage auf dem Weltmarkt sei eingebrochen, statt 250 Gasturbinen pro Jahr würden derzeit nur 200 nachgefragt. In Deutschland würden so gut wie gar keine Gaskraftwerke gebaut, das sei auch Schuld der Politik, meint Kunde. Im Energiekonzept der Bundesregierung komme Gas gar nicht vor.

Ein Konzernsprecher bestätigt den rückläufigen Auftragseingang im Berliner Werk. „Wir arbeiten nicht unter Volllast“, sagt er. Nachdem in 2011 und 2012 deutschlandweit rund 1100 Arbeitsplätze bei Siemens in den Bereichen fossile Stromerzeugung sowie Öl und Gas entstanden seien, würden im Zuge des Effizienzprogramms nun rund 1100 Arbeitsplätze wieder abgebaut. „Noch stehen die Zahlen nicht fest“, sagte er. „Wir sind in Verhandlungen mit den Arbeitnehmervertretern.“ Betriebsratsvorsitzender Kunde geht davon aus, dass im Berliner Werk mehr als 100, aber weniger als 200 Arbeitsplätze abgebaut werden.

Arbeitnehmervertreter und Gewerkschaft sehen auch die Politik in der Pflicht. „Wir haben die Sorge, dass die gute Entwicklung in der Berliner Industrie in den letzten Jahren nun durch die Pläne von Siemens, NSN und Osram konterkariert wird“, sagt Klaus Abel aus der Berliner IG-Metall-Spitze.

„Wir fordern Beschäftigungsperspektiven für alle diese Mitarbeiter.“

Die härteste Auseinandersetzung werde derzeit beim Netzwerkausrüster NSN geführt, sagt Irene Schulz vom Siemens-Team der IG Metall. 2007, als das Gemeinschaftsunternehmen entstand, habe NSN in Berlin rund 2000 Mitarbeiter gehabt, zur Zeit seien es noch rund 1050. Der Abbau von weiteren 160 Stellen sei bereits angekündigt. Außerdem trennt sich NSN von dem Bereich Glasfasernetze mit 350 Mitarbeitern in Berlin und dem Bereich Geschäftsentwicklung mit 330 Beschäftigten. Diese Mitarbeiter wechseln jedoch zunächst zu neuen Arbeitgebern. „Wir fordern Beschäftigungsperspektiven für alle diese Mitarbeiter“, sagt Irene Schulz, „und ein Standortkonzept für die verbleibenden 200 Mitarbeiter. Es ist klar, dass wir dem Management da nicht mehr viel zutrauen.“ Schulz sieht auch hier eine politische Dimension abseits der Beschäftigungsperspektive. Die deutsche Politik müsse sich überlegen, ob sie zusehen wolle, wie so eine systemrelevante Industrie wie die Datenübertragung vollständig in ausländische Hände gerate.

Ein weiterer Arbeitsplatzabbau steht ebenfalls bei Osram an. Die Lichttochter soll im kommenden Jahr an die Börse gehen. In Berlin baut Siemens unter anderem Xenon-Lampen für die Autoindustrie sowie Hochdrucklampen für Schaufenster- und Straßenbeleuchtung. 2009 hatte Osram noch 2100 Leute in Berlin, aktuell sind es 1465. „Am Ende werden wir bei 1100 oder 1000 sein“, sagt Betriebsratsvorsitzender Andreas Felgendreher. Er wirft dem Management vor, keine Perspektiven für den Standort zu entwickeln. „Vor zwei bis drei Jahren hatten wir noch das modernste Werk in Berlin mit der neuesten Technologie“, kritisiert er. „Doch neue Produkte kommen nicht nach Berlin.“ Wenn sich das fortsetzt, wird es bald noch weniger Industriejobs in Berlin geben.

Corinna Visser

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