Ökonom Achim Wambach: „Die technologische Revolution macht Arbeitsplätze besser“
Achim Wambach, Chef der Monopolkommission, spricht im Interview über die Jobs der Zukunft, die Macht von Amazon und Co und den Überlebenskampf kleiner Läden.
Herr Wambach, im Jahr 2025, also schon in sieben Jahren, erledigen die Maschinen mehr Arbeit als Menschen. Ist Deutschland darauf vorbereitet?
Wir sind in Deutschland mit unserer Sozialpartnerschaft gut aufgestellt. Die Gewerkschaften gehen gerade in die kleinen Unternehmen und sprechen den technologischen Wandel aktiv an. Wir wissen aus Studien, dass durch die künstliche Intelligenz und die Arbeit 4.0 viele Arbeitsplätze verloren gehen, aber auch viele neue entstehen. Und viele Jobs verändern sich. Das heißt: Die Unternehmen müssen ihre Mitarbeiter weiterbilden und in neue Bereiche führen.
Tun sie das?
Die Großen ja, beim Mittelstand sehen wir Defizite. Die mittelständischen Unternehmen haben derzeit volle Auftragsbücher und suchen Fachkräfte, für die ist der technologische Wandel im Moment kein großes Thema.
Vernichtet die technologische Revolution mehr Jobs, als sie bringt?
Bisher hat jede technologische Revolution dazu geführt, dass die Arbeitsplätze besser geworden sind. Wenn Routinetätigkeiten von Computern und Maschinen übernommen werden, können Menschen andere, anspruchsvollere Aufgaben übernehmen.
Aber nicht alle können das, sind überfordert. Was wird aus denen?
Die Digitalisierung ist anders als frühere technische Veränderungen. Es fallen nicht unbedingt die einfachen Tätigkeiten weg, sondern die Routinejobs, die es ja auch in der Mittelschicht gibt. Dagegen werden wir auch in Zukunft Menschen in der Alten- und Krankenpflege brauchen. Oder im Supermarkt.
Welche Jobs werden wichtiger?
Es fehlen Fachkräfte insbesondere in der Pflege, im Handwerk und in der Informatik. Studienanfänger sind gut beraten, ein Mathematik-, Ingenieurs-, IT- oder naturwissenschaftliches Studium zu wählen. Aber auch die Ausbildungen verändern sich. Aus dem Kfz-Mechaniker ist der Kfz-Mechatroniker geworden, der sich auch mit Computern im Auto auskennt. Unsere Berufsbezeichnungen und die Inhalte der Ausbildung passen sich den neuen Gegebenheiten an, das ist gut.
Die Digitalisierung krempelt das Leben völlig um. Was heißt das?
Die Digitalisierung betrifft wirklich alle Lebensbereiche. Das ist das erste. Hinzu kommt, dass sich unsere Wirtschaftsform ändert. Die Internetunternehmen werden immer größer. In den USA erwirtschaften die Top 100-Unternehmen fast die Hälfte der Wertschöpfung, wir haben also eine erhebliche Konzentration. Die größten fünf US-Konzerne Apple, Amazon, Facebook, Google und Microsoft sind zugleich die teuersten der Welt. Aber sie forschen auch am meisten. Google und Amazon geben mehr Geld für Forschung aus als VW. Wir in Deutschland sind so was nicht gewöhnt, wir setzen mehr auf mittelständische Unternehmen. Und: Die Digitalisierung verändert die Arbeitswelt. Arbeitnehmer in Deutschland waren daran gewöhnt, ihr Leben lang bei einem Unternehmen zu arbeiten. Jetzt hören wir von den Clickworkern, die auf freiberuflicher Basis mal für den einen, dann für den anderen Jobs erledigen.
Kein Wunder, dass die Veränderungen den Leuten Angst machen.
Ja, aber wenn wir die Weichen richtig stellen, werden die Menschen profitieren. Sie können von Routine-Aufgaben befreite, besser bezahlte Jobs bekommen, der Lebensstandard steigt.
Und wie soll das gehen?
Wir brauchen eine schlagkräftige Missbrauchsaufsicht, damit die großen Internetunternehmen nicht über die Stränge schlagen. Wir müssen aber auch unsere Abwehrhaltung aufgeben.
Was meinen Sie?
Uber hat in Deutschland nicht Fuß fassen können, Airbnb wird blockiert. Wir müssen offener werden, wenn wir eigene Internetunternehmen auf die Beine stellen wollen. Warum muss ein Fintech die volle Regulierung erfüllen? In anderen Ländern lässt man diese neuen Unternehmen erstmal machen statt sie mit Regulierungsauflagen zu blockieren. Auf dem Arbeitsmarkt ist Bildung das ganz große Thema. Und wir müssen Regeln finden für den Umgang mit Daten. Zum einen muss man Menschen schützen. Es kann ja nicht sein, dass jemand keine bezahlbare Krankenversicherung mehr bekommt, weil er seine Gesundheitsdaten nicht herausrücken möchte. Auf der anderen Seite bietet die Sharing-Economy ganz neue Möglichkeiten. Heute kann ich über Airbnb ein Zimmer an Wildfremde vermieten, weil ich an den Bewertungen ablesen kann, wie seriös der Gast ist. Im Ausland fahren viele Menschen nur mit Uber, weil die Fahrer dort bewertet werden. Die Datenökonomie hat neue Märkte entstehen lassen.
Aber sie führt auch zu Ungerechtigkeiten beim Preis. Apple-Nutzer zahlen bei Bestellungen im Internet mehr als andere.
Dafür zahlen andere weniger. Die können sich dadurch vielleicht Dinge leisten, die sie sonst nicht bezahlen könnten. Wenn das so ist, finde ich eine Preisdiskriminierung gut. Das ist wie etwa bei Kreuzfahrten. Das war früher nur was für Reiche. Aber wenn sie heute eine solche Reise ein Jahr im voraus buchen, können auch Leute aufs Schiff, die nicht so gut betucht sind.
Die SPD will große Datensammler im Internet dazu zwingen, Daten an kleinere Konkurrenten weiterzugeben. Zu Recht?
Wenn Daten nur in einer Hand sind, schadet das dem Wettbewerb. Abstrakt gesehen hat der Vorstoß daher Charme. Aber praktisch sehe ich jede Menge Probleme. Personengebundene Daten dürfen nicht weitergegeben werden, weil das gegen die EU-Datenschutzgrundverordnung verstoßen würde. Und welche Daten sollen denn überhaupt geteilt werden? Da ist noch vieles im Unklaren, an das man sich erst heranarbeiten muss.
Ein Unternehmen wie Amazon verfügt über Daten aus verschiedenen Bereichen. Amazon weiß mit seinen verschiedenen Diensten, was ich suche, was ich kaufe, wo ich wohne, wann ich zuhause bin, welche Serien ich sehe und welche Musik ich höre. Das geht schon sehr weit.
Für Google ist Amazon der größte Wettbewerber, wenn es um Suchanfragen geht. Und es stimmt, große Internetunternehmen, die in verschiedenen Märkten unterwegs sind, können ihre Daten bündeln. Es ist Aufgabe der Wettbewerbsbehörden, ihnen Grenzen zu setzen. Die EU-Kommission hat das bei Google getan, als sie dem Konzern verboten hat, den Google Play Store mit anderen Google-Apps zu verknüpfen und auf den Android-Handys vorzuinstallieren. Die Missbrauchsaufsicht muss neue Wege gehen, die klassischen Instrumente reichen nicht. Amazon hat sogar im deutschen Buchmarkt nur einen Marktanteil von deutlich unterhalb von 30 Prozent, zu wenig, um ein Missbrauchsverfahren einzuleiten.
Aber Ihre Monopolkommission fordert, die Buchpreisbindung aufzugeben. Damit machen Sie Amazon doch nur noch größer und läuten für die kleinen Buchhandlungen die Totenglocke.
Im Moment profitiert Amazon von der Buchpreisbindung. Amazon hat günstigere Einkaufspreise als die kleinen Läden und verkauft zum selben Preis an die Endkunden. Ohne Buchpreisbindung gäbe es schon längst Wettbewerber, die Amazons Marge angreifen würden, indem sie Bücher online billiger anbieten. Die Bücher, vor allem die Bestseller, würden günstiger, damit würde man auch zusätzliche Leser gewinnen.
Und die kleinen Buchläden?
Die großen Ketten halten sich ganz gut, die kleinen Läden werden bereits jetzt schon weniger. Der Strukturwandel findet statt, die Buchpreisbindung verlangsamt ihn nur. Kleine Buchläden gibt es übrigens auch in Ländern, die keine Buchpreisbindung haben. Die veranstalten dann Lesungen oder haben andere Programme, mit denen sie die Kunden an sich binden. Man wird den Strukturwandel nicht aufhalten können, man muss sich den Veränderungen stellen.
Was heißt das für Kaufhof und Karstadt, die zusammengehen wollen? Hat der neue deutsche Warenhauskonzern eine Zukunft? Fast alle Menschen bestellen doch heute im Internet.
Die Fusion ist auch eine Antwort auf die Digitalisierung. Ich bin optimistisch. Ich glaube daran, dass die Leute weiterhin in die Stadt und in die Läden gehen werden, wenn es für sie dort etwas Attraktives gibt. Immer am Computer oder Smartphone zu sitzen, kann auch langweilig werden. Die Stadt hat ihren Reiz. Karstadt und Kaufhof müssen den Kunden etwas bieten. Dass sie ihre Kräfte bündeln, ist richtig.
Heike Jahberg